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Halloween: Frau steht auf Veranda, hinter ihr im Haus eine maskierte Person mit Messer

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20 Filme für 2018

Teil 2: Drei Cinephile im Gespräch über Horrorschocker abseits des Üblichen und fiebrige Thriller aller Arten.

CHRISTIAN FUCHS: Willkommen bei der Fortsetzung unserer kleinen Vorschau-Plaudereien am virtuellen Kamin. Lasst uns doch, wie schon bei Teil 1, all die leider fade gewordenen Comicverfilmungen skippen. Und auch auf die Flut der Sequels und Reboots nicht näher eingehen. Moment, ein paar wenige Ausnahmen müssen wir doch machen. Wenn der unberechenbare David Gordon Green, der von verträumten Coming-Of-Age-Dramen bis zu abgehobenem Kifferklamauk alles draufhat, einen neuen „Halloween“-Film macht, sollten wir das erwähnen. Nach den für mich furchtbaren Prequels, in denen Rob Zombie den Mythos rund um Michael Myers schwer beschädigte, besinnt sich Green der Wurzeln. Und holte dazu John Carpenter als Coautor ebenso an Bord wie die große Jamie Lee Curtis.

Christoph Prenner schaut sich immer wieder mal gern Sachen im Kino oder Fernsehen an, über die er sich dann in den schönsten Fällen in Periodika wie SKIP, Wiener oder Prime Time (R.I.P.) buchstäblich freut.

CHRISTOPH PRENNER: Der tatsächlich schwer ausrechenbare Herr Green war ja auch einmal für die Neuauslegung eines Filmes im Gespräch, wegen dem wir hier wohl alle schon unsere Wohnungswände hingebungsvoll im allmächtigsten Rot leuchten haben lassen. Die Rede ist natürlich vom Über-Giallo „Suspiria“, dessen sich nun, man möchte sagen: logischerweise, ein italienischer Filmemacher angenommen hat: Luca Guadagnino. Und auch wenn man den eventuell nie so richtig super gefunden hat wie seine Landsleute Sorrentino oder Sollima, so darf man seit dem wirklich hervorragend geratenen „Call Me By Your Name“ dann doch vorsichtig vorfreudig sein – zumal ja die ersten nach außen gedrungenen Eindrücke des sensationellen Casts auch ziemlich euphorisch klingen.

Suspiria

84 Entertainment

„Suspiria“ - Das Original

Sebastian Selig lebt im Kino und schreibt darüber online ausschweifende Erlebnisberichte, u.a. auch für so aufregend bunte Magazine wie Hard Sensations, NEGATIV oder Deadline.

SEBASTIAN SELIG: Kein Kinofilm hat sich tiefer in mein Herz eingegraben als Dario Argentos meisterliches Original. Luca Guadagnino wagt sich hier nun an eine ganz eigenwillige „Suspiria“-Neuinterpretation. Die von Hexen geleitete Ballettschule hat er dafür direkt an den Mauerstreifen ins Berlin der 70er verlegt. Gedreht wurde - unter anderem mit Tilda Swinton, Dakota Johnson, Chloe Grace Moretz und Mia Goth - aber tatsächlich an einem besonders magischen Ort, einem alten, gigantischen, seit einigen Jahrzehnten verlassen in den Bergen über Lugano thronenden Prachthotel. Ich war dort und sah Sets von einem Tanzsaal mit Vorhängen aus Menschenhaar, dunkle Internatsflure, aus deren Boden bleiche Arme wachsen, um nach einem zu greifen und düstere Grabkammern voller expressionistischer Netzskulpturen. Spätestens seitdem fiebere ich wohl keinem Kinofilm im kommenden Jahr gespannter entgegen als diesem.

Dämonische Biker & religiöse Besessene

SEBASTIAN: Nicolas Cage hat ja mindestens noch einen gewaltigen Film in sich pochen und Panos Cosmatos („Beyond The Black Rainbow“) ist genau der Richtige, diesen endlich von der Leine zu lassen. Wie ganz viele vielsprechende Kinofilme 2018 kreist dabei alles delirierend um eine Sekte. Diese hat die Liebe seines Lebens auf dem Gewissen, woraufhin Cage die Leinwand bis über den Rand in tiefes Rot und wuchtigen Heavy Metal taucht. Ungebändigt. Mit der Streitaxt in der Faust. „Mandy“ – ein surreales Fest, das verspricht, sich tief und dröhnend in uns einzugraben.

