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Tortellini

Jessica Spengler

mit akzent

Bolognaprozess

Die Tür des Fliegers geht auf und die Luft riecht nach Essen. Das ist ein bisschen unerwartet, da das Flugzeug mitten am Flughafen steht und der Wind weht. Von woher kommt der Geruch?

Von Todor Ovtcharov

Alle, die aussteigen, versuchen den Geruch zu identifizieren. Einige sagen „Sauce Bolognese“, andere „Tortellini“ und die großen Kenner „Gnocchi“. Jemand fängt an, die Nummer der Schlagertruppe Wanda zu singen, wo man die ganze Zeit über „Amore“ singt. Vielleicht werde ich jetzt verstehen, warum diese scheußliche Nummer so populär in Österreich ist. Laut dem Lied sind wir in Bologna, der Stadt der Romantik. Im Lied singt man Chianti trinkend über Amore, Amore, Amore....

Tortellini

Jessica Spengler

Ausschnitt (CC BY 2.0)

Es stimmt, dass die Stadt voll mit jungen Menschen ist, die auf der Straße Chianti trinken. Vielleicht finden sie es romantisch, vielleicht können sie sich kein Lokal leisten. Sie sehen auf jeden Fall glücklich aus und erfüllt von Amore.

Außer an Amore, denke ich die ganze Zeit ans Essen. Ich sitze auf der Piazza und schaue zu, wie man Tortelloni vorbereitet. Im Mund schmelzende Büffelricotta mit Spinat oder mit knusprigem Speck (die Vegetarier mögen mir verzeihen), eingewickelt in frische Pasta, die in einer leichten Rahmsauce zwitschert. Dick mit Parmesan bedeckt. Die Köchin macht die Tortelloni mit so viel Amore, dass ich mir nichts mehr wünsche, als ein Tortellon in ihren Hände zu sein. Ich will, dass sie mich sanft quetscht, mich formt, mit sorgfältigem Blick. Ja, ich will ein Tortellon sein! Das Essen, das ist Amore.

Mit Akzent

Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov und sein satirischer Blick auf das Zeitgeschehen - jeden Mittwoch in FM4 Connected und als Podcast.

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Jeden Tag, den ich in Bologna bin, denke ich die ganze Zeit ans Essen. Der Geruch von Essen erfüllt mich. Egal, ob ich den Turm von Bologna besteige oder mir die Universität, die älteste in Europa, anschaue. Von oben sieht die Stadt rot aus – Bologna la rossa, wie Sauce Bolognese. Entschuldigt mich, aber heute habe ich keine anderen Vergleiche außer kulinarische.

Ich erinnere mich an die Studentenproteste gegen den „Bolognaprozess“ - so nannte man den europäischen Standardausgleich in der Bildung. Es wäre alles viel leichter gewesen, wenn alle österreichischen Studenten auf den Straßen von Bologna Chianti getrunken und Tortelloni gegessen hätten. Denn gutes Essen löst alle Konflikte und vernichtet alle nationalen Unterschiede.

Alles Böse ist in der Vergangenheit geblieben. Es wurde zu Asche wie die Strohpuppe, die man auf der Piazza verbrennt. Das neue Jahr kommt mit Amore, Chianti und leckerem Essen. Essen für den Magen, Essen für die Seele.

Freues neues Jahr, liebe Leserinnen und Leser!!
Euer Tortellon – Todor Ovtcharov

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