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Frances McDormand vor 2 Billboards

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Politisch schlechte Zeiten produzieren gute Kunst

Ein FM4 Interview mit „Three Billboards Outside Ebbing, Missour“ Schauspieler Sam Rockwell und Autor und Regisseur Martin McDonagh.

Von Petra Erdmann

Seit Freitag wütet Mildred Hayes im Mittleren Westen der USA - oder besser gesagt Frances McDormand - ihrem zweiten Oscar nach „Fargo“ (1997) entgegen. In der schwarzen Komödie “Three Billboards Outside Ebbing, Missouri” kämpft sie als Mutter einer vergewaltigten und ermorderten Teenagerin gegen die untätige örtliche Polizei im fiktiven Kaff Ebbing.

In dem 7fach Oscar nominierten Pointengewitter zieht Mildred Hayes ihre besten Waffen: Deftige Schimpftiraden und kaltschnäuzige Auftritte.

Bei den Golden Globe Awards im Jänner wurde „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ vier Mal ausgezeichnet: Für Bestes Drama, Bestes Drehbuch gab es Auszeichnungen, Frances McDormand wurde zur besten Schauspielerin gekürt und Sam Rockwell hat das Globe-Rennen als bester Nebendarsteller gemacht.

Ihn und den Autor und Regisseur von „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ Martin McDonagh hat Petra Erdmann zum Interview getroffen.

Martin McDonagh, Sie sind halb Ire und halb Brite. Warum hat Sie der Mittlere Westen der USA als Schauplatz besonders interessiert? Waren es die guten amerikanischen Schauspieler, die Sie gereizt haben?

Martin McDonagh bei Preisverleihung der Filmfestspiele von Venedig

Filippo Monteforte /AFP

MMcD: Ich liebe amerikanische Filme und ich wollte immer schon einen machen. Ich liebe die Landschaft dort und habe ein besonderes Interesse für das US-Kleinstadt-Leben. Die Bewohner dort sind speziell. Damit meine ich nicht, dass sie Schmalspur-Charaktere wären.
Ich wollte „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ eine epische Dimension verpassen.

Ich liebe es zu reisen und aus London rauszukommen. Ehrlich gesagt, ist mir das Leben in England, wo ich viel Theater inszeniere, zu mondän. Ich bin eben doch mit dem amerikanischen Kino der 70er Jahre aufgewachsen: Die weiten Landschaften, die Art wie Menschen in den Filmen gehen und auch die großen Autos, die auf der Leinwand vroüberziehen – all das hat mich schon immer fasziniert.

Man könnte „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ leicht als Kleinstadt-Tragikomödie über Rassismus in den USA interpretieren.

MMcD : Ich wollte keinen explizit politischen Film machen, aber wenn die Zuschauerinnen ihn so interpretieren wollen, soll es mir recht sein.

Sam Rockwell, Sie spielen den rassistischen Hilfssheriff Dixon, der lieber afroamerikanische Bewohner mit belanglosen Anzeigen quält als einen Mord aufzuklären. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Sam Rockwell mit Statue in der Hand bei Preisverleihung zu Annual Screen Actors Guild Awards

Mark Ralston - AFP

(Sam Rockwell zieht sein Handy aus der Tasche und zeigt lachend Bilder von Kampfübungen bei einem Training mit Polizisten, die ihn mit einem Griff zu Boden werfen)

SR: Ich bin nach Missouri gefahren und habe mich dort mit Unterstützung von netten und anständigen (lacht) Polizisten auf meine Rolle vorbereitet.

Sie haben mich auf Streife mitgenommen. Ich liebe auch die Reality-Show „Cops“. „Cops“ läuft seit 1989 im amerikanischen Fernsehen und hat damals überhaupt erst den regelrechten Boom an Reality-TV-Shows ausgelöst.

Zur Recherche habe ich mir sehr viele „Cops“-Folgen wieder angeschaut.

Und wie haben Sie den Rassismus für ihre Rolle des Dixon einstudiert?

SR: Ja, Rassismus ist natürlich ein sehr aktuelles Phänomen in den USA. Die Ignoranz, die Wut und ein Selbsthass produzieren ihn gerade auf Hochtouren.

