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Django Django

Fiona Garden

artist of the week

Und Saturn besiegt sie am Ende alle

„Marble Skies“, das dritte Album von Django Django, kann nicht an seine beiden Vorgänger anknüpfen. Aber es ist das gesamte Oeuvre dieser herausragenden Band, das zählt. Unser Artist Of The Week.

Von Lisa Schneider

Die Party ist vorbei. Da steht man vorm Badezimmerspiegel, die Haare vom Tanzen verschwitzt an die Schläfe geklebt und der rote Lippenstift über die Ränder hinausverwischt. Es ist die schöne Melancholie, die hereintröpfelt, weil er zu Ende geht, der Abend, der so gut war.

Eben da im Badezimmer, im kleinen CD-Player aus den 90er Jahren, liegt ein Album, es ist das zweite der Londoner Band Django Django, „Born Under Satyrn“, aus dem Jahr 2015. Dunkle Trommeln, helle Schellen, Singles wie „First Light“ oder „Giant“, sie saugen einen wieder zurück in den besten Moment der Nacht.

Nominiert für den Mercury Prize

Das ist bis heute mein liebstes Szenario in Zusammenhang mit der Band Django Django. Die Band gibt’s aber schon länger, 2012 ist das selbstbetitelte Debutalbum erschienen. Es flitzt vorbei an den so vielen unglaublich guten Releases dieses Jahres aus dem United Kingdom – hinein auch in die Shortlist des renommierten Mercury Prize. Dass die Artrock-Kollegen von alt-J sich den Titel wohlverdient für „An Awesome Wave“ mit nach Hause nehmen, tut dem ganzen Hype um die noch junge Band keinen Abbruch.

David Maclean, Vincent „Vinny“ Neff, Jimmy Divon und Tommy Gabe sind Studienfreunde, die sich Ende der 2000er Jahre in London kennenlernen. David Maclean ist vorerst nicht nur Drummer, sondern vor allem legt er auf und produziert selbst. Die Band formiert sich nach und nach, im Proberaum werden – und so ist es bis heute – alle Songs zu viert geschrieben. Proberaum ist zu viel gesagt, das erste Album ist im Schlafzimmer entstanden, mit einem Mikro aufgenommen - und dann gleich sowas, mehrere Haufen Exemplare gehen über den Ladentisch, die erste Tour startet, sie führt die Band rund um den Globus.

Erfolg verlangt seinen Weg

Wie es dann so kommt, schnuppert ein großes Label noch Größeres, Universal klopft an die Tür, und Django Django werden in ein cleanes Studio gebeten, um den nächsten, größten Wurf zu produzieren. Im Nachhinein, so erzählt die Band im Gespräch, war das ein etwas surreales Szenario, den Produzenten haben sie nur durch eine Glaswand hindurch gesehen, so, wie man sich das eben vorstellt im highly professional musical environment. Tighter, straighter, ausgefeilter, so soll das neue Album klingen, und das tut es. Das schon erwähnte Album zur Glorifizierung der frühen Morgenstunden im Badezimmer, „Born Under Satyrn“ bringt den nächsten großen Erfolg. Die Tour wird noch einmal ausgedehnt, fast zwei Jahre lang ist die Band unterwegs.

Django Django

Fiona Garden

Einmal um die Ecke gedacht

Die Songs greifen ineinander, es wird wie das Debut unter „psychedelic artrock“ eingereiht, damit soll die Mischung aus 60ies-Rockabilly und 80er-Jahre-Synthesizerdancefloorpop umrissen werden. Mehr noch als das ist Django Django aber eine vom ersten Takt so unverkennbare Band, und das nicht nur wegen einer, sondern wegen zwei Stimmen: Der Doppelgesang, der jede Melodie hofiert, in monotoner Intonation, die einen fast Kreischen lässt, so großartig ist das, und so einfach auch. Die Lässigkeit dieser Stücke verstärkt ironischerweise das Gefühl, mit welchen sehr, sehr guten Musikern man es hier zu tun hat.

Mit umgekehrter Psychologie verdient sich die Band auch noch so einiges weitere: dieser „Django-Django-Sound“ prägt sich deshalb von Album zu Album mehr aus, weil die Band nicht darüber nachdenkt, wie sie klingen will, erklärt Vinny Neff. Egal, was die Band ausprobiert, „the production, in the end, keeps it all together“. So kommt’s, dass auch, wenn Slow Club’s Rebecca Taylor beim Song „Surface To Air“ ihre Stimme gleich dem gesamten Song leiht, oder die Metronomy-Schlagzeugerin Anna Prior am Titelsong „Marble Skies“ die Drumlines neu interpretiert, es wie ein Django-Song klingt.

