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Blut im Schnee

„Seven Seconds“ handelt von den Spannungsfeldern der amerikanischen Gesellschaft. Eine Show über „Black Lives Matter“ und den systematischen Rassismus der Polizei wie der Rechtsprechung.

Von Dalia Ahmed

Das neue Netflix Crime-Drama ist vor wenigen Tagen ohne viel Promo oder Tam-Tam online gegangen. „Seven Seconds“ heißt die Show und basiert zwar auf dem russischen Thriller „The Major“, übersetzt dessen Handlung aber ins Amerikanische. Statt um reine Polizeikorruption geht es bei „Seven Seconds“ auch noch um die Schieflage des gesamten Prozesses der Rechtsprechung in den USA.

Die Anthology-Serie startet im tiefsten Winter in New Jersey. Eine Stadt so nah an New York dran, dass man in manchen Szenen die Freiheitsstatue hinterm Nebel ausmachen kann. Und doch ist alles trister, düsterer und harscher, als es im Big Apple ist. „Seven Seconds“ lebt vom Grau-Blau des Schnees, den fast schon arthousigen, langen und dröhnenden Einstellungen und Szenen. Hier wird anfangs sehr langsam erzählt. Jeder Charakter ganz genau vorgestellt. Denn die Produzentin und Drehbuchautorin Veena Sud kennt sich mit dem langsam hochköchelnden Krimi im Schnee bestens aus. War sie ja auch schon die Showrunnerin vom amerikanischen „The Killing“-Remake.

Nun inszeniert sie die Geschichte eines afro-amerikanischen Jungen, der vom weißen Cop - auf dem Weg zu seiner schwangeren Freundin im Krankenhaus - überfahren wird. Und dann - tot-geglaubt - mitten im Nirgendwo liegengelassen wird, weil der Polizist und seine herbeigerufenen Kollegen Angst vor den Konsequenzen haben. Denn wie schaut das aus, wenn ein weißer Polizist einen 15-jährigen, schwarzen Jungen überfährt?

Komischerweise halten die Polizisten, die sich in ein Netz der Verschwörung, Korruption und Vertuschung verstricken, nie kurz inne und bedenken, dass die Polizist/innen, die bei den Toden von beispielsweise Philando Castille, Sylville Smith oder Freddie Gray involviert waren, alle freigesprochen wurden. Aber „Seven Seconds“ scheint sich auch stets auf das größere Ganze zu berufen. Details und Handlung dienen als Mittel zum Zweck, also die Verfehlungen eines ungerechten Justiz- und Polizeiapparats aufzuzeigen.

Auf der anderen Seite der Handlung steht zum einen die ur-christliche Mittelschichtsfamilie des überfahrenen Jungen. Regina King (u.a. auch bei „American Crime“) spielt die anfangs tief erschütterte und später resolute Matriachin, die um Gerechtigkeit für ihren Sohn kämpft. Ebenfalls für die Sache des überfahrenen Buben steht ein fast schon klischeehaftes unusual duo ein. Die schwarze Staatsanwältin KJ Harper, die ihren Frust über das Rechtssystem mit Alkohol und Karaoke betäubt, und der kauzige Polizist, Joe „Fish“ Rinaldi, der als Neuzugang am Revier nicht Teil der verschworenen Polizistengruppe ist und mit einer fast schon masochistischen Freude seinen Kollegen ständig Kontra gibt.

So erzählt „Seven Seconds“ im grauen Schneesturm gefangen vom Kampf einiger weniger gegen die Korruption und den Rassismus eines übermächtigen Apparats. Die Serie wandelt sich im Lauf nur einer Staffel vom Drama zum packenden Gerichtssaal-Thriller und legt das Spannungsverhältnis zwischen großen Teilen der US-Bevölkerung und ihrer Exekutive und Judikative frei.

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