Wenn man sich die öffentlichen Meinungsumfragen gerade anschaut, sieht man, dass die Menschen wieder sehr offen zu ihrem Rassismus stehen. Ich habe mich in der letzten Zeit oft mit Rassismus auseinander gesetzt.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich einen Rassisten spiele. Im Film „The Best of Enemies“ spiele ich den mittlerweile verstorbenen C.P. Ellis. Ellis hat sich von einem Rechtsextremen, von einem ehemaligen Ku-Klux-Klan Mitglied zum Bürgerrechtler gewandelt.

Ein Aussteiger aus der rechtsextremen Szene, den ich für meine Rollenvorbereitungen getroffen hatte, hat mir erklärt, dass Rassisten sich selbst am meisten hassen und so ihren Hass auf Andere projizieren müssen.

Es ist nach „7 Psychopaths“ (2012) bereits das zweite Mal, dass Sie unter der Regie von Martin McDonagh einen sehr merkwürdigen Mann spielen. Wie fühlt sich das an?

SR: Es waren beide Male sehr interessante durchgeknallte Charaktere, die charismatisch und charmant sind. Das finde ich bemerkenswert.

Dixon ist noch dazu ein großartiger Anti-Held. Das hat richtig Spaß gemacht. Für mich war der Dreh von „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ wie live Theaterspielen.

Es ist bekannt, dass Sie ein bekannter Theater-Geek sind und viel auf der Bühne stehen - wie Ihre Schauspielkollegen Frances McDormand und Woody Harrelson übrigens auch. Wie hat sich das in diesem Ensemble auf den Film ausgewirkt?

SR: Woody, Frances und ich wir spielen tatsächlich sehr viel Theater und Martin McDonagh kommt ja auch vom Theater. Das hat sich sehr konsequent auf unsere gemeinsame Kinoarbeit ausgewirkt.

Wir lieben es hart und genau zu proben. Das macht Theaterschauspieler meist auch zu guten Leinwand-Darstellern.

Martin McDonagh, In „7 Psychopaths“ sind Ihre Figuren fast nur Männer, die wütend und seltsam agieren. Nun haben Sie Frances McDormand als rachsüchtige Mutter besetzt. Was konnten Sie aus einem starken weiblichen Charakter beim Schreiben künstlerisch herausholen?

M: Dadurch haben sich beim Schreiben für mich neue spannende Wege ergeben. Der Krieg, den Mildred Hayes gegen die Behörden führt, ist mir schnell von der Hand gegangen. Sie ist eine ungewöhnliche Frau. Ich kann sie stark auftreten lassen, weil sie genau weiß, was sie will und ihr alles scheißegal ist.
Noch dazu ist sie überhaupt nicht ängstlich.

Mildred schüchtert die Leute mit Worten ein und nicht mit physischer Gewalt oder Gewehren.

Beim Schreiben dieser Frauenfigur ist mir auch aufgefallen, dass es im Kino für Mädchen kaum solche Vorbilder gibt.

Junge männliche Kinogeher tun sich da leichter. Sie haben einen Travis Bickle, den Robert DeNiro in „Taxi Driver“ verkörpert hat. Auch Marlon Brando war ein Schauspieler, der Teenager stark beeinflusst hat. Brando braucht nur dazustehen. Auch wie er sich bewegt hat war einzigartig.

Ich hoffe, dass Frances McDormand die jungen Frauen von heute in ähnlicher Weise beeinflussen kann.

Eigentlich sollten 100 solcher weiblicher Figuren wie Mildred auf der Kinoleinwand jährlich Platz haben.

Sowohl ihr 7facher Oscar-Anwärter-Film „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ als auch der 13fache Oscar-Kandidat „The Shape of Water“ von Regisseur Guillermo del Torro thematisieren - wenn auch verschieden - autoritäre, rechtspopulistische Führungsstile von weißen Männern. Schlägt das liberale Hollywood nun mit seinen Filmen zurück angesichts des Polit-Stils eines US-Präsident Donald Trump und seiner Weggefährten?

SR: Natürlich muss Hollywood auf solche politischen Zeiten reagieren. Es wäre nicht das erste Mal, dass politisch schlechte Zeiten gute Kunst produzieren.

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