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Gender spukt

Bulgarien ist erschüttert wegen eines Wortes. Die Überschriften der Zeitungen beschwören das Armageddon. Grund dafür ist das Wort „Gender“.

Von Todor Ovtcharov

Bulgarien ist erschüttert wegen eines Wortes. Die Überschriften der Zeitungen beschwören das Armageddon. Würde man auch die Artikel lesen, die unter den Überschriften stehen, wüsste man, dass Sodom und Gomorra keine mythische Städte aus der Bibel sind, sondern Vorstädte von Sofia. Proteste und Gegenproteste erschüttern die Straßen. Grund dafür ist das Wort „Gender“.

Das Wort kommt im “Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt” vor, das neulich vom bulgarischen Parlament ratifiziert werden sollte. Dieses Übereinkommen wurde von Österreich 2013 ratifiziert und in der Mehrheit der EU Länder auch. Es sieht vor, dass die nationale Gesetzgebung Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt sind, mehr Schutz bieten soll und auch, dass mehr Einrichtungen diesbezüglich aufgemacht werden sollen. Ich kann mich nicht erinnern, dass dieses Übereinkommen in Österreich zu einer gesellschaftlichen Debatte geführt hat.

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In Bulgarien wäre das auch ohne Lärm gegangen, hätte man nicht so viel auf das Wort “Gender” geschaut. Dieses Wort ist neu für Bulgarien und wird das erste Mal verwendet. Gegen “Gender” stellten sich zuerst die so genannten “vereinten Patrioten” - Koalitionspartner in der Regierung. Sie verkündeten, dass sich das Übereinkommen gegen traditionelle bulgarische Werte wie Kinder und Familie stelle. Anscheinend ist das Schlagen von Frauen zu Hause ein traditioneller bulgarischer Wert, der geschützt werden müsse.

Gegen das Übereinkommen stellte sich auch die Bulgarische Orthodoxe Kirche. Ein Vertreter davon meinte im Fernsehen, dass alle Politiker, die für das Ratifizieren des Übereinkommens seien, aus der Kirche ausgeschlossen werden sollten. Gegen das Übereinkommen stellten sich auch die so gennanten bulgarischen „Linken“ - die ehemaligen Kommunisten.

Somit wurde eine gemeinsame Front gegen dieses Übereinkommen gebildet: von den „Patrioten“ bis zu den „Linken“. Die Gegner und Gegnerinnen des Übereinkommens beschimpfen übelst alle, die für das Inkrafttreten sind. Die Befürworter der Konvention (unter denen gibt es einige Universitätsprofessoren und Intellektuelle) werden „nationale Veräter“ und „Euroschwuchtel“ gennant. Das Prefix „euro“ stellt alles böse dar, das die traditionellen bulgarischen Werte vernichten wird. Jeder, der liberale Ideen vertritt ist ein „Euroschwuchtel“.

Laut Kritikerinnen und Kritikern soll das große Medienecho von echten Problemen ablenken, z.B. der Korruption auf allen Ebenen. Laut Anderen bringt das Spielen mit den Ängsten der Menschen mehr Stimmen bei den nächsten Wahlen, so wie überall in Europa.

Laut Dritten wird das alles von der russischen Propaganda gefördert, die das Übereinkommen als ersten Schritt dazu darstellt, dass alle wie Conchita Wurst aussehen.

Allerdings gibt es auch eine positive Seite – das Wort „Gender“ wird zum ersten mal in Bulgarien öffentlich diskutiert. Und Bildung ist die einzige Möglichkeit um die Ignoranz zu bekämpfen.

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