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Filmstill aus "Isle of Dogs"

Twentieth Century Fox

Wuff und Wow!

Wes Andersons „Isle of Dogs“ eröffnet die 68. Berlinale, in der auch die #metoo-Debatte eine Rolle spielt.

Von Petra Erdmann

Auf der Berlinale ist das Schnauzenfieber ausgebrochen und befallen sind nicht nur hunderte Filmkritiker, die ihre Taschentücher über die Berlinale-Sitznachbarn ausbreiten. In Wes Andersons Stop Motion-Animationsfilm „Isle of Dogs“, der am Donnerstag die Berlinale eröffnet hat und gegen 19 andere Produktionen um den Goldenen Bären im Wettbewerb antritt, sind es bunt gestylte sprechende Hunde-Scharen. Auch sie laborieren am Schnauzenfieber.

Mit einem Regierungserlass des autoritären Bürgermeisters Kobyashi werden alle, vom Schoßhund bis zum Streuner, aus der futuristischen Megacity auf eine riesige Müll-Insel verbannt. Der 12-jährige Atari, Pflegesohn des korrupten Politikers, bricht mit dem Flugzeug nach Trash Island auf, um die Tiere zu retten.

Still aus "Isle of Dogs"

Twentieth Century Fox

Wes Andersons strenge Liebe zum verspielt abwegigen Detail ist auch in „Isle of Dogs“ ansteckend. Die Sci-Fi-Dramödie ist zweisprachig in einer fiktiven japanischen Stadt angesiedelt: Der Rauch sieht aus wie Glasnudeln. Die US-Austauschschülerin Tracey Walker (gesprochen von Greta Gerwig) trägt einen blonden Euro und der fiese Bürgermeistergehilfe hat Frankensteinsche Dimensionen. Der Mix of Cultures, tierisch individuelle Hauptprotagonisten, politischer Aktivismus rund um Tsunami und Atomkatastrophen verdichten sich zu einem witzig makaberen No Future-Porträt einer jungen Generation.

Inspiriert und voller Verneigung ist der Regisseur für die japanische Filmkultur. „Isle of Dogs“, den Wes Anderson gemeinsam mit Roman Coppola und Jason Schwartzman geschrieben hat, ist klar inspiriert von Animationsgott Hayao Miyazaki und der Regie-Legende Akira Kurasawa.

Wes Anderson

John MACDOUGALL / AFP

Wes Anderson

Einen Teil der großen Star-Familie, die seinen Charakteren ihre Stimme leiht, hat Wes Anderson heute auf den roten Teppich nach Berlin mitgebracht und auf die Pressekonferenz: Bill Murray (der depressiv und mürrisch sagt, die Arbeit mit der Crème de la Crème seiner Kollegenschaft erinnere ihn an den Auftritt der 90er-Popstars in dem Afrika-Hilfe-Video „We are the World“), Bryan Cranston (der einen guten Witz über den Hund von Jeff Goldblum gemacht hat, den dieser nicht verstanden hat), Greta Gerwig (die das Jahr 2018 zu ihrem persönlichen Jahr des Hundes deklariert hat, weil sie keinen hat und sich noch heuer einen zulegen mag) und Tilda Swinton (die nicht am Podium gesessen ist, sondern in den Journalistenreihen, weil ihre tolle Rolle der Hündin „Oracle“ wohl zu klein ist).

Bill Murray und Greta Gerwig

Stefanie LOOS / AFP

Bill Murray und Greta Gerwig

Wes Anderson ist Spezialist für dysfunktionale Familien-Settings, aber auch ein wundervoller Host für die A-Liga Hollywoods, die ihm ihre Stimmen leiht: „Keiner von Ihnen hatte die Ausrede, nicht verfügbar zu sein. Ich kann ihre Stimmen überall auf der Welt aufnehmen, auch in ihren Küchen“, so Wes Anderson.

Berlinale-Familie #metoo?

Die Berlinale steht am Beginn aber nicht nur im gut gelaunten Zeichen der Wes-Anderson-All-Star-Truppe. Als erstes A-Filmfestival seit der Aufdeckung der Causa „Weinstein“ und ihren Folgen steckt die Berlinale auch tief in der öffentlichen Auslage des #metoo Diskurses.

Einige Podiumsdiskussionen zum Thema sind angedacht, von Festivaldirektor Dieter Kosslick aber eher peripher als prominent platziert und im Schatten von rund 400 Filmen, die hier am größten Publikumsfestival der Welt vorgestellt werden.

Tom Tykwer ist heuer der Präsident der Internationalen Jury. Tykwer hat den mehrmals kritisierten und zur Ablöse gedrängten Berlinale-Direktor Dieter Kosslick unter- und gestützt. Denn Tykwer hat einen offenen Brief von 79 Künstlern nicht unterschrieben, in dem die Unterzeichner gefordert haben, die Nachfolge des Festivalchefs mit einer Findungskommission transparent zu regeln.

Tom Tykwer

Stefanie Loos / AFP

Tom Tykwer

Nicht ganz durchsichtig hat Tom Tykwer die #metoo-Diskussion heute auf einer Pressekonferenz auf seinen Standpunkt gebracht, und das nachdem Dieter Kosslick bereits ein halbherziger Umgang mit dem Thema attestiert wurde. „Es ist gut, dass wir uns jetzt von den Einzelfällen entfernen und über Arbeitsethik und Machtmissbrauch sprechen“, so Tykwer. „Wir sollten nicht über die anderen reden, sondern über unsere eigenen, konkreten Arbeitsverhältnisse.“

Reden wir am Schluss über die Struktur eines Wettbewerbs. Neben Wes Andersons „Isle of Dogs“ ist auch Gus Van Sants neues Drama „Don´t Worry, He Won´t Get Far on Foot“ im Rennen um den Goldenen Bären, mit Joaquin Phoenix als alkoholsüchtigem und schlüpfrigem Zeichner John Callahan. Der deutsche Filmemacher Christian Petzold beschwört in „Transit“ die Geister der (Flüchtlings)Vergangenheit und die Polin Małgorzata Szumowska ist mit ihrem Beitrag „Twarz“ über einen entstellten Heavy-Metal-Liebhaber eine von vier Regisseurinnen - neben Adina Pintilie, Laura Bispuri und Emily Atef - im Berlinale-Wettbewerb. Für ein renommiertes Preis-Festival ist das zur Abwechslung zumindest eine - mit rund einem Fünftel - halbanständige Frauen-Regie-Quote.

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