CHRISTOPH: Cage und Cosmatos: Das klingt nun wahrlich nach einem Clash, von dem man sich garantiert nicht unversehrt davonstehlen wird können. Womit halte ich da jetzt dagegen? Mit dem Aufeinandertreffen von Gareth Evans und Dan Stevens womöglich, das sich da „Apostle“ nennt? Ersterer hat sich nach der noch immer tüchtig nachklingenden Stereowatschen seiner zwei hammerharten „Raid“-Filme erst einmal in Ruhe angesehen, was man ihm in Hollywood so vorschlägt. Um sich dann doch für diese Produktion zu entscheiden, die ihm anscheinend mehr Freiheiten bietet. Zweiterer hat in „The Guest“ oder „Legion“ schon beeindruckend bewiesen, wie prächtig er den Wahnsinn in seinen Augen zu tanzen lassen versteht. Und er hat wohl genau die richtigen Handkantenschlagqualitäten, die Evans für seine jüngste Man-on-a-Mission-Hemmungslosigkeit (hier: Bruder will Schwester aus den Fängen einer Inselsekte befreien) gesucht hat.

Kirchengemeinde und Prediger

Apostle

Apostle

Philosophische Serienkiller & archaische Wolfsjäger

Ich muss an dieser Stelle einmal anmerken, das Serienkiller für mich filmisch ziemlich abgehakt sind. Nach unzähligen Thrillern und zuletzt vor allem brillanten Serien wie „Hannibal“ und „Mindhunter“, die einerseits höchst stilisiert und andererseits ultrarealistisch in dunkelste Abgründe tauchten, beginnt die Thematik zu nerven. Und dann setzt uns ausgerechnet unser liebster Arthouse-Saubartel Lars von Trier 2018 einen Serienkillerfilm vor. „The House That Jack Built“ folgt der Blutspur eines hochintelligenten Killers im Amerika der 70er Jahre. Der stets unterschätzte Matt Dillon schlüpft in die Titelrolle, Uma Thurman, Bruno Ganz und Riley Keough sind ebenfalls dabei. Wird der verlässlich unkorrekte Regisseur dem Serienkiller-Genre neue Facetten abgewinnen, wie es ihm mit den „Nymphomaniac“-Streifen beim Thema Sex gelang?

Mann blickt durch Kunststoff-Vorhang eines Kühlraums, dahinter liegen Leichen

Zentropa Entertainment

The House That Jack Built

CHRISTOPH: Wir werden’s hoffentlich sehr bald erfahren – wenn auch aus wohlbekannten Gründen nicht schon in Cannes. Aber apropos Palmen: Ich habe mir neulich während einer kleinen Fernreise in flirrender Hitze endlich ein frostiges Lektürenfeuerwerk einverleibt, das ihr beide mir ja schon länger nahelegt: „Wolfsnächte“ von William Giraldi. Gerade noch rechtzeitig, bevor dessen Verfilmung bei uns eispickelhart aufschlägt, scheint mir.

SEBASTIAN: Das Eis in all seiner wuchtig bitteren Kälte ist ein ganz wundervoller Ort für das Kino. „Wind River“ von Taylor Sheridan machte das noch einmal eindringlich deutlich und „Hold The Dark“, der neue Film von Jeremy Saulnier („Green Room“), wird uns 2018 jetzt noch in viel heftig bittere Regionen mitnehmen. Den dazugehörigen Roman habe ich bereits fiebrig verschlungen. Ein archaisches Wuchtwerk über einen alten Mann, der von einer Mutter engagiert wird, den Wolf zu töten, der ihr Kind geraubt hat und dadurch ungewollt unter dem Eis einen blutroten Vulkan aufbrechen lässt. Nur schade: der Film wird wieder einmal leider nicht im Kino zu sehen sein, da von Netflix produziert.

CHRISTIAN: Fand das Buch von Giraldi auch umwerfend. Dabei hatte ich beim Lesen aber schon die ziemlich supere Besetzung im Kopf, die Saulnier in das Eis von Alaska schicken wird: Jeffrey Wright, Riley Keough und Alexander Skarsgard frieren um ihr Leben.

