Die erste, große Liebe
Von Lisa Schneider
Auf die Frage hin, ob sie schon als Kind und Teenager viel gelesen hat, antwortet Buchhändlerin Anna Jeller, dass sie eben gelesen hat, was ihr in die Hände gefallen ist. Dass sie aber in einem Haushalt ohne großen Bücherreichtum aufgewachsen ist - und sie deshalb Dauergast in der Bibliothek war.
Anna Jeller führt ihre Buchhandlung im 4. Bezirk in Wien seit 1985 - jetzt gibt sie in ihrer neu gegründeten „Edition Anna Jeller“ ein Buch heraus, das sie auf diesen Weg gebracht hat.
Nicht nur eine Sommerliebschaft
Der Roman „17. Sommer“ der in Irland geborenen, in Amerika aufgewachsenen Schriftstellerin Maureen Daly (1921-2006) hat Anna Jeller als Jugendliche so sehr gefallen, dass sie es fünfmal hintereinander gelesen hat. „Es hat mich total begeistert. Mit dieser Heldin konnte ich mich identifizieren. Später bin ich dann draufgekommen, dass mich diese Art zu schreiben und zu erzählen in meinem Lesegeschmack sehr beeinflusst hat.“
Anna Jeller
Die Protagonistin des Romans heißt Angie Morrow. Sie wächst in Wisconsin auf und ist, wie es der Titel verrät, 17 Jahre alt. Ihre Geschichte in diesem Sommer ist eine Geschichte der ersten großen Liebe - und allem, was sie an Gefühlen, Eindrücken, an Eskalation, Verzweiflung und Herrlichkeit mit sich bringt.
„Dieses Buch ist nicht nur eine Sommerliebe, sondern diese Heldin ist eine stille, sie kennt sich nicht so aus, wie das mit den Dates und den Jungs ist. Sie fühlt sich anders. Und ich war natürlich auch anders als alle anderen“, lacht Anna Jeller. „Ich hab mich auch so ‚mausig‘ gefühlt wie sie, das hat mich am stärksten beeindruckt, aber auch diese ganze Familie, das Zusammenleben, und sicher auch die Schilderung dieser Jahreszeit.“
Es sind nämlich auch genau diese naturalistischen Schilderungen, für die Maureen Daly schon oft gelobt wurde - bei denen sich genregemäß die Regungen der Charaktere denen der Natur anpassen - oder umgekehrt.
Vier Töchter gibt es im Haushalt Morrow, jede mit ihren eigenen Erfahrungen was die Liebe und Beziehungen mit Männern angeht, das Szenario erinnert nicht selten an Jane Austens Familienentwürfe.
„Ich bin immer noch eine naive Leserin“
- Anna Jeller
„Jane Austen? Die hab ich damals noch gar nicht gekannt“, erzählt Anna Jeller. „Ich hatte überhaupt keine Anknüpfungspunkte, und ich bin noch immer eine sehr naive Leserin. Ich suche keine Querverweise - was wird da jetzt zitiert? Wer kennt da wen? Das mach ich bis heute nicht. Was für mich zählt, ist die Geschichte.“
Dabei - wenn man an Querverweise denkt - ist der Roman von Maureen Daly sehr wichtig. Literatur über Heranwachsende hat es auch in den 1940ern und davor gegeben (Marc Twain, Booth Tarkington, Louise May Alcott) , Literatur für Heranwachsende nicht. Erst später, in den 1960ern, von Paul Zindel oder S. E. Hinton.
Millionenfach verkaufter Bestseller
Maureen Daly jedenfalls war ihrer Zeit voraus: „Das war damals überhaupt nicht interessant in der Rezeption. Mein Exemplar war eine Buchgemeinschaftsausgabe, es gab nicht einmal wirklich einen Klappentext. Und es gab auch nicht die Möglichkeit, alles Mögliche über ein Buch herauszufinden - etwa das Foto der Autorin im Internet zu suchen. Früher hat man sich auf den Text konzentriert, man wusste nicht so viel, was an dem Buch noch dran ist.“ So hat Anna Jeller, während sie das Buch als Teenager verschlungen hat, auch noch nicht gewusst, dass es ein millionenfach verkaufter Bestseller war.
Bis heute ist Maureen Dalys Roman in den USA ununterbrochen lieferbar und gilt als Kultroman.
Jacqueline Godany
„Noch ein paar Jahre vor ihrem Tod hat Maureen Daly noch einmal das Copyright erneuert. Also die wusste schon sehr genau, was ihr da gelungen ist.“
Wieso alt, statt neu?
Eine Frage stellt sich dennoch: Anna Jeller ist jeden Tag in Kontakt mit den neuesten Erscheinungen des internationalen Buchmarktes konfrontiert. Wieso hat sie gerade diesen schon alten Roman für den Start ihrer Edition ausgewählt?
„Gerade weil es so viele neue Sachen gibt. Und weil die so furchtbar austauschbar geworden sind. Es erscheint etwas, nach zwei Monaten ist es erledigt und wird revidiert. Mir ist der ganze Markt zu aufgeblasen, zu schnell, ohne Substanz - dem wollte ich etwas entgegensetzen.“
Anna Jeller plant, jedes Jahr ein neues bzw. gegebenenfalls auch ein älteres Buch in ihrer Edition neu zu veröffentlichen.
Publiziert am 27.01.2018