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Fever Ray

Franz Reiterer

Aerobic im Cosplay-Outfit

Fever Ray liefert im Gasometer eine Show zwischen postphallozentrischen Utopien und Bier aus Nippeln.

Von Natalie Brunner

Das Gasometer wirkt nach Ladenschluss wie ein postapokalyptisches Wasteland, bei dem nicht so ganz klar ist, ob Zombieattacke stattgefunden hat oder nicht. Ich fühle mich kompetent diese Einschätzung abzugeben, da ich auf der Suche nach Nahrung Block C bis A durchschritten habe.

Vorbei an der Popakademie, vorbei an verlassenen Kaffeehausruinen und verklebten Schaufenstern führte mich mein Weg in den Entertainmentteil, wo ich mir zwischen Casino, einer UV-Licht Bowlingbahn, einem Laden mit dem schönen Namen: „Burgenland ist überall“ und 1-Euro-pro-Teller-Running-Sushi reinpfeifen wollte.

Ich knabberte also an meinen 1-Euro-Frühlingsfettröllchen und spekulierte, ob die andere weibliche Person im Lokal im stilisierten Schulmädchen-Outfit eine Sexarbeiterin ist oder Teil der Fever-Ray-Entourage ist und Lust auf Frühlingsfettröllchen hatte. Beides ist möglich, wenn ich den doppelt so alten betont jugendlichen Begleiter ausblende, was mir aufgrund jahrelanger Übung nicht schwerfällt.

Guantanamoorange T-Shirts

Punkt 20.30 springt die Dame in Schulmädchen Uniform auf, verabschiedet sich mit Handschütteln vom weißhaarigen sportlich jugendlichen Rollkragenträger, der alleine mit seinem Achtel Weiß und einem Stapel 1-Euro-Maki-Teller zurückbleibt. Ich tue es ihr gleich - weil um 21 Uhr beginnt Fever Ray.

Mein erster Gang führt zum Merchandisingstand. Soll ich mir ein Shirt in schwarz oder guantanamoorange mit Black Metal Schriftzug kaufen? Im Vorfeld gab es nämlich ein kleines Facebook-Scharmützel, weil Skepsis in punkto Fever-Ray-Konzert geäußert wurde.

Meine Antwort: Fellow Profilierungsneurotiker werden wir nicht schön langsam bissi zu alt für sowas? Wissen eh alle dass du auf die coolsten und realsten Konzerte gehst in Kapitalismus exclusiven Zonen wo die Werte der Szene hochgehalten werden. Und warum intressierst du dich überhaupt für andere Menschen und deren Freizeitgestaltung? Oder ist es der nicht vom Black Metalm Zentralrat genehmigte Font Einsatz der dich erzürnen lässt weil ab morgen ganz viel unliebsames Gesocks mit T-Shirts mit Black Metal Fonst rumrennen? Oder erregt die Helene Fischer der Spexleserinnen Fever „I want to ram my fingers up your pussy“ Ray deine Missgunst? Wie dem auch sei, kommst mit? Musst eh nix zahlen oder Weibermusik prinzipell nicht so deines?

Angesichts der Merch-Preise beschloss ich, dass ich in der Causa schon deppert und ungut genug war und mir der Spaß sicher keine 35 Euro Wert ist. Ich stiefle rum, verstecke mich vor Kollegen und Bekannten, freue mich auf die Live Umsetzung der postphallozentristische Welt die Fever Ray auf „Plunge“ entwirft und überlege, ob einige der männlichen Besucher heute noch Kastrationsängste kriegen werden.

„Lasst die Scheiß-Handys in der der Tasche“

Ich entscheide mich gegen den Besuch der Raucherterrasse um es heimlich in der Dunkelheit des Saals zu tun. Apropos „Breaking The Law“: Fever Ray bittet uns unsere Scheiß-Handys in der Tasche zu lassen. Keine Fotos, kein Licht. Konzentration aufs Hier und Jetzt, auf die Unmittelbarkeit der Erfahrung wünscht sie für sich und ihre Band(e) von Super- Pervert Heldinnen aka Musikerinnen. Finde ich sehr gut. Eure Freunde sollen es sich selber ansehen - ich war da. Konzertfotos auf denen mensch nix sieht, habe ich noch nie verstanden. In meinen Fall geht das „No Cellphones“ leider nicht, weil ich mich zu oft momentaner totaler Immanenz und unmittelbarer Erfahrung gewidmet habe und mir deshalb nix mehr merke.

Punkt 21 Uhr: Feedback Noise kombiniert mit alten Modemgeräuschen erklingen. Die Bühne hat pinke Neonbalken, sieht aus wie ein Tron-Scooter, Eric Prydz so irgendwas. Auftritt der mir von den Sammelkarten bekannten Musikerinnen. Die Inszenierung erinnert mehr an Cosplayconventions als an Darkrooms.

Eine Phalanx von drei Sängerinnen singen die erste Nummer sehr konfrontativ ins Publikum. Bereits bei Musikstück Nummer zwei beginnen Aerobicdarbietungen, die mich an die letzte The-Knife-Tour erinnern.

Fever Ray

Franz Reiterer

Bis jetzt hat mich jedes Rhinoplasty mehr auf schauerliche Weise berührt und verzückt. Außer mir scheinen alle Besucherinnen von Aerobic im Cosplay Outfit begeistert.
Geil finde ich die dritte Nummer. Sie klingt wie ein Cut-Up einer Jan-Hammer-Nummer für Miami Vice. Enttäuscht stelle ich nach 30 Sekunden fest, dass ich sie eh kenne, es ist „When I grow up“ vom ersten Album „Fever Ray “.

Fever Ray ist sowieso mehr eine lateinamerikanische als schwedische Band, dem Rhythmus nach. Die Musikerinnen kommen aus Peru, Kolumbien und Argentinien. Fever Ray selbst macht Bühnenansagen auf Spanisch.

Mir wird langweilig und ich bin sehr froh alleine hier zu sein, damit ich nicht so wie bei den letzten Festivals und Konzertbesuchen systematisch allen, die mich kennen, den Spaß raube.

Fad, fad, fad

Die nächste Nummer ist Elektro und ich wünsch mir, ich könnte die Stimme ausblenden oder irgendwer legt bitte mehr Filter drüber. Ich mag das gar nicht wenn Fever Ray menschlich klingt. Es geht ‚organisch‘ (pfui) weiter. Auch Körperhaltung und Gestik gehen in Richtung Mensch und ich höre Textzeilen wie „Its not hard to love me“? Das mit Liebe und so intressiert mich nicht, und auch Fever Ray läßt einen gemeinen Haken folgen in Form eines Stakkatos von „Hard to fuck“. Die linken Faust überm Kopf erhoben. Das gefällt mir schon viel besser.

Die Klitclique veröffentlichen im April ihr Album inklusive Release Party. Florentina Holzinger performt von 22. bis 24. Februar im Tanzquartier Wien im MQ

Nachdem ich vor zwei Wochen Klitclique gesehen habe, finde ich alles nur fad. Wer einmal bei einem Klitclique Konzert Florentina Holzinger im Spagat vom Tisch springen und ins geschreckte Publikum kriechen sah, ohne großes Kostüm, dem ist bei den züchtigen Andeutungen von körperlichen Begehren und dem Reiben von latexumhüllten Intimbereichen die Fever Ray in Dreierformation aufführt nur fad, fad, fad.

Ich will mir was zu trinken holen. Die Bardamen bei dieser Veranstaltung von der ich mir ein postphallozentrisches Utopia erhofft habe, tragen tief ausgeschnittene enge T-Shirts mit Sponsoraufdruck. Auf ihrer Brust steht „Wonderbar“. „Bier aus Nippeln“: sowohl auf der Bühne denkbar als auch mit anderer Intention in assoziativer Nähe der Bar gerückt. Ich muss hier weg!

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