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Trailerpark

Daniel Shaked

Oralsex rettet die Welt

Die deutschen HipHop-Asis Trailerpark sind bekannt für Konzert-Orgien: Prostituierte, Penetration und Ekel-Cocktails inklusive. Was davon haben Alligatoah & Co gestern im ausverkauften Gasometer gezeigt?

Von Florian Wörgötter

Trailerpark sind die erste HipHop-Boyband „zum (da unten) Anfassen“. Die Rapper und Labelkollegen Timi Hendrix, Sudden, Basti und das massentaugliche Zugpferd Alligatoah veröffentlichen seit 2009 Alben als „Crackstreet Boys“. In ihrem Selbstverständnis begreifen sich Trailerpark als „das Sprachrohr einer Jugend geprägt von Komasaufen, Youporn-Clips und exzessivem Nihilismus.“ Ihr Trademark: sarkastischer Humor, nicht bloß schwarz, sondern kackerlbraun und tamponblutrot. Weshalb Frauenrechtlerinnen und Jugendschutz schon einige ihrer Songs auf den Index brachten. Ihre orgiastischen Konzerte wurden deshalb aufmerksamkeitswirksam zu Ab-18-Shows mystifiziert (= K.I.Z. meets Drahdiwaberl). Wessen Moralkompass schon jetzt ausschlägt, dem bieten Trailerpark eine Entscheidungshilfe fürs Weiterlesen:

Wenn du einer dieser Menschen bist,
Für den die Gürtellinie eine Grenze ist,
Du bei bitterbösen Texten auf die Bremse trittst,
Sind wir die falsche Band, die falsche Band für dich.

Man kann davon halten, was man will. Für 3.500 Menschen im ausverkauften Gasometer sind die „sexualethisch desorientierten“ Trailerpark genau die richtige Band. Der Rest jener, die sich voll ironisch Trash reinziehen, gönnen sich ihre Dosis daheim auf der Couch beim Einzug in das Dschungelcamp.

Spiel mir das Lied vom Kot

Wer sich an diesem Abend – wie bei den Ab-18-Konzerten – Dominas, Ledersklaven und Koks am Silbertablett erwartet, muss damit auf akustischer Ebene vorlieb nehmen. Einzig eine nackte, aufblasbare Rubensdame streckt sich über die gesamte Bühne wie die Venus von Willendorf. Ein quietschender Gummidildo wird geschüttelt und ein aufblasbarer Riesenpenis surft über die Crowd hinweg. Sein glücklicher Empfänger wird ihn den Rest des Abends umarmen, um ihn wieder klein zu kriegen. Ansonsten: Keine Prostituierten. Keine Penetration. Kein Koks (auf Hawaii). Im Gegenteil: Alle paar Songs hängen die Jungs in bunten Anzügen im Sitzsack, teilen sich ein Glas Whiskey und lassen das Publikum singen.

Junkies & Psychos: Endlich normale Leute

Die Fans aber drehen durch und brüllen jede Zeile mit. „Alles komische, abgefuckte Leute“, beschreibt Hardcore-Fan Tami ihre Geschwister im Geiste, „doch im Moshpit helfen sie dir beim Suchen, wenn dein Schuh verloren geht“. Die Frankfurterin, 22, steht lebenslang auf der Trailerpark-Gästeliste, weil sie sich das Bandlogo auf den Knöchel tätowieren hat lassen, samt der drallen Dame, die die Bühne schmückt. Der Wien-Gig ist bereits ihr elftes Konzert – auf dieser elf Konzerte langen „TP4L-Tour“.

Trailerpark

Daniel Shaked

Tamis Tattoo

Seit Dezember nimmt sich Tami donnerstags und freitags frei, um ihrer Lieblingsband nachzureisen, privat und alleine, von Hamburg über Stuttgart nach Wien. Sie war also bei mehr Konzerten als das kranke Bandmitglied Basti, der heute von Kamerakind Vortex ersetzt wird. Ob Tami die Songs nicht zu sexistisch sind? „Die Texte sind ironisch und kritisch, was nicht alle verstehen. Aber eigentlich sollte man als Frau diese Texte nicht abfeiern.“

Poo Fighters meets Rapetrain

Den Soundtrack zur Metoo-Bewegung werden Trailerpark nicht schreiben. Wer den „Scripted-Reality-Rap“ von Trailerpark hört, erkennt aber schnell, dass hier die Provokation zum guten Ton gehört, der ironisierte Tabubruch zum Werkzeug. Trailerpark machen sich über alles und jeden lustig, denn jeder habe ein Recht auf Diskriminierung. Manches Mitglied beherrscht die Pointen clever, manches etwas plumper. Vor allem Alligatoah reißt den Niveau-Fader immer wieder nach oben. Mit seinen einprägsam gesungenen Pop-Refrains gelingt es ihm auch, Après-Ski-Schlager und Balladenschnulzen witzig zu konterkarieren.

Sudden von Trailerpark

Daniel Shaked

Sudden

Die wichtigsten Botschaften für die Jugend von heute: „Bleib in der Schule“ (Sonst wirst du so wie Trailerpark), „Sterben kannst du überall“ (Weg vom PC, raus in den nächsten LSD-Trip) und die vielleicht klügste Anleitung zur Rettung der Welt: Würden Männer, anstatt sich immer wieder in die Fresse zu hauen, einander einen blasen, wäre der Weltfrieden greifbar („Dicks Sucken“).

Ich bin sicher, kein Soldat hätte damals eine Waffe benutzt,
Hätten Saddam und Bush sich statt Massenbeschuss Mal den Yarak gelutscht.

Das Konzert endet mit Elton Johns Lion-King-Hymne „Can You Feel The Love Tonight”. Nackte Männer-Oberkörper liegen sich in den Armen, der überraschend hohe Frauenanteil grinst zufrieden. „Wir sehen uns in der Hölle. Tschüss!“

Timi Hendrix von Trailerpark

Daniel Shaked

Timi Hendrix

Bronze für Österreich

Und welches Resümee zieht Stammgast Tami? „Die Wiener Crowd war der Hammer, die Band eigentlich wie immer. Das Wien-Konzert landet für mich auf Platz drei der Tour.“ Bielefelds Heimvorteil und Hamburgs Gastauftritte wären schwer zu toppen gewesen. Der Österreich-Bonus: Seit Jahren durften Trailerpark das in Deutschland verbotene „Schlechter Tag“ wieder einmal live bringen. Ob Tami ihre Idole nun endlich persönlich getroffen hat? „Nein, will ich auch nicht.“ Warum? „Am Ende sind sie noch nette Jungs.“

Wer keine Karte mehr ergattern konnte: Trailerpark spielen dieses Jahr beim FM4 Frequency Festival (16.-19. August 2018) in St. Pölten.

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