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Die Gewinnerinnen des Protestsongcontests 2018 - Lupin

Christian Stipkovits/ Radio FM4

„Bald werden Scheiden in aller Munde sein!“

Es war lustig, spannend, kontrovers und knapp. Lupin gewinnen den FM4 Protestsongcontest mit „1 Lied gegen Sexismus“.

Von Daniela Derntl

Es war ein Kopf an Kopf Rennen der beiden Damen-Duos Kapa Tult und Lupin. Gewonnen haben mit einem Punkt Vorsprung Lupin mit „1 Song gegen Sexismus“, und das obwohl sie von den Juroren Peter Paul Skrepek und Daniel Wisser gar keine Punkte bekommen haben!

Lupin, die Gewinner des FM4 Protestsongcontests 2018

FM4 Christian Stipkovits

Protest gegen Sexismus wird eben nicht von allen Männern verstanden bzw. honoriert, da ist der Protestsongcontest keine Ausnahme. Dass es trotzdem zum Sieg gereicht hat, geht zurück auf die Wertschätzung von Marie Luise Lehner (9 Punkte), Martin Blumenau (9 Punkte), Julya Rabinovich (9 Punkte), Verena Doublier (4 Punkte) und das Publikum (9 Punkte).

Bilder vom Finale des FM4 Protestsongcontests 2018

FM4 Christian Stipkovits

Aber es ist nicht ungewöhnlich, dass die Meinungen beim Protestsongcontest weit auseinander gehen. Auch der Protest selbst ist höchst unterschiedlich, handelt vom großen Ganzen oder konkreten Ungerechtigkeiten, wie Schlafverbot für Obdachlose in der Innsbrucker Innenstadt. Musikalisch reicht das Spektrum vom Rapper bis zur Liedermacherin, von Spoken Word hin zu Psychedelic Rock. Inhaltlich kritisiert man beim Protestesongcontest 2018 die neue Regierung, Umweltverschmutzung, Sexismus, Faschismus, Menschen, die sich vordrängen und wegschauen, sowie Normen und Regeln.

Aber alles der Reihe nach:

So divers der Protest auch ist, er verläuft meist in gewohnten Bahnen. In Foren, auf der Straße, in der Wahlkabine, am Stammtisch und jeden 12. Februar im Wiener Rabenhoftheater. An diesem Tag jährt sich der Beginn der Februarkämpfe 1934, die als der „Österreichischer Bürgerkrieg“ in die Geschichte eingegangen sind und an die jedes Jahr die Eröffnung des Wiener Arbeiter Chor erinnert.

Bilder vom Finale des FM4 Protestsongcontests 2018

FM4 Christian Stipkovits

Auch der Protestsongcontest hat schon so was wie Geschichte: Moderiert wie gewohnt souverän von Michael Ostrowski, traten heuer schon zum 15. Mal kritische Bands vor eine gestrenge Jury.
Dieses Mal bestehend aus der Autorin und Musikerin Marie Luise Lehner von Schapka (die im Vorjahr den dritten Platz belegt haben), der Musikerin Verena Doublier von „Wiener Blond“ (die 2015 den zweiten Platz geholt haben), der Schriftstellerin Julya Rabinovich, Daniel Wisser vom „Ersten Wiener Heimorgel Orchester“ (die 2009 den Protestsongcontest mit „Widerstand ist Ohm“ gewonnen haben), sowie den Protestsongcontest-Urgesteinen Peter Paul Skrepek von der Musikergilde und Martin Blumenau. Ebenfalls wieder Jury-Mitglied war das Publikum, das auf FM4.ORF.AT mitstimmen konnte.

Hier die Bands in der Reihenfolge, in der sie aufgetreten sind:

Fray feat. Pirmin da Koch – Insomnia

Fray & Pirmin da Koch

FM4 Christian Stipkovits

Tiroler Grant und Gesellschaftskritik bündelt der Kufsteiner Rapper Fray atemlos in seinen Texten. Sein Sound ist eine Mischung aus Boom Bap, Battle-Rap und Conscious-Rap. 2016 ist seine Debüt-EP „Straight Outta Tiroi“ erschienen und beim Protestsongcontest trat er mit dem Song „IBK Insomnia“ an.