Zurück im Schlafzimmer

Bei Django Django ist es nicht der Kampf mit dem oft verfluchten zweiten Album, der sie stolpern lässt; es ist das dritte. Am Telefon erzählt Vinny Neff, dass sie wieder zurück zum Start wollen, „we wanted to take it all back again“. Vom Schlafzimmer ins Studio wieder zurück ins Schlafzimmer. Wobei, das Schlafzimmer wurde diesmal nach Tottenham, Nordlondon verlegt, und ähnelt doch mehr einer wild vollgestopften Bude, die nur so übergeht vor Platten.

Ein Youtube-Kommentator hat, als die Band vor wenigen Wochen eine der neuen Singles „In Your Beat“ veröffentlich hat, geschrieben, das klänge unverkennbar nach den Beach Boys. Das hat auch schon die New York Times angemerkt – schon nach dem Release des Debutalbums. Vinny Neff, er klingt geschmeichelt und sagt, dann müssen sie wohl etwas richtig gemacht haben. Er und David MacLean haben schon als Kinder die alten Brian-Wilson-Platten aus den Sammlungen ihrer Eltern gestohlen. Die Harmonien, es sind immer wieder die Harmonien, die sie ein aufs andere Mal zum Erbe der großen Beach Boys zurückführen.

Die Musik zum Bild

Wie das so ist bei der Frage nach den musikalischen Inspirationen des neuen Albums, herrscht kurz Stille am anderen Ende der Leitung. Eigentlich gibt es die nicht wirklich. Wenn Musik gelaufen ist, außerhalb dieses kleinen Homestudios, dann waren das Filmsoundtracks – weil die, so Vinny Neff, machen im Prinzip das, was Django Django versuchen, mit ihren Songs zu erzeugen: Filmsoundtracks untermalen eine bestimmte Situation in einem Film, indem sie versuchen, ein Gefühl zu verstärken. Und ein Song, der soll genau das, eine Stimmung vielmehr als eine detaillierte Geschichte evozieren.

Django Django arbeiten mit Assoziationen, im Wort- und im Bildsinn. Die allererste neue Single, „Tic Tac Toe“, ist dafür Paradebeispiel. Es war nur eine Gedankenspielerei, die Phrase war da, und drumherum schichten Django Django ein Soundsetting, und eine scheinbar sinnlose Wortaneinanderreihung wird neu interpretiert. Ein strategic maths game verwandelt sich in die psychologische Auseinandersetzung darüber, wie Menschen in ihren gegenseitigen Betrügereien versinken.

Assoziationen hinsichtlich des kreativen Prozesses hervorzurufen versuchen die vier Musiker aber auch – und das ebenfalls von Anfang an – über visuelle Eindrücke, wo wir wieder bei besagten Filmsoundtracks landen.

Der Titel „Marble Skies“, so heißt das dritte Album, lehnt sich an ihren Auftritt am Lollapalooza Festival in Chicago 2015 an.

We went on stage, and the sky was just full of pinkish and white clouds, it all looked like marble.

Django Django Cover "Marble Skies"

Caroline (Universal)

„Marble Skies“, das dritte Album von Django Django, erscheint via Caroline (Universal).

Ein Himmel aus Marmor, es ist zum in die Hände Klatschen, wieder so eine Phrase, die zuletzt nicht nur das Album, sondern auch die Eröffnungsnummer – und die beste des Albums – betitelt. Das Artwork ist bei Django Django auch schon beim Debutalbum da, bevor überhaupt ein Song geschrieben wurde.

Django Django gehen mit „Marble Skies“ zurück zum gemeinsamen musikalischen Anfang; „Tic Tac Toe“ erinnert nicht umsonst an ihren ersten richtig großen Song, „Default“. Der Spaß, er ist unverkennbar da auf „Marble Skies“, gleichzeitig klingt er aber zu beliebig, zu wenig eigenständig; und das, obwohl die Band wieder völlig auf sich selbst gestellt war. Ironie, Ironie, wieder: Django Django haben mit ihrem zweiten, unter Erfolgsdruck und für ihren Geschmack zu sterilen Aufnahme-Setting entstandenen Album eher als jetzt das geliefert, was ihnen den Status einer der außergewöhnlichsten aktuellen Bands aus UK garantiert.

Luftig und leicht, das ist „Marble Skies“, Musik, die im Hintergrund läuft, die einen vielleicht tanzen, aber nicht mehr innehalten lässt. Am Cover von Django Djangos zweitem, bestem Album „Born Under Satyrn“ ist also nicht umsonst eine wunderschöne, muskulöse Statue des Saturn abgebildet.

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