Kriminelle und Banken lassen Bitcoin-Kurse erodieren
Von Erich Möchel
Die Serie von Rückschlägen für Bitcoin und andere digitalen „Währungen“ hat seit dem Wochenende ein vorläufiges Hoch erreicht. Im kapitalstärksten Bitcoin-Markt Japan prüft die Finanzaufsicht nach einem spektakulären Einbruch mit dreistelligem Millionenschaden gerade alle 23 einschlägigen Handelsbörsen. Am Montag sperrte China endgültig alle Bitcoin-Börsen an seiner großen Firewall.
Zugleich haben die internationalen Großbanken J.P. Morgan, Citigroup und Lloyds die Kreditkarten ihrer Kunden für Bitcoin-Transaktionen gesperrt. In allen Fällen beruft man sich auf die explodierenden Betrugsfälle und kriminellen Coups, sowie die hohe Volatilität dieser „Währungen“. Der Bitcoin-Kurs zeigt zwar immer noch täglich Zickzacksprünge, die führen seit Wochen allerdings klar nach unten.
Cryptowat.ch
Notwendige Definitionen
Der Gang an die Terminbörse Anfang Dezember sorgte für einen einmaligen Höhenflug, der allerdings nicht lange halten sollte.
Sämtliche Finanzzahlen in diesem Artikel entsprechen dem Bitcoin-Kurs zum Zeitpunkt des jeweiligen Vorfalls. Wie der obige Chart zeigt, geht die Erosion der Kurse aller digitalen „Währungen“ in Tagesschritten von zehn Prozent und mehr voran. „Währungen“ steht deshalb unter Anführungszeichen, weil Bitcoin & Co. eben nicht sofort und nach oben kaum begrenzt in die Währungen der herkömmlichen Finanzmärkte tauschbar sind.
Deswegen wurde Bitcoin von der US-Börsenaufsicht auch als "Commodity“, also als Rohstoff eingestuft und notiert neben Schweinebäuchen, Weizen, oder Edelmetallen an der Chicagoer Warenterminbörse CBE. Hier können Wetten auf den künftigen Bitcoin-Kurs abgeschlossen werden. Deren Umtauschraten sind weitaus niedriger als jene an den virtuellen Börsen.
CME
530 Millionen Dollar Schaden
In den USA ist ein Gesetzesentwurf auf dem Weg durch den Kongress, der anonyme BitCoin-Konten verbieten wird
Die Mehrzahl dieser Vorfälle spielt sich derzeit in Asien ab, japanische Investoren kontrollieren laut allen Analysten etwa die Hälfte des weltweiten Bitcoin-Marktes. In Japan sind Bitcoin und mehrere andere Blockchain-„Währungen“ seit vergangenem September als offizielles Zahlungsmittel zugelassen. Die Hälfte der 32 japanischen Börsen ist seitdem lizenziert, die andere Hälfte hat gerade eingereicht und verfügt über eine vorläufige Lizenz. Zu den bereits Etablierten gehört die mithin größte Börse Coincheck, die auch den Grund für die Intervention der Finanzaufsicht lieferte.
Ende Jänner hatte Coincheck einen Diebstahl japanischer NEMcoins in der Höhe von 530 Millionen Dollar bekanntgeben müssen. Unbekannte waren in das Netz der Börse eingebrochen und hatte sich mit dieser enormen Summe in NEMcoins davongemacht. Coincheck hatte einer Viertelmillion geschädigter Kunden zwar öffentlich eine Entschädigung ihrer Einsätze aus dem Stammkapital versprochen, einen Zeitplan dafür gab es freilich nicht.
Gemeinfrei
Ob es einen solchen überhaupt geben wird ist sehr fraglich, denn bis jetzt hat nur eine dieser Mining- und neuen Handelsfirmen einen vergleichbaren Verlust überlebt. Dies war der vorläufig letzte und spektakulärste einer Serie von ganz ähnlich gearteten, professionellen Großeinbrüchen, die aus der Masse der anderen kriminellen Handlungen rund um Bitcoin (siehe weiter unten) vergleichsweise himmelweit emporragen.
Staatliche Angreifer
Cyberkriminalität finanziert Cyberspionage - Nordkorea und andere Diktaturen fahren gefährliche neue Doppelstrategien
Kurz vor Weihnachten hatte die südkoreanische Börse Youbit nach einem ganz ähnlichen Einbruch in ihr Netz Konkurs anmelden müssen. Über die Höhe des Schadens wurde nicht mehr bekannt, als dass 17 Prozent aller Einlagen betroffen waren. Bereits im April war bei Youbit erstmals eingebrochen worden, die damit befasste Sicherheitsfirma FireEye hatte den Angriff wenig später der berüchtigten „Lazarus Goup“ aus Nordkorea zugeordnet. In der Sicherheitsbranche gilt FireEye als inoffizielles Sprachrohr der NSA.
Die nordkoreanische Cybertruppe „Lazarus Goup“, die von Wannacry angefangen für die mithin spektulärsten und folgenschwersten, politisch orientierten Angriffe verantwortlich gemacht wird, verfügt seit 2015 auch über einen finanziellen Arm. Diese Truppe drang während der letzten drei Jahre reihenweise in die Netze von Banken und Online-Casinos ein. Erst im vergangenen Mai hatte Symantec etwa Angriffssoftware von Lazarus in polnischen Banknetzwerken entdeckt. Die „Lazarus Group“, aber auch andere professionelle, weil staatliche Akteure haben seitdem die wesentlich einfacher angreifbaren Bitcoin-Börsen für sich entdeckt.
Ferner gehackt wurden...
Erst Anfang Dezember wurde die slowenische Mining-Firma NiceHash um 60 Millionen Dollar erleichtert. Derzeit ist unklar, ob das Start-Up überlebt, angeblich werden zehn Prozent Schadenersatz angeboten. Am Donnerstag wurde beim Start-Up BeeCoin noch vor dessen Start („Initial Coin Offering“) eingebrochen. Von den fünf gerade eingesammelten Millionen an Startkapital ist bereits eine Million in Ethereum Coins verschwunden. BeeCoin ist als Zahlungsmittel für ein Abrechnungssystem gedacht, das auf der Blockchain von Ethereum aufsetzt. Das Start-Up ist auf Vermittler von Privatquartieren zugeschnitten, also für Airbnb und dessen Konkurrenten in Asien.
BeeToken
Neben solchen professionellen Angreifern wie Lazarus wimmelt es von Betrügern, die binnen Wochen einen neuen Ableger oder überhaupt eine unabhängige neue Blockchain hochziehen, Investorengelder einsammeln und dann verschwinden. Diese Masche ist inzwischen ziemlich abgenützt, der Zufluss neuen Risikokapitals verliert deutlich an Volumen, zumal der weltweite Bitcoin-Markt binnen Wochen auf weniger als die Hälfte seines Allzeithochs im Dezember geschrumpft ist.
Fazit und Ausblick
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Bei Redaktionsschluss dieses Artikels am Mittwoch Nachmittag hatte sich der BitCoin-Kurs im Bereich um die 8.000 Dollar stabilisiert. In BitCoin investierende Spekulanten und die unzähligen Start-Ups weltweit, die noch jede Menge Investorengelder verbrennen müssen, weil das den mit den Investoren vereinbarten Businessplänen entspricht, sehen das als Beginn eines neuen Höhenflugs. Wer sich allerdings jemals nur ein bisschen mit Chartanalysen befasst hat, sieht keinen Wendepunkt nach oben, sondern den Beginn eines weiteren Kursverfalls.
Publiziert am 07.02.2018