Im Song geht es um das Schlafverbot für Obdachlose in der Innsbrucker Innenstadt, wie Fray im FM4-Interview erzählt: „Wenn die Obdachlosen doch dort nächtigen, bekommen sie eine Geldstrafe. Und wenn sie die nicht bezahlen können, könnte des theoretisch dazu führen, dass sie ein, zwei Tage in Haft verbringen müssen.

Im Song geht es um diesen dekadenten Blick, dass man die Obdachlosen einfach nicht sehen will. Dadurch beschließt man ein Gesetz, anstatt sich mit der Thematik auseinander zu setzen.“

Im Finale ist Fray mit erhobenen Mittelfinger und dem Ersatz-DJ Benji am Start, der für den verhinderten Pirmin da Koch eingesprungen ist. Letzterer hat „IBK Insomnia“ produziert und dabei auch Kroko Jack und A Tribe Called Quest gesamplet.

Die Jury über Fray feat. Pirmin da Koch:

Marie Luise Lehner: „Super Thema. Man hat das Gefühl, die beiden sind involviert. Sie haben gut recherchiert und wissen dass es 87 Notschlafplätze in Innsbruck gibt. Sie wissen auch, dass es Stellen gibt, an denen Wasser gespritzt wird und die Leute dann dort nicht schlafen können. Ich bin sehr froh, dass sie darüber singen und die Aufmerksamkeit darauf lenken. Ich bedanke mich!“

Julya Rabinovich: „Ich fand es cool. Ich mag dass, wenn ein Text funktioniert und dazu noch eine super Botschaft rüberbringt und dazu noch gut klingt. Also ich bin happy!“

Peter Paul Skrepek analysiert vom Musikschulstandpunkt aus: „Die Melodie war ausbaufähig, die kann man noch verbessern. Aber was mich fasziniert hat (…Exkurs über den Klarinettist Fatty George…) war die Zirkular-Atmung. Und das war ein Schüler von Fatty George. Mir ist nicht aufgefallen, wann der eingeatmet hat.“

Verena Doublier: „Ich hab ein Herz für Tiroler. Ein sehr gelungener Song, ich will es auch gar nicht kritisieren. Der Flow war super, den Hook vielleicht noch ein bissl abschneiden. Aber war ein super Song!“

Frau Tomani – Normal

Frau Tomani

FM4 Christian Stipkovits

Frau Tomani schickt Bussis in die Welt und singt gegen Anpassungszwänge: „Denn wenn wir alle nur noch funktionierende Maschinen sind, dann werden wir das nicht hinkriegen mit der Revolution und glücklich werden wir auch nicht.“

Frau Tomani spielt hin und wieder auch mit Band, aber beim Protestsongcontest tritt sie alleine mit Akustik-Gitarre auf. In ihrem ruhigen, relativ langen Sprechgesang namens „Normal“ geht es um diese internalisierten Zwänge, die nicht ganz offensichtlich sind, diesen Druck, wie wir unser Leben vermeintlich zu leben hätten. Es ist ein Rundumschlag, der von Liebe, Arbeit, dem Wirtschaftsystem und Erwartungshaltungen handelt.

Im April erscheint ihr Debüt-Album „Heut bleib ich im Bett“, ein Titel, der ebenfalls als Protest verstanden werden kann, wie sie Michael Ostrowski mit bedrohlich geschulterter Gitarre versichert.

Die Jury über Frau Tomani:

Daniel Wisser: „Beim Zuhause hören ist mir schon aufgefallen, dass der Song sehr gut produziert ist. Die Dame singt auch sehr gut und ich finde auch den Refrain super. Was mich aber stört, dass bei den Strophen Plattheiten aufgezählt werden.

Das mit dem Müll erinnert mich an Öko-Kabarett-Nummern aus den 80er Jahren. Und das man das Plastik nicht mag? Ich spiel in einer Band, in der alle Instrumente aus Plastik sind. Aber es ist ein tolles Lied und es ist live großartig performt.“

Verena Doublier: „Bei dem Song ist echt was hängengeblieben, der Refrain. Ich versteh, was er meint und vom Kompositorischen ist es sehr klug gemacht. Es ist so ein Zwiegespräcgh, also Masse versus Ich. Es wiederholt, was man täglich erlebt. Es wiederholt sich immer wieder - wie ein Kanon. Ich finde es sehr gelungen.“

Peter Paul Skrepek: „Sie konnte den Spannungsbogen bis zum Schluss halten und das ist etwas, dass selten wurde.“

Martin Blumenau: „Ich fand sehr schön, dass diese beiden Stücke hintereinander gekommen sind, weil das Zweite war so das Gegenteil von dem Ersten. Sowohl musikalisch als auch von der inhaltlichen Fokussierung her. Das Erste war so eine ganz konkrete Geschichte, aus dem Leben gegriffen und das zweite spricht halt die großen Themen an. Die großen strukturellen Probleme, die wir so haben mit Liebe, Arbeit, Nachhaltigkeit.“

I’m a Sloth – Titanic

I’m A Sloth

FM4 Christian Stipkovits

Laut scheppernd steht das Wiener Grunge-Trio I’m A Sloth auf der Bühne. Die Band gibt es seit 2009 und bisher hat das Trio zwei Alben veröffentlicht. Auf der letzten Platte „Bosom“ ist auch der Protestsong „Titanic“ zu finden, wie Sängerin Flora Ska im FM4-Interview erzählt: „Der Text ist sicher schon vier Jahre alt. Damals hab ich beschlossen, einen Song zu schreiben, über alles was mich aufregt. Das sind zum Teil Dinge, die in der Vergangenheit liegen wie die Weltkriege. Andererseits aber auch Dinge, die immer noch passieren. Wie Genitalverstümmelung bei Frauen oder pädophile Priester. Das gibt es ja auch immer noch.“

Die Jury über I’m a Sloth:

Daniel Wisser: „Mir gefällt der Text sehr gut, die Aufzählung als Strophenform. Das Hardrock-Grungige ist ja nicht so ganz meines, weil man den Text nie versteht. Aber wir haben ja Powerpoint und den Text ausgedruckt bekommen. Mir gefällt sehr gut, wie dieser Refrain „I wasn’t even born“ im Ungewissen bleibt. Ist es sarkastisch, ist es ernst gemeint? Weil es gibt ja diese Politiker, die sagen „Damals war ich erst elf!“. Wie soll ich denn was wissen über 1938, da war ich ja erst Minus-kannst-dir-ja-selber-ausrechnen. Es war ein simpler Song, aber der Haken ist da und der Song ist sauber!“

Marie Luise Lehner: „Musikalisch eh ur super, aber mir ist noch immer nicht klar, kritisieren sie die Haltung? It wasn’t my idea. Wenn sie es nicht tun, dann finde ich es extrem problematisch, wenn sie es nicht tun, dann sollten sie es in ihrem Text verankern, weil das steht nicht drinnen. Tschuldigung, aber das geht einfach nicht! Man kann nicht in einem Text sagen – Holocaust wasn’t my idea. Equivalent zu – es ist mir wurscht? Equivalent zu – ich vergesse, was passiert ist? Also das geht einfach nicht.“

Das Publikum protestiert und Sängerin Flora Ska stellt auf der Bühne klar, dass ihnen es nicht egal ist: „Der Refrain, soll die Ohnmacht ausdrücken, die ich empfinde, wenn man drüber nachdenkt, was die Menschheit schon alles verbrochen hat oder immer noch verbricht. Aber ich sage nicht, dass es mir egal ist. Ich verharmlose es nicht und wenn es mir wurscht wäre, würde ich kein Lied darüber schreiben.“

Peter Paul Skrepek: „Da liegt ein grundlegendes Missverständnis vor. Die Kunst ist keinesfalls dazu da, irgendwelche Dinge zu erklären oder Fragen zu beantworten. Der Künstler oder die Künstlerin beantwortet keine Frage, sondern antwortet mit der Frage.“

Lupin – 1 Lied gegen Sexismus

Lupin, die Gewinner des FM4 Protestsongcontests 2018

FM4 Christian Stipkovits

Die Bühne ist in blaues Licht getaucht, und Lupin prostieren mit Gesang, Akustik-Gitarre und Melodica gegen Sexismus. Die beiden Freundinnen erzählen von sexistischen Alltagssituationen, die wahrscheinlich jede Frau kennt, wie Hannah und Tanja im FM4-Interview erklären: „Das ist zum Teil autobiografisch, zum Teil von Freundinnen so erlebt. Das sind Geschichten, die man einfach kennt und die einfach dauernd passieren.“

Nach dem ersten Refrain lacht das Publikum wissend, nach der zweiten Strophe brausen erste Jubel-Schreie auf, nach der dritten Strophe sind alle still in Gedanken versunken – und wachen mit dem bisher stärksten Applaus für dieses sachte und kluge Protestlied wieder auf.

Michael Ostrowski stellt danach ein paar blöde Fragen wie „Was ist das Pendant zu Scheide? Glied?“, das Publikum buht ihn deswegen aus und ruft: „Halt die Pappn!“.

Die Jury über Lupin:

Martin Blumenau: „Das war der nicht ganz so geheime Geheimfavorit und das hat dem jetzt auch entsprochen.“

Julya Rabinovich: „Es hat schon sehr viele Glied-Lieder gegeben und es wurde absolut Zeit für den Scheiden-Song. Wenn ich mir so die Geschichte der Musik anschaue, ist fast alles ein Gliedlied.

Michael Ostrowski kann das nicht so recht glauben („Es geht ja um die Wörter!“) und Martin Blumenau wirft den Begriff „Cock Rock“ in die Schlacht.

Rabinovich weiter: „Mir gefällt diese Kombination der zarten Engelsstimmen mit dem Scheidensong, weil das Wort tatsächlich eines ist, das man nicht gerne ausspricht beziehungsweise wo man manchmal eine gewisse Hemmung hat. Und das finde ich äußerst schade.“

Michael Ostrowski: „Das ist die Macht des Wortes! Bald wird Scheide in aller Munde sein!“ (Gelächter)

Marie Luise Lehner: „Yeah, Scheiden im Refrain, ich bin voll dafür. Auch Squirten (Anm.: ein Verweis auf den neuen Schapka-Song „Squirten“).

Ich bin auch gegen Sexismus und voll cool finde ich, dass ihr Situationen mit reingenommen habt, die nicht Klischee sind. Ihr habt meine volle Unterstützung.“

Daniel Wisser: „Mein Problem ist, die Erklärung des Liedes ist das Lied selbst. Man lässt mir überhaupt keinen Spielraum, in irgendeiner Form etwas in dem Lied zu entdecken, sondern ich kriege halt was aufs Auge gedrückt. Jeder der Pop hört, möchte im Pop etwas entdecken und nicht geschulmeistert werden. Zur Ästhetik muss ich sagen: Das mit der auf zwei Saiten downgegradeten Gitarre und Melodica gibt es schon in jeder zweiten Versicherungswerbung. Die ist vom Kapitalismus auch schon geschnupft worden.“

Das Publikum buht Wisser aus, Peter Paul Skrepek sieht die Sache ähnlich: „Ich sage dazu gar nichts, aber Wisser hat recht.“

Verena Doublier: „Ich möchte nur hervorheben, wie hoch beim Protestsongcontest der Frauenschnitt ist. Das freut mich persönlich extrem. Wenn man auf ein Festival geht, dann ist das nicht so. Macht einfach weiter, Mädls. Und lasst euch nix sagen!“

Das war die bisher widersprüchlichste und längste Jury-Besprechung!

Kapa Tult – Priority Lane

Kapa Tult

FM4 Christian Stipkovits

Technisch nicht fehlerfrei, aber die Message kommt beim Publikum an! Die gerade einmal ein halbes Jahr alte, deutsche Band Kapa Tult protestiert gegen Menschen, die sich vordrängen, wie sie im FM4-Interview erzählt haben: „Wir sind gegen Menschen, die sich in die Priority Lane stellen, weil sie mehr Geld haben und denken, dass sie deshalb diese Dinge verdient haben.
Es geht ums Vordrängen und Wegnehmen und das möchten wir nicht so gerne sehen.“

Entstanden ist der Song, als Sängerin Inga in den Urlaub gefahren ist: „Tatsächlich habe ich einen Podcast gehört von Claus Leggewie, ein Soziologe, während ich in den Urlaub gefahren bin. Und da haben sich meine Gedanken dazu verschlungen.“

Die Jury über Kapa Tult:

Daniel Wisser will eine Bewertung abgeben, aber jemand aus dem Publikum ist dagegen. Er hat sich mit seiner Wortmeldung zu Lupin unbeliebt gemacht. Vielleicht versucht er deswegen, halblustig weiterzumachen, wenn er sagt: „Abgesehen von dem viel zu niedrigen Frauenanteil in der Band, möchte ich sagen, ich habe 20 Jahre in der IT-Branche gearbeitet, diese Begriffe wie Priority Lane gibt es wirklich. Finde ich super, dass man das in den Pop bringt. Im Text gefallen mir die Deutsch-Englisch-Reime sehr gut, ich fand auch die Rhythmuswechsel sehr gut. Eine mitreißende Nummern. Die Band hat einen Sprachwitz. Taugt mir.“

Verena Doublier: „Endlich ist da etwas aufgebrochen. Protest braucht Energie. Und das hat man hier gespürt. Super Nummer. Cool.“

Marie Luise Lehner: „Wenn bei euch in der Band noch eine Stelle frei ist, ich bewerbe mich. Sie sind super. Sie haben Swag. Die Bühnenpräsenz und Show war super und selbstbewusst. Coole Texte. Mein Kompliment.“

Blumenau: „Wenn Yung Hurn wirklich was zu sagen hätte, und nicht nur den Kasperl spielen würde, dann müsste er sowas machen. Ich liebe Yung Hurn, aber jetzt steckt er noch im Kasperl-Petzi-Modus.“

INSÖRT – Robben im Ö

INSÖRT

FM4 Christian Stipkovits

Aktionistisch mit Robbe im Ö(l-Fass) tritt die Psychedelic Rock Band INSÖRT aus Wels auf. Das Keyboard wurde als Tanker verkleidet, der Bassist hat ein ölverschmiertes Gesicht und trägt das T-Shirt einer bekannten Kraftstoff-Marke und der Drummer ist als Ölscheich maskiert.

Es ist Klamauk, der zum Rosenmontag und auch zum Villacher Fasching passt. INSÖRT gibt es seit 2010 und die Band hat eine Vorliebe für Ö - wie Österreich. Deshalb schreibt man ihren Bandnamen mit Ö, und deshalb geht es um die „Robben im Ö“.

Die Idee zum Song war eine Rauschgeschichte, aktuellen Auslöser gab es keinen, wie die Band im FM4-Interview erzählt hat: „Unglücklicherweise sind zwei Tage, nachdem wir den Song geschrieben haben, tatsächlich zwei Schiffe kollidiert, und es ist wirklich eine Ölkatastrophe entstanden. Wir wissen nicht, war das Karma? Gott? Wir waren es auf alle Fälle nicht!“

Die Jury über ISÖRT:

Peter Paul Skrepek: „Steht nicht der Songcontest wieder vor der Tür? Wir sollten uns ein Beispiel an Finnland nehmen. Die schicken immer das Verrückteste hin. Das war großartig von der Bühnenpräsenz.“

Daniel Wisser: „Ein Ökologie-Song in dieser Zeit, wo nicht nur die österreichische, sondern alle Weltregierungen darauf scheißen. Ich liebe viele Ös… das gefällt mir alles sehr gut. Die Performance könnte auch etwas weniger Kasperltheater sein, das würde auch funktionieren. Der Song bleibt picken und hat was.“

Verena Doublier hat den „Ödögödökkö“ nicht verstanden und wird von dem Sänger und dem Publikum aufgeklärt, dass es sich hier um den „Öltigeldeckel“ handelt.

Marie Luise Lehner: „Ich finde auch, dass es ins Ohr geht. Das ist ein Ohrwurm beim Kochen. Die Kritik ist aber jetzt nicht so mega ambitioniert. Aber ich glaube nicht, dass das Lied das möchte. Das Lied ist lustig, die Bühnenperformance und Kostüme auch. Der Obertongesang am Schluss war auch ganz gut“

Martin Blumenau: „Geht’s euch noch gut? Seids ihr wo angerennt? Das ist EAV für Arme aus dem Jahre Schnee. Ich war damals elf, ich kann nichts dafür. Das Stück ist an Armseligkeit nicht zu überbieten, was Protest im Jahr 2018 betrifft. Da wird ernsthaft darüber diskutiert, dass das gute Seiten auch hat?! Das ist ein Villacher-Faschings-Karneval-Scheiß-Dreck. Kriegts euch wieder ein! Wir sind beim Protestsongcontest und nicht bei einer Idiotenveranstaltung, das ist ja peinlich!“

Das Publikum jubelt zustimmend!

Lis – Funke

Lis

FM4 Christian Stipkovits

Lis kommt solo auf die Bühne, ihre Spoken-Word-Performance wird nur von einem minimalen Hip-Hop-Instrumental und einem Effektgerät begleitet. Der Song, der eigentlich ein Gedicht ist, soll ganz für sich stehen und wirken können. Der Text von „Funke“ richtet sich gegen die zunehmende Verrohung unserer Gesellschaft und ist während der letzten Nationalratswahl entstanden. Damals hat Lis viel Zeit in diversen Foren und auf Social Media verbracht, wie sie im FM4-Interview erzählt: „Es gab einen Moment, in dem ich fast suchtmäßig begonnen habe, mir Kommentare durchzulesen und mir schlecht geworden ist. Ich hab bei diversen Politikern geschaut, was da die Leute so schreiben, und da habe ich gemerkt, dass es ein Wahnsinn ist, dass da etwas kippt. Es geht in eine bestimmte Richtung. Und mein Protest richtet sich dagegen, dass wir in unserer Gesellschaft füreinander die Empathie verlieren. Mir kommt vor, dass wir keine Mitte mehr haben.“

2007 war Lis schon einmal beim Protestsongcontest dabei und sie findet, dass sich seit damals nicht viel verbessert hat: „Viel Text, weil es relativ schief gelaufen ist.“

Die Jury über Lis:

Marie Luise Lehner: „Ich hab den Text öfters gelesen. Und ich frage mich: Wo steht diese Frau politisch?“

Martin Blumenau: „Ich muss auch nicht wissen, wo Bob Dylan politisch steht, um zu wissen, was er in ‚A Hard Rain’s A-Gonna Fall‘ meint.“

Verena Doublier: „So ein dumpfes, bedrohendes Hintergrund-Gefühl, das in mir aufkommt, bei diesem Song. Und ich finde, das trifft es ja eigentlich ganz gut. Das Lied ist wie ein Lagerfeuer. Man kann sich langsam daran entzünden. Aber andererseits gibt es einem so ein ungutes Gefühl. Es zieht sich irgendwie alle zusammen. Irgendwas passt nicht und für mich ist das die Aussage.“

Peter Paul Skrepek: „Düster, finster und technisch gut gelöst von der Rabenhof-Crew. Das war sehr beängstigend, was sie gemacht hat, sie hätte auch das Telefonbuch vorlesen können. Diese Verzahnung von Text und Stimmung ist sehr gut gelungen.“

Max Schabl – Auweh Auweh Auweh

Max Schabl

FM4 Christian Stipkovits

„Protestlieder leben davon, gesungen zu werden“, mit dieser Aussage fordert der Burgenländer Liedermacher Max Schabl das Publikum zum Mitsingen auf: „Es sind eh nur drei Worte. Eigentlich eins, aber ich sing es halt drei Mal!“

„Auweh Auweh Auweh“ hat Max Schabl nach der Nationalratswahl geschrieben und damit protestiert er gegen die neue Regierung: „Man soll auch schmunzeln können und ich tu da das österreichische Jammern ein bisschen forcieren. Das dient als Art von Psycho-Hygiene und das macht einfach Spaß“. Spaß hat auch das Publikum bei dem Song, erster Jubel breitet sich aus bei der Zeile „Und fünf Jahr noch der Scheiß!“

Max Schabl macht seit 2005 Musik, vor allem als Bassist in Punk-Bands. Seit 2012 ist er solo als satirischer Liedermacher unterwegs, der bereits sechsmal beim Protestsongcontest teilgenommen hat. Viermal war er unter den TOP25 und heuer ist er zum ersten Mal im Finale. Schabl tritt auch bei Zeltfesten auf und mischt zur Irritation des Publikums unter seine satirischen Songs mit Titeln wie „Man wird sich ja noch ansaufen dürfen“ auch Songs über Machtmissbrauch.

Die Jury über Max Schabl:

Peter Paul Skrepek: „Das war jetzt das Musterbeispiel von einem Gfeanztn. Das ist ein Gstanzl gewesen wie von Pirron & Knapp, falls die noch wer kennt. Und da fällt mir ein, dass wir heuer in ganz Europa 100 Jahre Frauenwahlrecht feiern. Und das nicht unbegründet, die haben dafür gekämpft, dass sie auch wählen dürfen. Gleichzeitig machen wir uns darüber lustig, was die Frauen und Männer in Österreich wählen. Die Demokratie ist also auf einem sehr seltsamen, holprigen Weg, wo wir einerseits mitbestimmen wollen und zweitens es nicht verstehen, die richtigen zu wählen, wenn wir die richtigen fragen. Hab ich das verständlich ausgedrückt? (…) Ich nehm dem Max Schabl seine Unbedarftheit nicht ganz ab, ich glaub er ist ein bissl hinterfotzig. (…) Man kann darüber jetzt abstimmen. In der Gewerkschaft gibt es eine Demokratie. Es ist alles vorher abgestimmt, und dann wird darüber abgestimmt.“

Marie Luise Lehner: „Geht ins Ohr. Schön dass die Regierung kritisiert wird, humorvoll. Schön, dass das Wort Sündenbock eingesetzt worden ist. Statt sich dem rechten Vokabular zu bedienen, hat dieses Lied den Weg rund herum gesucht. Anders als in der Gewerkschaft ist es scheinbar in Östererich nicht immer so gut, wenn die Mehrheit entscheidet. Weil die Mehrheit ist offensichtlich irgendwie rechts.“

Das Publikum protestiert gegen die Aussage von Marie Luise Lehner und wünscht sich „Musik“.

Julya Rabinovich: „Ich muss zur Ehrenrettung der Demokratie antreten. Das, was die Wahlen dorthin geführt hat, wo sie gelandet sind, war weniger das demokratische Prozedere sondern die Rolle der Medien. Ich denke, dass das Internet eine große Rolle gespielt hat. Unzensuriert.at hat vermutlich auch eine Rolle gespielt und wie es im Netz gewandert ist. Und auch die Berichterstattung der klassischen Medien. Jedes Medium hat Einfluss und leider kann man diesen Einfluss auch missbrauchen. Das ist mir in diesem Wahlkampf mehr aufgefallen als davor.“

Martin Blumenau: „Ich hab heute ein schönes Zitat von Philip K. Dick gelesen: ‚Reality is that which, when you stop believing in it, doesn’t go away.‘

Marie Luise Lehner: „Ich möchte Demokratie nicht kritisieren. Ich feiere die Populismus-Kritik in dem Lied.“

Blumenau: „Ich möchte auch noch protestieren. Mir geht die Tendenz, diese Veranstaltung zu verblödeln, schon ziemlich am Arsch!“

GOMAX – Für’n Arsch

GOMAX

FM4 Christian Stipkovits

Max und Max, Schlagzeug und Gitarre, statt ins Mikrophon wird in rote Telefonhörer gesungen. GOMAX protestieren mit ihrem naiven Lo-Fi-Punk-Song „Für’n Arsch“ gegen Regeln, wie sie im FM4-Interview erzählen: „Warum braucht es die ganzen Regeln? Redet miteinander und setzt euch mit den Menschen in eurer Umgebung auseinander. Das ist so der Grund-Apell, warum wir weniger Regeln bräuchten.“

Nach dem Auftritt schmeißen GOMAX Jutebeutel ins Publikum und sind stolz: „Wir haben gerade 140 Mal Arsch live im Radio gesagt. In so einer kurzen Zeit hat das noch Niemand vor uns gemacht. Vielen Dank FM4!“

Die Jury über GOMAX:

Peter Paul Skrepek: „Kompliment an die beiden Maxe. Sie kommen mit so einem Druck auf die Bühne. Ein bisschen wie The Kinks. Kannst du dich erinnern? Aber da warst du noch nicht auf der Welt.“

Verena Doublier: „Für Punk Rock bin ich immer sehr offen. Es kommt halt ein bisschen pubertär daher.“

Wende Punkt – Was?

Wende Punkt

FM4 Christian Stipkovits

Den Abschluss macht Wendi Gessner mit ihrer Band Wende Punkt und dem Song „Was?“. Vereinzelt heben sich Hände zum Protest im Saal.

In dem Song protestiert Wendi Gessner gegen „Survival of the Richest“ und Kapitalismus:

„Es ist gegen ein System, wo jeder von uns sagt, ja ich weiß, es geht sich irgendwie nicht anders aus, als dass manche es voll gut haben und manche voll das Scheiß-Leben. Gehört halt irgendwie dazu. Gut, dass ich auf der Honigseite gelandet bin und möglichst nicht hinschauen, weil wer weiß, wie lange das so ist. Und möglichst auf andere hacken, weil man Angst hat, in diesem System dann doch auf der anderen Seite zu landen.“

Die Jury über Wende Punkt:

Daniel Wisser: „Ein toller Protestsong, er hat auch was Plakatives, das gehört auch dazu. Eine tolle Rock-Ballade mit super Frontfrau. Es erinnert mich mit dieser Punchline „Was werden wir den Kindern sagen?“ auch an Georg Danzer und „Menschliche Wärme“. Da heißt es auch „Was werden wir den Kindern sagen?“. Ich finde das ein sehr gutes Bild und ich finde auch das Ende gut, dass man alles ändern kann. Jede Sekunde, jede Stunde, jede Nacht. Wirklich ein gelungener Protestsong mit einer Message. Dieser Protest gibt auch einen Hoffnung, dass man etwas tun kann und das passt für mich.“

Julya Rabinovich: „Was ich am tollsten an diesem Lied finde, ist, dass es einen bestärkt rausgehen lässt, obwohl es schlimme Dinge anspricht, weil es die Verantwortung an die Zuhörenden zurückgibt. Sie sind nicht länger Opfer eines Zustands, sondern sie können aktiv diesen Zustand beeinflussen. Das ist unglaublich wichtig, gerade jetzt. Das ist ein klassischer, gelungener Protestsong im Sinne eines bestärkenden Protests. Das ist eher selten und ich freue mich daher sehr, das Lied gehört zu haben“

Martin Blumenau: „Man muss da gar nicht zu Georg Danzer zurückgehen, um einen Vergleich zu ziehen. Ich sag nur Sarah-Lesch-Alarm. Kinder und ja, wenn wir nicht aufpassen… Diese Künstlerin wird nie bei der Hanns-Seidel-Stiftung reüssieren.“

Marie Luise Lehner: „Danke, dass sie gesagt hat, dass die Mitläufer auch Schuld sind. Ich finde auch, wir sollen aktiv werden. Solidarität, mehr davon!“

Peter Paul Skrepek: „Die Selbstermächtigung des Menschen führt dazu, dass er richtige Entscheidungen treffen kann. Dazu muss er vollständig informiert werden. Das findet im Moment nicht statt. Dazu muss der Mensch als Ganzes, als Menschheit, lernen, politisch anders Denkende nicht zu verurteilen, nicht zu verteufeln. Weil dann rutscht man leicht von jeder Seite - sowohl von der einen als auch von der anderen - in die Totalitarität und das ist der Untergang. Wenn das passiert, haben wir alle verloren. Das ist die Botschaft dieses Liedes für mich.“

Verena Doublier: „Super Band, super Musikerin und vor allem eine, die Stellung bezieht!“

Das Voting:

Das Votingergebnis beim Protestsongcontest 2018

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