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Erich Möchel

Auf das neue „Sicherheitspaket“ folgen Internetfilter

Das didaktische Angebot der Koalitionsregierung für Jugendliche besteht aus Internetfiltern, Opt-in-Filtern, ominösen „Schutzfiltern für Hardware“ und einer möglichen Digitalisierung der Schulbuchaktion.

Von Erich Möchel

Das Überwachungspaket der Bundesregierung passierte schon im Februar den Ministerrat. Es handelt sich um eine weitgehend identische Neuauflage des im Sommer gescheiterten „Sicherheitspakets“. Doch dabei wird es nicht bleiben, denn im Regierungsprogramm ist auch ein umfassendes Filter- und Blockiersystem nach britischem Vorbild festgeschrieben.

Was da gerade in Großbritannien umgesetzt wird, sieht dem Abschnitt „Familie und Jugend“, Absatz „Nutzung von digitalen Medien“ ziemlich ähnlich. Dieser Absatz beginnt nämlich mit „Schutzfiltern“ „Opt-in-Filtern“ und „Schutzfiltern für Hardware“, ansonsten ist nur von „Gefahren“, „Pornografie“ und „Gewalt“ im Internet die Rede. Als einzige didaktische Maßnahme zur digitalen Erziehung „unserer Jugend“ ist eine „Prüfung einer Digitalisierung der Schulbuchaktion“ geplant.

Regierungsprogramm

- public domain -

Dieser Abschnitt im Regierungsprogramm fasst sämtliche didaktischen Maßnahmen der Regierung im digitalen Bereich für Österreichs Jugend zusammen

„Schutzfilter“ für „unsere Jugend“

Aktuell dazu in ORF.at:
Mehr Überwachung durch „Sicherheitspaket“: „Bundestrojaner“ kommt

Obwohl der Text des Regierungsprogrammes vom Begriff „digital“ nur so wimmelt - er kommt gut 250-mal auf 182 Seiten vor - gibt es in Kombination mit „Jugend“ nur diesen einen Absatz zur Nutzung digitaler Medien. Gleich der oberste Punkt auf der Agenda: „Schutzfilter für Handy und Computer leicht zugänglich machen und promoten.“ Damit sind klarerweise keine Anti-Viren-Softwares gemeint, sondern Zensurfilter für jugendfreies Internet nach britischem Muster.

Danach folgt im neuen Regierungsprogramm bereits die Erarbeitung von „Bestimmungen zum Schutz von Kindern vor Pornographie und Gewalt im Internet“. Als Beispiel wird eine „Opt-in-Regelung“ genannt. Worauf sich das „Opt-in“ genau bezieht, lässt der Text zwar offen, doch egal ob es sich um ein „Opt-in“ oder ein „Opt-out“-Modell handelt, laufen beide auf Netzblockaden hinaus.

Ein Internetfilter bleibt nie allein

In Großbritannien gibt es bereits seit 2017 ein allgemeines Opt-out-System der Zugangsprovider für ihre Kunden. Diese Abmeldemöglichkeit bezieht sich auf die Basisangebote aller Provider. Aufgrund der geänderten Gesetzeslage ist in Großbritannien nämlich ein zensiertes Kinderinternet als Basisangebot aller Provider vorgesehen. Offenbar hat diese Maßnahme nicht den gewünschten Erfolg gebracht, darum tritt Anfang April dort bereits eine weitere Filterregelung für Anbieter nicht jugendfreier Inhalte in Kraft.

Dass ein neues Überwachungspaket direkt bevorsteht, wurde bereits Mitte Februar bekannt.

Was die Pläne der österreichischen Bundesregierung betrifft, so sind die beiden oben zitierten Punkte der erste große Schritt in Richtung einer ѕolchen „britischen Lösung“. Denn damit müssen die österreichischen Provider von Internetzugängen bereits automatisch arbeitende Filtermechanismen in ihre Netze einziehen. Zwar gibt es auch hierzulande Netzsperren, besonderer technischer Set-ups dafür bedarf es derzeit jedoch nicht. Blockiert werden hierzulande nur ein, zwei Dutzend Internetdomains, so gut wie alle verweisen auf Bit-Torrents, die illegalerweise nicht lizensierte Filme anbieten.

Seitensperren

- public domain -

Die Liste der in Österreich im November frisch gesperrten Websites bei T-Mobile Österreich

„Schutzfilter“, Kosten, Nutzen

Die EU-Kommission versucht gegen enormen Widerstand EU-weite Internetfilter gegen Coypright-Verletzungen durchzusetzen.

Bis dato ist „unsere Jugend“ also nur vor einer Handvoll Filmpiraten durch allgemeine „Schutzfilter“ auf Providerebene geschützt, indem ein paar bekannte Domains der Filmpiraten wie Kinox.to in Österreich vom Provider nicht an die Kunden ausgeliefert werden. Wer allerdings nicht auf den Nameserver des jeweiligen österreichischen Zugangsproviders zugreift, sondern einen der vielen freien Nameserver (DNS-Server) auf seinem Rechner einträgt, merkt von der Sperre überhaupt nichts.

Dasselbe gilt für Nutzer, die über einen der unzähligen Proxy-Server oder das Tor-Netzwerk im Netz unterwegs sind. Nun aber sollen alle Jugendlichen in Österreich vor allen nicht jugendfreien Inhalten im gesamten Internet bewahrt werden. Damit lässt sich schon in etwa der Aufwand für ein so umfassendes Filtersystem erahnen, das auf Ebene der Zugangsprovider eingezogen werden muss - samt einem sicheren digitalen Authentifizierungssystem für den Altersnachweis. So ein System gibt es derzeit aber nicht.

Regierungsprogramm

kinox.to

Diese Website ist offiziell in Österreich „gesperrt“. Sie ist aber nicht nur über zahlreiche nicht gesperrte Klonadressen einfach abrufbar, es genügt ein bloßer Wechsel des DNS-Servers in den Einstellungen des eigenen PC oder des Smartphones

Wie es in Großbritannien weitergeht

Die Effizienz dieser Filtersysteme wird gerade vom Gros der politischen Entscheidungsträger maßlos überschätzt.

In Großbritannien, wo man nach Aussagen von Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) „schon viel weiter“ ist, soll heuer ein weiteres, umfassendes Internetfilter- und Kontrollregime in Kraft treten. Diesmal stehen nicht die britischen Internetprovider im Visier der Behörden, sondern sämtliche Anbieter nicht jugendfreier Websites. Sie sind zum Einziehen von Log-in-Formularen mit Alterskontrollen verpflichtet, andernfalls drohen ihnen Sperren. Die Sperrinfrastrukturen sind bereits vorhanden, da die britischen Provider ja bereits verpflichtet sind, standardmäßig nur „jugendfreies“ Internet anzubieten.

„Sexting, Mobbing, Pornographie“

Der dritte Punkt zur „Nutzung der digitalen Medien“ durch Jugendliche in Österreich betrifft „Schutzfilter für Hardware“. Als einzige Erklärung gibt es dazu die einigermaßen rätselhafte Aussage: „Was offline verboten ist, soll auch online verboten sein.“ Dazu sowie zum geplanten Zeithorizont des Gesetzes laufen Anfragen an das Bundeskanzleramt und das Ministerium für Familie und Jugend. Sobald die Antwort vorliegt, erfolgt ein Update dieses Artikels oder - je nach Umfang - auch ein Follow-up.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. können hier verschlüsselt und anonym beim Autor eingeworfen werden. Wer eine Antwort will, sollte eine Kontaktmöglichkeit angeben.

Die übrigen Aktionspunkte sind schnell abgehandelt. Nach den ominösen „Hardware-Schutzfiltern“ kommt „Unterrichtsmaterial für Lehrer zu allgemeinen Internetgefahren“, dazu sind Schulungen von Schülern, Eltern und Lehrern zu „Sexting, Mobbing und Pornographie“ vorgesehen - samt „Good Practice“-Beispielen. Als letzter Punkt wird die Prüfung einer möglichen Digitalisierung der Schulbuchaktion angekündigt. Das ist schon das gesamte digitale Angebot der Koalitionsregierung an Jugendliche.

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