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Innenraum Restaurant ohne Gäste

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MARC CARNAL

Richtiges Verhalten im Restaurant

Viele Menschen scheuen das Weihwasser wie der Teufel den Restaurantbesuch. Bei manchen ist es aber auch umgekehrt. Weil sie nämlich nicht wissen, wie man korrekt essen geht. Mit diesem Tutorial muss endlich niemand mehr fürchten, sich im Restaurant falsch zu verhalten!

von Marc Carnal

1. Man betrete das Restaurant und setze sich an einen freien Tisch.

Anm.: Diese Entscheidung sollte NICHT mehr als eine halbe Minute in Anspruch nehmen. (“Oder vielleicht den? Da wär‘s heller und es zieht weniger!”) und auch NICHT mehrfach korrigiert werden (“Wollen wir uns doch auf den kleinen da drüben setzen? Is irgendwie gemütlicher.”)

Die Bestellung

2. Man warte, dass einem die Karte gereicht wird und wähle Speisen und Getränke aus.

Anm.: Mit dieser Entscheidung wartet man NICHT, bis der Kellner zurückkehrt, um die Bestellung aufzunehmen. (“Zum Trinken für mich bitte…. aaaaaahhhh… …. … … … Moment… … … … aaaaahhhh… … … … aaaahhhhh… … … … Was trinkst du denn?... …. … ich neeeeehm… … … …”)

3. Wenn der Kellner nach den gewünschten Speisen fragt, sagt man laut und deutlich, was man essen will.

Anm.: Dabei verzichtet man auf allzu viele lästige Detailfragen (“Sind die Eier in den Cannelloni aus Freilandhaltung?”).
Sonderwünsche, die über Beilagen-Wechsel oder Saucen-Verzicht hinausgehen, sind zu vermeiden. Man genießt als Gast NICHT das Grundrecht, spontan neue Gerichte zu erfinden. (“Ich hätte statt dem Zander gerne Barsch, aber natur, und statt den Fisolen lieber Spinat und dazu bitte noch einen gemischten Salat, aber unbedingt ohne Paprika und Kraut und statt Balsamico Birnenessig!”)

4. Wenn die Getränke kommen, sagt man „Danke“ und prostet einander anschließend zu.

Anm.: Es reicht, sich mit dem ersten Getränk einmal zuzuprosten. Oder zweimal. Öfter NICHT. Niemandem ist damit gedient, im Minutentakt aus fadenscheinigen Anlässen unersättlich anzustoßen. (“Auf deinen neuen E-Roller!”)

5. Bevor das Essen kommt, unterhalte man sich über irgendwas.

Anm.: Man sollte dabei NICHT die beliebte Italiener-Jeremiade anstimmen. Die geht so: Man sitzt in einem italienischen Restaurant und flüstert einander verschwörerisch zu, dass die Inhaber “in Wirklichkeit” Kroaten sind. Es gibt auch keinen Grund, sich “beim Inder” zu beklagen, dass ein Pakistani das Curry kredenzt. Wer “zum Griechen” geht, darf landestypische Speisen erwarten, hat aber kein Recht auf landestypisches Personal.

Essen

6. Wenn die Teller nach fünfzehn Minuten noch nicht am Tisch stehen, nehme man das ohne Beanstandung hin.

Anm.: Wer dafür NICHT genügend Geduld hat, kann sich ja Fischstäbchen kaufen und sich schon vorab über die Zubereitungszeit informieren.

7. Werden die Speisen serviert, verzehre man sie unter Berücksichtigung der allerwichtigsten Tischmanieren.

Anm.: Benimmbuch-Quark der Marke Elmayer sind getrost zu vernachlässigen. Wie man einen Hummer verspeist und welcher Löffel für das Dessert vorgesehen ist, findet man schon irgendwie heraus. Dass die detaillierte Kenntnis des Knigge-Benehmens NICHT mit Anstand und Stil zu verwechseln ist, beweist der Besuch in der gehobenen Gastronomie. Brav tupfen sich die Banker und Diplomaten mit der Stoffserviette die Mundwinkel ab und filetieren mit sicherer Hand, erzählen dabei aber schmatzend Pimmelwitze und behandeln die Kellner wie Leibeigene.

Kind isst Kuchen

Marc Carnal

Tipp für Online-Autoren: Bevor man lange Texte mit trüben Stockphotos illustriert, fügt man lieber ein herziges Bild aus dem eigenen Familienalbum ein, das zumindest entfernt zum Beitrag passt. Der Titel dieses Fotos lautet „Der kleine Marc mit seinen blonden Engelslocken hatte ausgesprochen schlechte Tischmanieren“. LIEB, ODER?!

8. Beim Essen rede man über irgendwas.

Anm.: Aber NICHT die ganze Zeit über das Essen. („Und wie ist deins? Meins is voll fein. Mhhhmmm! Also die Pilzsauce is ein bissi sehr salzig, aber die Gnocci sind voll zart“ usw. usf.)

9. Hat man aufgegessen, schiebe man den Teller weg, wische sich den Schweiß von der fettigen Stirn, schreie erleichtert “AAAAAAHHHHH” und warte, bis die Teller abserviert werden.

Anm.: Wenn noch eine halbe Handbreit Schnitzel oder drei Löffel Risotto übrig sind, kann man die auch noch aufessen. Man muss keinen Anstandsbissen übriglassen. Bleibt weniger als ein Drittel der ursprünglichen Portion übrig, fragt man NICHT, ob man sich „das vielleicht einpacken lassen“ kann. Ist doch schade um die Alufolie und man schmeißt die kalten Reste ja doch weg am übernächsten Tag.

10. Wird man gefragt, ob es geschmeckt habe oder ob alles in Ordnung gewesen sei, antworte man mit „Ja“.

Anm.: Man beschwert sich höchstens, wenn das Kredenzte völlig verdorben oder ungenießbar ist. Ansonsten sagt man NICHT, was man zu bemängeln hat. („Also das Süßkartoffelpüree war mir persönlich ein bisschen zu fettig.“) Man kann das nächste Mal ja in ein anderes Lokal gehen, falls einem „irgendwas nicht passt“.

Bezahlen und Verlassen des Lokals

11. Will man gehen und sich woanders betrinken, bitte man den Kellner um die Rechnung.

Anm.: Zu diesem Zweck schreit man NICHT quer durchs Lokal “ZAHLEN!”, sondern wartet, bis jemand zum Tisch kommt.

12. Man runde die Rechnung um zehn Prozent auf und zahle zusammen.

Anm.: Auf die Frage “Zusammen oder getrennt?” kann man natürlich scherzhaft mit “Weder noch, wir sind nur Freunde!” antworten. Haben alle fertiggelacht, zahlt man NICHT getrennt. Man kann sich die Rechnung ja gefühlt teilen, indem man abwechselnd Scheine auf den Tisch segeln lässt oder hernach preußisch abrechnen. Besonders cool ist das aber nicht.

Man bedanke sich und verlasse das Lokal.

Anm.: Allzu viel kann man dabei NICHT falsch machen.

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