FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

dd

dd

Buch

Zum Glück gibt’s den Zufall

Neujahr ist eine gute Gelegenheit, um anderen Glück zu wünschen. Aber was ist schon Glück? Ein Interview mit dem Physiker Florian Aigner über das Glück, den Zufall und Zufälligkeiten. Aber auch über den Flügelschlag des Schmetterlings, den Zufall beim Musikhören, das Missverständnis von Leistung und Zufall und die Notwendigkeit, dem Zufall gegenüber etwas entspannter zu werden.

Von Zita Bereuter

„Der Zufall hat uns fest in der Hand, das Leben ist ein riesengroßes Glücksspiel“, schreibt der Physiker Florian Aigner in seinem Buch: „Der Zufall, das Universum und du. Die Wissenschaft vom Glück“. Aber auch das Bauchgefühl finde immer einen Weg, sich die Wirklichkeit zurechtzubiegen - Aigners Buch liest sich ebenso unterhaltsam wie interessant. Und soviel vorweg: An das Glück glaubt der Autor nicht so besonders.

Wir versuchen immer irgendwie eine große Erzählung zu finden, eine Struktur. Selbst dort, wo es überhaupt keine Struktur gibt.

Nach dem Lesen deines Buches fragt man sich, ob man sich an Neujahr eher einen guten Zufall wünschen sollte?
Florian Aigner: Ja das stimmt. Der Zufall spielt in unserem Leben einfach eine ganz gewichtige Rolle. Das lässt sich nicht leugnen. Das spüren wir auch jeden Tag. Und auch aus naturwissenschaftlicher Sicht ist das einfach ein Faktum. Trotzdem kann es nett sein, Leuten am ersten Jänner „Viel Glück im Neuen Jahr“ zu wünschen – weil sich die einfach freuen. Und das genügt schon. Das heißt nicht, dass sie dann mehr Glück haben, dass der Zufall dann eher auf ihrer Seite ist. Aber wenn sich jemand freut, dann ist das schon was Schönes.

Warum haben Leute so häufig ein Problem mit dem Zufall?
Florian Aigner: Weil wir Menschen so gebaut sind, dass wir überall eine Erklärung finden wollen. Es passieren jeden Tag Dinge, die vollkommen zufällig sind. Die keinen tieferen Grund haben – oder zumindest keinen Grund, der für uns auch nur ansatzweise erkennbar sein könnte. Und das passt uns Menschen nicht so recht. Wir versuchen immer irgendwie eine große Erzählung zu finden, eine Struktur. Selbst dort, wo es überhaupt keine Struktur gibt. Wir sind einfach so gebaut. Das ist eine Vorgehensweise, die sich evolutionär bewährt hat. Aber wir müssen uns klar machen, dass wir mit dieser Vorgehensweise manchmal halt furchtbar daneben greifen und Zusammenhänge vermuten, wo es gar keine gibt.

Was ist der Zufall für dich?
Florian Aigner: Das Unvorhersagbare. Das, was nicht vorher berechnet werden kann. Das, von dem man akzeptiert, dass man keinen tieferen Grund finden kann.

Lotto und Zufall
Florian Aigner über das Lottospielen: „Ich habe wunderschöne Zahlen ausgewählt - dass sich die Wirklichkeit dann nicht ganz an meine Wünsche gehalten hat, kann mir niemand zum Vorwurf machen.“

Du schreibst auch von der Bedeutung jeder kleinen Bewegung – also der berühmte Schmetterling, der über Stürme mitentscheidet. Ist das so?
Florian Aigner: Ja, das ist wahr. Das ist eine sehr fundamentale Erkenntnis, die die Physik erst im 20. Jahrhundert hatte: dass wirklich alles mit allem zusammenhängt. Und dass winzig kleine Änderungen der Ausgangsposition die weitere Entwicklung vollkommen umwerfen können. Da gibt es eben dieses berühmte Bild vom Schmetterling, der mit den Flügeln schlägt. Und die Frage, ob er mit den Flügeln schlägt oder nicht, ist dann letztlich ausschlaggebend dafür, ob zwei Jahre später am anderen Ende der Welt ein Wirbelsturm ausbricht oder nicht. Das ist tatsächlich wahr. Also wir können so einfach mit der Hand in der Luft herumwedeln und es ist möglich, dass dieses Wedeln, das wir gerade beschlossen haben, die Weltgeschichte vollkommen umdreht auf eine Weise, die wir uns gar nicht vorstellen können.

Dann ist ja auch ein Zufall, dass jemand uns jetzt hört bzw. das jetzt liest.
Florian Aigner: Genau, dass wir hier im Studio sitzen und dass uns jemand zuhört, all das ist einfach nur das Resultat einer riesengroßen Verkettung von Zufällen, die seit dem Urknall, seit der Geburtsstunde des Universums, andauert.

Buchcover mit Bild von Glückskeks

Brandstätter Verlag

Florian Aigner: „Der Zufall, das Universum und du. Die Wissenschaft vom Glück“, Brandstätter Verlag 2017

Wählbar auf der Liste für das Wissenschaftsbuch des Jahres

Dann hören wir zufällig irgendeinen Song. Aber man hat auch oft das Gefühl, das ist gar nicht zufällig, das kann doch gar nicht sein, dass jetzt drei Mal vom gleichen Interpreten meinetwegen auch das gleiche Lied kommt.
Florian Aigner: Tja, auch das ist ein Fehlschluss, weil wir eben immer Muster finden wollen, und wenn wir einfach zufällig geshuffelte Musik auf unserem iPod hören, dann haben wir manchmal das Gefühl: „Das ist aber seltsam, die letzten drei Lieder waren ganz ähnlich. Und das kann doch kein Zufall sein!"
Aber genau das ist Zufall. Genau das passiert irgendwann. Und wir Menschen finden da Zusammenhänge, die aus rein zufallsmathematischer Sicht überhaupt nicht bemerkenswert sind.

Du schreibst auch: "Wir müssen akzeptieren, dass es den Zufall gibt und dass er unser Leben jederzeit in eine neue Richtung wirbeln kann. Das bedeutet auch, dass wir zu einem entspannten, großzügigen Umgang mit Misserfolg finden sollten.“ Heißt das jetzt, dass man sich entspannt zurücklehnt und denkt: „Ok, ist Zufall, dass das geklappt hat oder eben nicht."
Florian Aigner: Manchmal schon. Es ist der Zufall natürlich nicht alleine verantwortlich für Erfolg und Misserfolg. Und jemand, der sich nicht anstrengt und der sein ganzes Leben nur auf dem Sofa liegt, wird keinen Erfolg haben. Und Leute, die vielleicht beruflich unglaublich erfolgreich sind und Karriere machen und reich werden, die haben vielleicht tatsächlich viel geleistet, aber es war sicher auch der Zufall ganz massiv auf ihrer Seite und diese Seite sehen wir oft zu wenig. Und ich glaube, wenn man das anerkennt, die Bedeutung des Zufalls für das, was wir machen, kann man auch ein bisschen entspannen. Denn wenn die Dinge gut laufen, dann müssen wir uns nicht für die größten Superstars halten, sondern können sagen: "Ich hatte halt auch Glück.“ Und wenn die Dinge schlecht laufen, dann müssen wir uns nicht selbst geißeln und für ganz furchtbar katastrophal schlecht halten, sondern wir können einfach akzeptieren: "Diesmal war der Zufall halt nicht auf unserer Seite.“

Wäre das nicht ein gutes Jahresmotto für 2018 – so ein bisschen den Zufall entspannt anschauen?
Florian Aigner: Genau! Machen wir das Beste aus den Möglichkeiten, die uns der Zufall vor die Füße wirft. Aber nehmen wir es, wie es kommt, und erkennen wir an, dass halt der Zufall eine wirklich große Rolle spielt in unserem Leben.

Dann wünsch ich dir einen guten Zufall!

Aktuell: