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Wikileaks-Gründer Julian Assange spricht am 04.10.2016 in Berlin mit einer Video-Liveschaltung bei einer Pressekonferenz zum 10. Geburtstag von Wikileaks.

APA/dpa/Maurizio Gambarini

Was hat uns Julian Assange am Elevate 2018 noch zu sagen?

Das Diskurs-Programm des Elevate Festivals 2018 wird krass. Nicht nur, weil der WikiLeaks-Gründer Julian Assange die Eröffnungsrede halten wird. „Risiko/Courage“ ist das diesjährige Thema.

Von Maria Motter

Julian Assange ist jetzt Ecuadorianer. Zumindest auf dem Papier. Die Unterstützung hat er sich auch ein wenig ersessen. Denn der gebürtige Australier ist im Juni 2012 in London in die ecuadorianische Botschaft geflüchtet, um eine Auslieferung nach Schweden zu verhindern. Seitdem lebt er dort auf weniger als dreißig Quadratmetern. Schweden ermittelte gegen Julian Assange wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung in einem minderschweren Fall. Zwar hat Schweden das Verfahren im Mai 2017 eingestellt, aber sobald Assange auch nur den Mini-Vorgarten des Botschaftsgebäudes betritt, könnten die britischen Behörden einschreiten: Assange hat 2012 gegen Kautionsauflagen verstoßen.

Nun: Julian Assange hält sich den – selbst gewählten – Umständen zum Trotz tapfer. Er hat einen Twitter-Account für seine Katze angelegt, kommentiert das Weltgeschehen via WikiLeaks-Account („Bitcoin is the real Occupy Wall Street“) und seinem eigenen Account und liest vermutlich immer wieder Emails von Hillary Clinton. Seine Haltung zum Weißen Haus heute ist nicht unbedingt klar auszumachen, morgen schon könnte es die gegenteilige sein. Mit dem amerikanischen Präsidenten teilt er immerhin die Leidenschaft, unliebsame Medienberichte als „Fake News“ zu brandmarken. Aktuell betrifft das die Washington Post: In Assanges Augen liegt die mit ihrer Meldung klar falsch, dass der neue Präsident von Ecuador, Lenín Moreno, wenig Freude mit dem Dauergast im Londoner Botschaftssitz haben soll. All das ist erbärmlich, wenn man bedenkt, dass WikiLeaks vor wenigen Jahren den Aufdeckungsjournalismus in neue Dimensionen gehoben hat.

Doch was macht WikiLeaks jetzt überhaupt?

Julian Assange ist seitdem nicht nur der Gutteil seiner MitstreiterInnen abhandengekommen. Seit die JournalistInnen renommierter Medienhäuser keine Kooperationen mit WikiLeaks mehr eingehen, ist es still geworden um die Plattform, die in Großbritannien selbst als Medium anerkannt ist. Ab und an veranstaltete Assange kleine Diskussionen, die er live streamte – der Zuschauerzuspruch war bescheiden.

Elevate Festival

28.2.-4.3.2018
Diverse Locations, Graz.

Eröffnung am 28.2.2018 bei freiem Eintritt im Orpheum, Graz.

Das Diskursprogramm findet großteils im Forum Stadtpark statt, ebenso bei freiem Eintritt!

  • Katharina Seidler lotst uns hier durch das Musikprogramm des Elevate!
  • Alles über frühere Elevates steht hier

Mittlerweile werden aus den Datensätzen einzelne Emails herausgeklaubt und mit Anschuldigungen in die eine und andere Richtung versehen. Seit die Medienkooperationen flachgefallen sind, hört man nicht mehr viel. „Das verstehe ich nicht, man muss nur auf WikiLeaks.org gehen“, sagt Daniel Erlacher vom Elevate Festival. „Die CIA-Source-Codes sind im letzten Jahr veröffentlicht worden, das ist im Prinzip ein digitales Waffenarsenal der CIA. Dadurch ist herausgekommen, dass sie Smart-TVs hacken und vieles mehr.“

Schon 2016 war eine WikiLeaks-Unterstützerin und Assange-Vertraute zur Eröffnung des Elevate Festivals geladen: Die Journalistin Sarah Harrison war via Live-Stream zugeschaltet: Schon damals gab es die Suchfunktion auf der WikiLeaks-Website. JedeR konnte sich nach Schlagworten durch die Datenansammlungen wühlen. Aber neue Enthüllungen und aufbereitete Dokumente waren da nicht zu finden. Kritische Fragen an Harrison blieben damals aus, weil die Möglichkeit, sie zu stellen, fehlte.

Sarah Harrison

APA/dpa-Zentralbild/Britta Pedersen

Sarah Harrison

Aber jetzt! Zur Eröffnung des Elevate Festivals 2018 im Grazer Orpheum wird Julian Assange sprechen - auch via Live-Stream - und sagt, er freue sich auch auf kritische Fragen. Das verspricht Daniel Erlacher vom Elevate Team. Dass das Festival für elektronische Musik und gesellschaftspolitischen Diskurs dem WikiLeaks-Gründer einen derart prominenten Platz im Programm gibt, mag irritieren.

Zumal Sarah Harrison erneut Gast, diesmal aber wirklich vor Ort sein wird. Sie stellt mit Renata Avila das gemeinsame Buch „Women, Whistleblowing, WikiLeaks“ vor. Renata Avila war auch schon mal Gast am Elevate, sie ist als Anwältin auf Menschenrechte spezialisiert und hat IN Graz schon mit einigen Stories überrascht. Letztes Jahr berichtete sie zum Beispiel von den sogenannten „Charter Cities“ in Honduras, die sich der Wirtschaftswissenschafter Paul Romer ausgedacht hat: Das Land Honduras stellt Konzernen Sonderzonen zur Verfügung. Die Konzerne können dort über eine Stadt inklusive deren Menschen verfügen. Ärger als jede Freihandelszone sei das, sagte Renata Avila im FM4-Interview im Vorjahr. Via Videostream sprechen wird die WikiLeaks-Befürworterin Angela Richter.

Warum so viel Wikileaks im Programm, woher kommt diese Anbiederung des Elevate an WikiLeaks und an Assange? „Ich weiß nicht, was man unter Anbiederung genau versteht“, antwortet Daniel Erlacher. „Wir machen ein Festival, wo wir gesellschaftspolitisch relevante Themen diskutieren. WikiLeaks hat als Projekt die Welt verändert und bei aller Kritik, die wir auch am Festival thematisieren, sind das relevante, spannende und diskussionswürdige Themen: Whistleblowing, neue Medien, US-Politik... Unser Ziel mit dem Elevate ist, politische Klarheit zu schaffen, den Nebel der Verwirrung etwas zu lichten und zu schauen, was wirklich hinter den Sachen steckt.“

Julian Assange ist jedenfalls eine umstrittene Person. Zumal seine Rolle im letzten US-Präsidentschaftswahlkampf nach wie vor ungeklärt ist. Definitiv ist er ein Gast, der am Elevate heftige Diskussionen auslösen könnte. Das Festival musste deswegen auch die Absage eines Gasts hinnehmen.

Auf zum Austausch mit Kriegsreporterin, Whistleblower oder widerständiger Künstlerin

Doch bei aller möglichen Aufregung um Assange: Die Gäste des diesjährigen Elevate Festivals sind Persönlichkeiten, die jede und jeder viel riskiert haben. Die großen Themen des Diskursprogramms des Elevate Festivals 2018 lauten

  • Whistleblowing und Investigativjournalismus
  • Kunst und Aktivismus und Körpereinsatz
  • Feminismus
  • indigener Widerstand gegen Umweltzerstörung
  • Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt Griechenland
  • Anti-Atomkraft.

Anti-Atomkraft etwa ist ein Thema aus den Achtziger Jahren. Hierzulande zieht die Liste Grüne Alternative ein halbes Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ins Parlament ein. Ende der 1970er Jahre hatten sich tausende KernspaltungsgegnerInnen gegen das geplante Kernspaltungskraftwerk Zwentendorf ausgesprochen. International wurde das Thema eher beiseitegeschoben, zuletzt diskutierten die SchweizerInnen anlässlich einer Volksabstimmung, wie das Land mit den Kernkraftwerken und ihren Restlaufzeiten vorgehen solle. Die Psychologin Heather Wokusch ist seit dreißig Jahren Aktivistin und sie wird dem Elevate-Publikum die „Psychologie von Risiko und Courage“ erläutern.

Freuen dürfen wir uns auch über Kate Brooks als Elevate-Gast: Auf dem Schwester-Festival des Elevate, dem Crossroads Festival für Dokumentarfilm ist ihr aufwühlender Film „The Last Animals“ gelaufen.

Ranger und Nashörner, Filmstill aus "The Last Animals"

Crossroads Filmfestival

Filmstill aus „The Last Animals“

Kate Brooks ist eigentlich Kriegsfotografin, sie war in Afghanistan, Irak, Libanon, Syrien. „When I had seen so much human destruction, nothing made sense anymore. It was the sight of a herd of elephants that reminded me that there was still some order around on the planet.“ In ihrem herzzerreißenden Film „The Last Animals“ dokumentiert sie den Kampf um die letzten Nashörner und Elefanten - und deckt den Zusammenhang zwischen Terrorismus und dem Elfenbeinhandel auf. Sie macht klar, dass Investigativjournalismus weit über die Veröffentlichung von Emails hinausgeht.

John Goetz wird auch das neue Storytelling-Format des Elevate mit eröffnen und Einblick in seine Arbeit gewähren.

Kate Brooks ist Teil der Podiumsdiskussion zu „Fearless Journalism“ - moderiert von Sarah Harrison - mit der österreichischen Investigativjournalistin Julia Herrnböck („Dossier“), dem ARD-Journalisten John Goetz, der zum Drohnenkrieg, zu Edward Snowden und zu Entführungen durch die CIA in Europa recherchiert hat.

Die großen Geschichten, persönlich erzählt

Ums Geschichten-Erzählen geht es im großen und hochkarätig besetzten Finale des Diskursprogramms: Da werden sich Frauen und Männer zusammenfinden, die als Whistleblower mit Informationen aus dem Militär, aus Geheimdiensten und anderen staatlichen Organisationen an die Öffentlichkeit gegangen sind: Thomas Drake, Cian Westmoreland, Jesselyn Raddack, Lisa Ling und Matthew Hoh werden vor Ort sein. Jeder einzelne Fall ist so umfangreich, dass die gesamte Festivalzeit nicht ausreichen würde, um alles zu erfahren. „Es geht darum, die persönlichen Einstellungen und Details der Geschichten in einem persönlich-intimen Rahmen zu hören. Um auch Mut zu machen“, sagt Erlacher, einer der Elevate-Veranstalter.

Bei all diesen globalen, komplexen Themen gibt es im Elevate Programm auch lokale Bezüge und zahlreiche Workshops, die sich um Mut, Risiko und um die Frage drehen, wie weit man mit Aktivismus eigentlich geht. „Let’s get physical“ heißt eine Session mit der FEMEN-Mitbegründerin Oksana Shachko und der Anwältin und Aktivistin Tara Houska. Tara Houska hat sich der Interessen der Native Americans angenommen. Sie war in die Standing-Rock-Proteste gegen den Bau einer Öl-Pipeline nahe einem Sioux Reservat in North Dakota involviert.

Über die zunehmende Diskriminierung von Aktivismus haben die Mitglieder der anarchistischen Künstlergruppe Voina (dt.: „Krieg“) viel zu sagen. Voina, das sind die, die einen Penis auf eine Sankt Petersburger Zugbrücke malten. Die, die einen Totenkopf auf ein Regierungsgebäude in Moskau projizierten. Und die für Medvedev fickten – Voinas Antwort auf eine Kampagne, die „Mehr Kinder braucht das Land“ forderte. Banksy wollte sie finanziell unterstützen. Inzwischen leben sie im Exil. 2012 konnten sie Russland nicht verlassen. Das hielt sie jedoch nicht ab, beim damaligen steirischen herbst eine Nacht zu gestalten und lang via Skype zu erzählen. Jetzt gibt es ein Wiedersehen beim Elevate.

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