Soldaten

GEM Entertainment

Sicario 2 - Soldado

CHRISTOPH: Wo eben schon die Rede von Taylor Sheridan war: Dem momentan wohl dringlichsten Drehbuchschreiber out there verdanken wir neben dem eigeninszenierten „Wind River“ ja auch die steilen Vorlagen zu „Hell Or High Water“ und „Sicario“. Und auch zu „Soldado“, der Fortsetzung von letztgenanntem, staubtrocken rockendem Meisterwerk hat er das Skript verfasst, dessen Umsetzung heuer noch neue einschneidende Grenzerfahrungen bringen wird. Zwar ohne Denis Villeneuve und Emily Blunt, dafür aber mit dem einschlägig drogenkriegerprobten Stefano Sollima („Gomorrah“, „Suburra“) am Ruder und verstärktem Fokus auf Benicio del Toros erbarmungslosem Killerkerl.

CHRISTIAN: Einen Hauch skeptisch macht mich nur der Trailer zu „Soldado“, der etwas zu sehr an klassisches Actionkino erinnert, leider ist Roger Deakins, der Ausnahmekameramann von „Sicario“ nicht mehr involviert. Aber egal, auf das Team Sheridan/Sollima sollte bei diesem sonnenverbrannten Thriller Verlass sein.

CHRISTOPH: Verschärfte Auseinandersetzungen in der Gluthitze verspricht auch der erste englischsprachige Film des famosen Franzosen Jacques Audiard („Ein Prophet“): „The Sisters Brothers“ mit Joaquin Phoenix und John C. Reilly als titelgebendem Brüderpaar, das sich auf die Fersen von Jake Gyllenhaal heftet und dabei beharrlich in bizarre und blutgetränkte Vorfälle verwickelt wird.

Vibrierende Neo(n)-Noir-Verbeugungen

CHRISTIAN: Apropos bizarre und blutgetränkte Vorfälle, was macht eigentlich Nic Pizzolatto? Der Schöpfer der extrem grandiosen Serie „True Detective“ tauchte nach der Kritikerschelte für die sträflich unterbewertete zweite Staffel wohl erst mal unter. Nach einer längeren Pause dürfen wir uns nun nicht nur auf eine dritte Season freuen, die ins Herz der Ozarks führt und bei der unter anderem der hier gefeierte Jeremy Saulnier Regie führt. Neben der Rückkehr von „True Detective“ auf die Bildschirme kommt auch Pizzolattos Romandebüt auf die - hoffentlich - große Leinwand. In „Galveston“ spielt Ben Foster einen krebskranken Ex-Auftragskiller, der im hitzigen Texas eine junge Frau vor einer fiesen Gang schützt. Ein fast schon zu klassischer Neo-Noir-Stoff, der nach besonders leidenschaftlicher Umsetzung verlangt. Es gibt weder einen Trailer noch Bilder bislang, aber die tolle Mélanie Laurent („Inglorious Basterds“) im Regiestuhl und Ben Foster, Elle Fanning und Beau Bridges auf der Besetzungsliste sorgen für fiebrige Vorschaufreude.

Mann an einem Sandstrand

Embankment Films

Galveston

SEBASTIAN: Sehr schön wird es sicher auch, bald erste Bilder zum brachial stilsicher klingenden Neon-Noir „Under The Silver Lake“ zu sehen. Der neue Kinofilm von David Robert Mitchell, dessen „It Follows“ mich bis heute verfolgt, will dem Genre im L.A. der Gegenwart nun nochmals ein vibrierendes Denkmal setzen, wo auch sonst. Wie schon „It Follows“ musikalisch formschön untermalt von den minimalistischen 8-Bit-Tunes von Disasterpeace. Cool.

CHRISTOPH: Unterm Silbersee werden wir übrigens erneut – und das bereits zum dritten Mal in unserer heutigen Aufzählung – die immens fähige und leider immer noch allzu oft übersehene Riley Keough („Mad Max: Fury Road“, „It Comes At Night“) beim charismatischen Schillern bewundern können. Von ihr wird man spätestens in einem Jahr in den höchsten Tönen sprechen.

CHRISTIAN: Ich hoffe, dass wir auch in einem Jahr wieder gemeinsam plaudern. Selbst wenn sich das Medium gerade in einem riesigen Umbruch befindet, das Kino als Idee, als Lebensmittel, als Droge, als Fenster zu anderen Realitäten und Welten, es lebt. Wir sehen uns demnächst im dunklen Saal.

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