FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

buch

Ein Dorf mit sieben Stockwerken

Stadtleben? Landleben? Oder beides in Einem? Wie das funktionieren könnte, beschreibt Barbara Nothegger in ihrem Buch über den manchmal steinigen Weg zum gemeinsamen Bauen und Leben im Wohnprojekt Wien.

Von Rainer Springenschmid

„Nichts wie raus hier“ ist der erste Gedanke für viele, die in Dörfern aufwachsen, am Land, wo jeder jeden kennt und jeder jedem hilft, aber auch jeder jeden beobachtet und jeder mit jedem streitet. Nur weg hier, ab in die Anonymität der Großstadt. Stadtluft macht frei, hieß es schon im Mittelalter. Und wer hat noch nie die Sehnsucht gefühlt nach urbaner Umgebung, wo man sich zwar allen irgendwie seelenverwandt, aber niemandem verpflichtet fühlt?

Stadtluft macht frei

So ist es auch Barbara Nothegger gegangen, die aus einem kleinen Ort in Oberösterreich stammt. Doch wie bei den meisten, verschieben sich auch bei ihr die Prioritäten mit den Lebensphasen. In Barbaras Fall passiert das, als das erste Kind sich ankündigt. Ihren Nachwuchs in der Stadt aufwachsen zu sehen, das können sich die meisten Landkinder dann doch nicht vorstellen. „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen“, sagt ein Afrikanisches Sprichwort, und in Großstädten sind Dörfer nunmal sehr fern.

Cover des Buchs "Sieben Stock Dorf" von Barbara Nothegger

Residenz Verlag

Das Buch Sieben Stock Dorf hat 170 Seiten und ist in der Reihe „Leben auf Sicht“ im Residenz Verlag erschienen.

Das sind dann die Situationen, in denen viele mehr oder weniger schweren Herzens die Großstadt Großstadt sein lassen und wieder hinaus ziehen, ins Grüne: Zurück ins elterliche Dorf oder an den Stadtrand in irgendein Siedlungsgebiet, wo das Bauland noch einigermaßen erschwinglich ist. Die eigenen vier Wände, das eigene Reihenhaus, jedenfalls mit ein bissl Garten und dem Parkplatz vor der Haustür.

Und da geht das Dilemma schon weiter: Nicht nur, dass man das urbane Lebensgefühl hinter sich lässt, auch der Traum von einem Ressourcen schonenden, nachhaltigen Lebensstil ist in den meisten Fällen Geschichte: Einfamilienhäuser brauchen enorm viel Platz, sind Baustoff- und Energieverschwender – und wohnt man erst mal drin, geht ohne Auto meist gar nix. Barbara wollte sich damit nicht abfinden und ist, mehr durch Zufall, auf das „Wohnprojekt Wien“ gestoßen, eine Baugruppe, die versucht, die Vorteile des dörflichen Lebens – das Leben in einer Gemeinschaft und mit genügend Freiraum – mit denen der Stadt – kurze Wege, urbane Umgebung, Ressourcen schonen – zu verknüpfen.

Gemeinsam wurde gebaut, und basisdemokratisch wurde im Wohnprojekt Wien über alles entscheiden, was beim Bau eines Hauses so anfällt. Und genau das hat Barbara Nothegger mehr als einmal daran zweifeln lassen, ob es eine gute Idee war, sich in so ein Abenteuer zu stürzen. Heute ist sie glücklich, sich dieses Abenteuer angetan zu haben.

Der steinige Weg zum gemeinsamen Haus

In ihrem Buch „Sieben Stock Dorf“ beschreibt Barbara Nothegger den steinigen, aber oft auch beglückenden Weg zum eigenen Wohnort im gemeinsamen Haus. Sie tut das offen, ohne Scheuklappen, ohne irgendwas zu beschönigen, ihre Zweifel immer im Gepäck.

Barbara Nothegger in der Greisslerei des Wohnprojekts Wien

Ursula Roeck

Die Autorin in der Greisslerei des Wohnprojekts Wien, die zum Treffpunkt des ganzen Nordbahnhof-Grätzls geworden.

Sie erzählt, wie anstrengend es sein kann, neben Arbeit und Kind auch noch in Arbeitsgruppen über hohe Geldsummen (mit)zuentscheiden. Wie die Zusammenarbeit mit 60 anderen Menschen manchmal zum Albtraum werden kann, wie oft man sich aber auch durch die Gruppe erst stark genug fühlt, solch ein Projekt anzugehen. Was es bedeuten kann, wenn die Baufirma drei Monate vor der Hausübergabe pleite geht, und wie beglückend es ist, als dann doch alles gut ausgeht.

Barbara Nothegger ist nicht nur Teilhaberin an einem Bau- und Wohnprojekt, sondern praktischer Weise auch Wirtschaftsjournalistin mit Schwerpunkt Immobilien. Das kommt dem Buch zugute, denn in ihrem gekonnt verfassten Erlebnisbericht ist der weite Blick eingearbeitet, die Geschichte alternativen Wohnens, gelungene wie gescheiterte Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart und Argumente für diese nachhaltige Form des Zusammenlebens.

mehr Buch:

Aktuell: