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Kreisky

Ingo Pertramer

Artist of the Week

Privat muss man sich Kreisky als glückliche Menschen vorstellen

Kreisky - diese Woche FM4 Artists of the Week - sind auf ihrem neuen, 5. Album „Blitz“ weniger schlecht gelaunt. Die kritische Haltung ist allerdings geblieben.

Von Daniela Derntl

Gesättigt, distinguiert, und trotzdem nicht glücklich. Der moderne Mensch hat scheinbar alles, dennoch macht sich ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Unsicherheit breit. Man passt nicht mehr rein oder wird unpässlich gemacht. Deshalb muss man raus. Man trennt sich. Verändert sich. Sucht das Weite und wahre Werte. Denn das Gefühl der Treulosigkeit, die weit über Paarbeziehungen hinausgeht, ist laut Sänger Franz Adrian Wenzel das Hauptmotiv auf dem fünften Kreisky Album „Blitz“.

„Blitz“ von Kreisky erscheint am 16. März auf Wohnzimmer Records.

Schon der erste Song torpediert in grellen Farben eine Beziehung, in der offenbar die Leistung zählt. Sie ist beim „Bauch, Bein, Po“, während er, pragmatisch und gefühlskalt, das Home Office ausräumt. Auch in Song Nummer Zwei, „Veteranen der vertanen Chance“ spielen Leistung, Gewinn und Erfolg, beziehungsweise das Scheitern daran, eine Rolle. Die Selbsthilfegruppe der anonymen Loser und der in die Erstarrung gehetzten Fomo-Zombies quält die eigene Unfähigkeit in der kalten New-Wave/Post-Punk-Traurigkeit der Achtziger Jahre. The Cure lassen grüßen. Das Leben, ein permanenter Hürdenlauf, misslingt. Doch auch wenn man den Anforderungen genügen sollte, gibt es noch lange keine Garantie auf Anerkennung und Solidarität. Das zeigt sich in „Ein braves Pferd“, dem schwer rockigen Hit des Albums. Trotz Selbstaufgabe und Pflichterfüllung ist Undank hier der Welten Lohn.

Auch der vierte Song geht gerade nach vorne. In „Ein Depp des 20. Jahrhunderts“ verliert der besagte Depp den Anschluss an die Gegenwart. Er kann und will nicht mehr. Europa und die mühsam aufgebaute CD-Sammlung sind nichts mehr wert. Der Lärm, die Mädchen und das Fernsehen, alles weg. Wer hätte gedacht, dass im 21. Jahrhundert der Lederhosenverweigerer zum Modernisierungsverlierer wird? Und dass man Geld doch essen kann? Da kann man schon einmal nostalgisch werden.

Müde von diesem Paradox suchen Kreisky in „Ich löse mich auf“ Zuflucht in der Steiermark. Die Ruhe der ländlichen Einsamkeit spiegelt sich auch in der Musik wieder. Man träumt sich weg zu entschleunigtem, melancholischem Folk und will keine Menschenseele - außer vielleicht den Briefträger - mehr sehen. Doch es ist unmöglich, man ist umstellt. Nach diesem musikalischen Einkehrschwung bleiben Kreisky in ländlichen Gefilden. In „Saalbach Hinterglemm“ geht es um eine Gasthof-Familie einer Tourismusregion. In der bringt man der patriarchalen Hierarchie und dem Geschäft gehorsam seine Opfer und bedankt sich dafür auch noch - überspitzt duckmäuserisch und autoritätsgläubig:

Ich danke dem Herrn Vater für die Belehrung
Ich danke dem Herrn Vater für die Korrektur
Ich danke dem Herrn Vater für vier Wochen ohne Fernsehen
Ich danke dem Herrn Vater für das Geld

Kreisky

Kreisky

In „Mon General“ geilt sich Franz Adrian Wenzel als bildungsbürgerlicher Distinktions-Spießer an seinem Hipster-Lifestyle auf. Das klingt genauso nervig und affektiert wie der Zeitgenosse, um den es geht. Und die Band quittiert den Abspritz-Ekel mit ungelenken, nervösen Zuckungen im Sinne der Goldenen Zitronen.

Eine Beziehungskiste beschreibt „Autokauf ist Männersache“, in der ein Mann auf Kosten seiner Frau am traditionellen Rollenverständnis festhält, und dann, in der Sicherheit der eigenen vier Wände, reumütig zu Kreuze kriecht.

Von einem anderen, problematischen Verhältnis, erzählt „Oh nein, die verleiben sich“. Aufgekratzt verzweifelt Wenzel darin am Elend der Friendzone.

Das Stük „Sudoku“ entlässt die ZuhörerInnen programmatisch mit einem Abschied. Kreisky verlassen das sinkende Schiff und sortieren aus, wen sie auf ihre Reise mitnehmen und wen nicht, während langsam, aber sicher der Sturm aufzieht.
Der Titel „Sudoku“ ist dabei nur auf den ersten Blick irreführend, wie Franz Adrian Wenzel erklärt: „Unser Tontechniker hat während der Aufnahme Sudoku gespielt und das war dann der Arbeitstitel. Ich habe dann noch andere Titel vorgeschlagen, aber die Bandkollegen haben dann auch schon an Sudoku festgehalten. Und dann dachte ich mir, es passt eigentlich gar nicht so schlecht. Weil in dem Text geht es ja auch um ein Auswahlverfahren. Kann man sich vorstellen wie eine Arche Noah. Ein Aussondern von Menschen. ‚Der passt uns, der passt uns nicht‘ - ganz global gehalten. Und da passt das Bild vom Sudoku gar nicht so schlecht. Da passt auch immer nur eine Zahl wo hinein.“

Fazit: 10 Kurzgeschichten unserer Zeit

Kreisky schneiden mit einem Skalpell zehn Shortstorys aus unserer Gegenwart. Das Vorhaben der Band, ein kürzeres, schnelleres und kompakteres Album als den Vorgänger „Blick auf die Alpen“ aufzunehmen, ist geglückt.

Möglich machte das auch das veränderte Aufnahme-Setting. Sie haben sich für „Blitz“ – nomen es omen – weniger Zeit gelassen, wie Schlagzeuger Klaus Mitter erzählt: „Im Jahr 2016 waren wir in den Semesterferien fünf Tage im Studio, und ein halbes Jahr später dann im Sommer noch einmal eine Woche. In der Zeit haben wir einen Song geschrieben, einen First-Take gelegt und dann am nächsten Song weitergearbeitet. Und danach haben wir den ganzen Pulk an Songs aufgenommen. Das war wirklich nur so ein-, zweimal darüber schlafen und wenn es dann noch dem standgehalten hat, was wir wollten, nämlich das Frische und Unverbaute einzufangen, dann stand der Song. Wir wollten ihn nicht so überfrachten. Es war sehr auf den Punkt.“

Neue Besetzung: Statt Gregor Tischberger spielt jetzt Wohnzimmer-Records-Labelchef Lelo Brossmann (Destroyed Not Defeated, The Clashinistas) am Bass.

Von der permanenten Wut, die frühere Kreisky Alben zementierte, ist nur noch eine zappelige Anspannung und die gewohnt kritische Haltung geblieben. Kreisky sind weniger schlecht gelaunt und klingen über weite Strecken zugänglicher, aufgeräumter und poppiger. Und unter uns: Privat muss man sich Kreisky als glückliche Menschen vorstellen.

Kreisky live

12.4. PPC Graz
13.4. PMK Innbruck
14.4. Stadtwerkstatt Linz
19.4. WUK Wien

am 15.3. sind Kreisky live zu Besuch im FM4 Studio

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