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Elevate Festival

elevate festival

Rave im Anorak

Alles, was man über DJ Koze immer hört, ist wahr. Die Party endet nie beim Elevate Festival, dazu gibt es markerschütternde Klangkunst und diesmal vermehrt auch was für’s Auge.

Von David Pfister & Katharina Seidler

Es ist ein kräftezehrendes Wochenende in Graz, fünf Tage und Nächte voll politischer Bewusstseinsbildung, aufwühlender Klangkunst, energetischer Party, und neuerdings soll man auch noch nachmittags raven gehen. Aber es hilft ja nichts, DJ Koze kommt, mit einiger Verspätung zwar durch die omnipräsente Kälte, die das Elevate Festival durch ausgefallene Flüge mehr als einen Artist aus dem Lineup kostet, aber er ist da, steht am frühen Samstagabend vor einem riesigen Jesuskreuz auf einer Bühne und klatscht in die Hände.

dj koze

Elevate Festival

Kozikoz

Alles, was man über DJ Koze immer hört, ist wahr. Er ist ebenso ein DJ für Menschen, die eigentlich keine Clubmusik mögen, wie ein Spezialist unter Top-Auskennern, ein Weltengänger zwischen Pop und Party, vor allem aber ist er ein Liebender. Diese Liebe durchzieht in seinen Sets jeden einzelnen Track, als herzerwärmende Melodie und fluffige Harmonie. Hinzu kommt seine technische Versiertheit am Mixer, das wissende und augenzwinkernde Spiel mit Effekten, die jede Nummer zum Koze-Track machen. So passt seine eigene aktuelle Produktion „Nein König Nein“ nahtlos zu Zebra Katz’ minimalistischem Rap-Klassiker „Ima read“, es gibt Platz für subtil gewebte Popsongs und laute Technobretter.

Und dennoch: Die überschäumenden Glücksgefühle im Raum machen die entsetzliche Lücke umso spürbarer. Einer fehlt. Er sollte mit seiner Stofftasche vor der Bühne stehen und grinsen, denn das würde er ganz bestimmt.

Fennesz

Elevate Festival

Fennesz

Während das Orpheum als nunmehr reguläre Spielstätte des diesjährigen Elevate am Samstag den ganz großen Techno-Glückgefühlen gewidmet war, wurde dort am Freitag eine völlig andere musikalische Welt aufgemacht, an einem stimmig kuratierten Abend im Zeichen der experimentellen Noise- und Ambient-Musik. Diese Genres spielen das ganze Festival über eine wichtige Rolle, aber mit MusikerInnen wie Mia Zabelka, Fennesz oder Ben Frost waren in dieser Nacht ein paar absolute Koryphäen der Szene an einem Ort versammelt.

Ben Frost

Elevate Festival

Ben Frost

Schnell kann Klangmalerei langweilig werden, aber geht man mit Geräusch oder gar Lärm so souverän und wissend um wie der Österreicher Fennesz, entsteht große Tonkunst, die grandios zu unterhalten vermag. Besonders schön war der Abend im Orpheum, weil alle MusikerInnen von Visual-Artists wie Lilevan oder Onoxo unterstützt wurden, die exklusiv für die Shows Bild- und Video-Konzepte erarbeiteten. So wurde vor allem der Auftritt des australischen Musikers Ben Frost eine atemberaubende Angelegenheit. Seine Musik aus Punk- und Metal-Ahnungen, klassischem Minimalismus und sterbenden Elektro-Geräten und Visuals aus glitzernden 3D-Wolken war überwältigend, nahezu metaphysisch.

Ben Frost

Elevate Festival

Ben Frost

Für musikalische Projekte, in denen die Klangforschung eine große Rolle spielt, überlegt sich das Elevate auch immer besondere Austragungsorte. Das war am zweiten Elevate-Tag das Mausoleum gleich neben dem Grazer Dom und am Samstag der sogenannte Dungeon in der Uhrturmkasematte, ein beeindruckender Raum aus Felsen im Schlossberg. Headliner dort war die britische Avantgarde-Band Nurse With Wound, die seit dem Jahr 1978 aktiv ist. Deren Live-Set bildete dann auch gleich die komplette musikalische Evolution der Musikgruppe ab. Verstörender White Noise und Industrial, waldschratiger Krautrock und Ahnungen von elektronischer Rhythmik. Das Wechselspiel von Architektur und Musik evozierte eine melancholische Verlassenheit. Ein symbolhafter Auftritt der Band.

nurse with wound

Elevate Festival

Nurse with wound

Auf den anderen Floors, dem Dom im Berg und dem Tunnel, wurde inzwischen munter weitergetanzt. Wir werden niemals alt, nein wir bleiben so für immer. Das Grazer Publikum beweist bei diesem Elevate einmal mehr beeindruckendes Durchhaltevermögen und Bereitschaft zum guten Auszucken. Symptomatisch für die vielen, vielen DJ-Sets von hart bis ausgeflippt, die an diesem Wochenende im Bauch des Schlossberg gespielt und betanzt wurden, sei hier der Auftritt der Amerikanerin Emma Olson alias Umfang genannt.

Gemeinsam mit Frankie Hutchinson und Christine McCharen-Tran hat sie in New York das Kollektiv Discwoman gegründet, eine Plattform und Booking Agentur zur Förderung von Frauen und als nicht-männlich definierten Künstlerinnen, in etwa das US-amerikanische Gegenstück zu female:pressure. Durch ihre zahlreichen DJ-Bookings ist Umfang seit einiger Zeit vor allem als eine Art „Brand-Ambassador“ von Discwoman unterwegs, die den reduzierten Techno etwa ihres sehr guten Albums „Symbolic Use of light“ mit Mut zur Lücke und dem abseitigen Beat verbindet. Ihr Set im Elevate-Tunnel ist überraschend hart und acidlastig; das Publikum verwandelt die Luft in dicken Nebel, in dem die Zeit stillsteht. Wie bei so vielen Acts im Lineup des Elevate gehen bei Umfang Euphorie und gesellschaftspolitisches Bewusstsein Hand in Hand.

cakes da killa

Elevate Festival

Cakes da Killa auf der FM4 Stage im Dom im Berg

Seinen Abschluss findet das Elevate am Sonntag mit einem symptomatischen Programm im Orpheum, welches dann auch gleich das gesamte musikalische Konzept des Festivals abbildet. Musikalische Unterhaltung und Impulse von Abstrakt bis Pop. Der amerikanische Drummer und Musiker Greg Fox, der mit der Indie Metal-Band Liturgy berühmt wurde, bereist musikalische Post-Jazz-Core-Spielräume, die heimische Noise-Rock-Dekonstrukteurin Ana Threat tritt auf, und als finaler Headliner der Finne Jimi Tenor.

Der House-Pop-Star Jimi Tenor springt für den kurzfristig verhinderten John Maus ein. Obgleich die Absage von John Maus für das Elevate und sein Publikum ein kleine Watsche darstellte, wurde mit festival-erprobten Jimi Tenor ein passender Ersatz gefunden. Er setzt den am Freitag auf der FM4 Stage im Dom im Berg mit einem Line-Up voller lebenshungriger HipHop-Acts begonnenen Party-Hedonismus mit aller Gewalt fort und führt das Elevate zu einem gut gelaunten Ende.

Publikum im Elevate Tunnel

Elevate Festival / Johanna Lamprecht

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