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5-Sterne-Bewegung

Andreas SOLARO / AFP

„Ohne die 5-Sterne-Bewegung geht nichts mehr“

Das Selfie eines Landes mit Bauchschmerzen, so beschreibt heute die italienische Presse den Ausgang der gestrigen Parlamentswahlen in Italien. Der Stiefel ist nach rechts gestolpert.

Von Anna Masoner

Falsch gedruckte Wahlzettel, lange Schlangen, und eine Femen-Aktivistin, die Berlusconi ihren nackten Oberkörper entgegenhält: es gab einiges an Pannen und Zwischenfällen gestern in den Wahllokalen. Aber seit den ersten Hochrechnungen gibt es zwei klare Gewinner: Luigi die Maio und Matteo Salvini.

Die Anti-Establishment-Partei 5-Sterne ist unter dem 31-jährigen Luigi di Maio mit derzeit 32 Prozent stärkste Einzelpartei. Matteo Salvini wiederum ist Spitzenkandidat der europaskeptischen und fremdenfeindlichen Lega. Sie hat einen enormen Sprung von 4 auf 18 Prozent geschafft und damit den Bündnispartner, „Forza Italia“ und Silvio Berlusconi rechts überholt. Den Cavaliere dürfte das kränken, seine wundersame Rückkehr mit 81 Jahren ist dadurch Geschichte. Auch die dritten im Bündnis, die Neofaschisten von „Fratelli d´Italia“ sind über ihre 4 Prozent enttäuscht.

Ein noch größerer Verlierer ist Matteo Renzi vom Partito Democratico. Gerüchten nach will er am Abend zurücktreten. Das große Problem aber: es gibt wie befürchtet keinen eindeutigen Sieger. Deswegen wird derzeit auch eifrig spekuliert, wer mit wem koalieren könnte. Bis es eine Regierung geben wird, dürften noch Wochen und Monate verstreichen. Eines ist sicher: am einstigen Außenseiter, den 5-Sternen kommt niemand vorbei, das sagt auch Christian Blasberg, der die Wahlen analysiert hat:

Der Zeithistoriker und Politikwissenschaftler Christian Blasberg von der Universität LUISS Guido Carli in Rom, hat die Wahl die ganze Nacht analysiert.

Anna Masoner: Die Meinungsforscher haben sich bei diese Wahl ja nicht blamiert, Sie haben das Ergebnis schon recht gut prognostiziert. Waren Sie dennoch überrascht?

Christian Blasberg: Es kam doch einiges unerwartet, das betrifft vor allem das Abschneiden der Lega. Man hat ja eigentlich die Partei von Silvio Berlusconi, „Forza Italia“, vor der Lega gesehen. Aber es kam völlig anders, das heißt die Gewichte innerhalb dieses Bündnisses sind eindeutig zu Gunsten von Matteo Salvini verschoben worden.

Bleiben wir noch bei der 5- Sterne Bewegung. Die ist 2009 ja eindeutig als Protest- Partei gegründet und 2013 ins Parlament gewählt worden. Stimmt das Label Protestpartei denn heute immer noch?

Ja, sicher. Die Partei hat mittlerweile einige Jahre politische Erfahrung sammeln können. Sie haben eine Legislaturperiode im Parlament verbracht und gelernt, wie es da funktioniert. Auf der anderen Seite haben sie noch viel ihres Protestpotentials erhalten, vor allem in der anderen Art Politik zu machen und sich in ihr von einem ethisch-moralischen Standpunkt aus zu bewegen. Wenn jetzt diese Bewegung, wie sie sagt, regieren will, dann muss sie Koalitionen eingehen. Diese Totalisolation, die sie bisher gefahren ist, sich mit gar einer anderen Partei einzulassen, kann sie jetzt nicht mehr durchhalten

5-Sterne-Bewegung

Andreas SOLARO / AFP

5-Sterne Parteigründer Beppe Grillo und der Spitzenkandidat Luigi di Maio

Wen haben die Jungen gewählt, die diesmal vor der Wahl angeblich besonders unentschieden waren. Haben die sich in der Wahlkabine für die 5-Sterne entschieden?

Sie haben von den jungen Wählern sicherlich sehr profitiert, wobei uns da genaue Zahlen fehlen. Man weiß, dass die Jugendarbeitslosigkeit extrem hoch ist, besonders in Süditalien, wo unter den 18 bis 25-Jährigen bis zu 70 Prozent Arbeitslosigkeit herrscht. Die stehen praktisch alle auf der Straße. In diesen Regionen hat die 5-Sterne Bewegung einen riesigen Erfolg erzielt.

Im Vorfeld war ja schon viel die Rede vom schon fast typisch italienischen Chaos und davon, dass Italien nach der Wahl in einer Pattsituation unregierbar feststeckt. Wie stehen derzeit die Chancen auf die langersehnte Stabilität?

Italien hat sicher eine Tradition an Unregierbarkeit und politischer Instabilität. Man hat das nahezu bei jeder Wahl gesehen, dass es oftmals keine klaren Mehrheiten gab. Die jetzige Situation ist sicherlich besonders kompliziert, da wir drei relativ in sich geschlossene Blöcke haben, die alle drei keine Mehrheit haben. Alle Parteien müssen jetzt über ihren Schatten springen und nach möglichen Koalitionspartnern suchen.

Was sind mögliche Szenarien?

Einerseits könnten sich die 5-Sterne mit der Lega zusammenschließen, aber es gibt noch andere Optionen. Um die 5-Sterne Bewegung kommt auf jeden Fall keine Option herum. Es könnte auch sein, dass die 5-Sterne Bewegung auf den Partito Democratico zugeht. Das ist allerdings ein schwerer Schritt, denn gerade der PD war der Hauptfeind und Dämon für die Bewegung. Vom ideologischen Standpunkt her wäre es aber eine durchaus logische Variante, denn die 5-Sterne Bewegung hat eine kulturell eher linksgerichtete Basis. Wenn man persönliche Animositäten beiseitelassen würde, könnte man sich vielleicht zusammenfinden. Das wird leichter, wenn Matteo Renzi wie angekündigt wirklich zurücktritt. Dann wäre seine politische Karriere mit 43 Jahren beendet. Mit einem PD ohne Renzi und seine Leute würden sich die 5-Sterne sicher leichter tun

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