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Lomboy

Yayuki

Spacepop Odyssee

Die Wiener Musikerin Tanja Frinta bezeichnet sich selbst als „musikalische Nomadin“. Ihre zweite EP als Lomboy ist in Brüssel, Paris und Tokio entstanden.

Von Lisa Schneider

Schummrig muss der Raum sein, in dem die Musik spielt. Ein Knuspern im Mikro, bevor das instrumentale Arrangement zum Song „Alien Lady“ einsetzt, schwere Tasten, schwere Drums. Der Openingtrack der neuen EP von Lomboy lebt von Nostalgie, vom Zurückdenken und –springen in Momente, die viel Herz und dessen Leid mit sich gebracht haben. Nostalgisch nicht nur auf privater, sondern auch auf musikalischer Ebene: Dass sich Tanja Frinta viel mit der Soundästhetik der 80er Jahre befasst hat, dient ganz der Sache.

Lomboy, das ist die Wiener Musikerin Tanja Frinta - vormals in Bands wie Lonely Drifter Karen (auch da schon multinational mit zwei französischen und einem spanischen Bandkollegen) oder Holly May tätig. Als Lomboy hat sie 2017 ihre erste EP „South Pacific“ veröffentlicht.

In der Musik zuhause

Wobei der Begriff „Wiener Musikerin“ bei Tanja Frinta genauso schwierig auszusprechen, wie ihr aktueller Standort auszumachen ist. Als wir uns telefonisch über die aktuelle EP „Warped Caress“ unterhalten, befindet sie sich gerade in Warschau. Dort dreht sie mit Regisseur Mateusz Bialecki ihr neues Video, das in Kürze erscheint. Der russische Regisseur, der auch schon für die vorige visuelle Singleumsetzung zu „Loverboy“ verantwortlich war. Das Video zeigt eine romantisch-verträumte Reise, zurückgezogen in die Zeiten der guten alten VHS, DIY-Charme gepaart mit chinesischen Samples, Seide, Rauch, und pinkem Lippenstift. Eine musikalische Selbstneuerfindung, im Spagat zwischen sinnlichen Klischees und deren Neuinterpretation.

Vom Videodreh in Warschau geht es aber schon bald wieder weiter nach Paris, dem zweiten, dritten, vierten Zuhause von Tanja Frinta. Auf die Frage hin, wo sie sich selbst heimisch fühlt, lacht sie kurz und überlegt. Wirkliche Antwort gibt es keine.

Brüssel - Paris - Tokio - Warschau

Seit einigen Jahren lebt die österreichische Musikerin in Brüssel. „Viele Pariser MusikerInnen leben in Belgien und gehen dann auch wieder nach Paris zurück“ - genauso verhält es sich mit ihrer Liveband. Um den Kontakt mit ihrer Band sowie mit ihrem Pariser Label Cracki Records nicht zu verlieren, pendelt Tanja Frinta seither zwischen Brüssel und Paris.

EP Cover Lomboy "Warped Caress"

Cracki Records

„Warped Caress“ ist die zweite EP von Lomboy und erscheint auf dem Pariser Label Cracki Records.

In Österreich erscheint sie via Seayou Records.

Ihr „nomadischer Lebenswandel“, wie sie ihn selbst bezeichnet, hat sie aber auch aus Europa hinausgeführt. Bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in Tokio ist ihre neue EP entstanden. „In Tokio hat mich nicht nur die Popszene fasziniert und inspiriert, sondern vor allem, dass so viele soziale Regeln, an denen wir festhalten, auf den Kopf gestellt werden. Kein anderer Platz auf der Welt hat mich bisher so erstaunt, er macht etwas mit mir, er lässt mich Fragen stellen.“

Fragen auch nach der Neuinterpretation ihrer Musik: In Tokio arbeitet Tanja Frinta mit der lokalen Band Lamb zusammen. Es ist auch der Wunsch nach einem Stilbruch in der eigenen Musik, der sich allein dadurch ergibt, Songs mit einer Band aus einem komplett anderen Kulturkreis aufzunehmen. Es ist zwar nicht herauszuhören, welcher Part in welchem Land eingespielt wurde; aber das Ausprobieren verschiedener Stile in unterschiedlichen Ländern hat ihre Herangehensweise ans Musikmachen selbst verändert.

Musik ohne Kompromisse

„Es war bewusst die Einsamkeit, die ich gesucht habe“, erzählt sie. Ironischerweise hat sie diese im Trubel Tokios gefunden. Mehr noch als auf der ersten EP, die sie großteils mit einem zweiten Musiker aufgenommen hat, hat sie jetzt allein gearbeitet. „Das war ein wichtiger Schritt, vor allem, weil ich immer in Bands gespielt habe. Kunst ist eine subjektive Sache, es geht um den persönlichen Geschmack, es gibt deshalb kein Richtig oder Falsch, nur die Frage, ob es für einen selbst richtig oder falsch ist.“

War die Songskizze am Laptop erst einmal fertig, hat Tanja Frinta mit anderen MusikerInnen zusammengearbeitet, auch in der Postproduktion oder wie erwähnt beim Video. „Lomboy verstehe ich als mein Soloprojekt, aber ich bin auch der Ansicht, dass man ein Projekt nach außen öffnen muss, wenn es wachsen soll, das heißt andere Leute mit hineinzuholen - ohne die Kontrolle abzugeben.“

Das Arbeiten im Alleingang passiert bei Tanja Frinta hauptsächlich am Laptop, die analogen Töne auf „Warped Caress“ mutieren zu verzerrten Schablonenschichten aus eigener Stimme, Loungeatmosphäre, Schlafzimmerpop und einem leichten Kribbeln, das über die Haut läuft. Was ist Musik, fragt sich Tanja Frinta, in Zeiten von Samples? Auch die neuen Songs von Tanja Frinta basieren zu größten Teilen auf Samples, aus ihrer Umgebung, aus Musik, aus Filmen gegriffen.

Lomboy

Yayuki

Gern will man auch - vor allem bei der aktuellen Single „Loverboy“ - an Bands wie Japanese Breakfast, Beach House oder Khruangbin denken, die alle diese süße und doch abgründige Melancholie hochleben lassen. Es klingt weich, zum Synthie-Spacepop verwaschen, träge tröpfelnd, Töne für die ganz späte oder die ganz frühe Stunde. Es ist schon alles passiert, genießen wir den Morgen.

Mach’ dir nichts draus

Dieser spielerischer Tonfall durchzieht vor allem auch die Texte; das Bemühen, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, auch, wenn die Bestätigung von außen ganz gut täte. Loverboy, don’t play it cool / you should have known / how I want you. Subtil fließen die Erfahrungen des sich Beweisens, aber auch die der Freiheit als Solokünstlerin mit ein.

Um die Weichheit im Klang der elektronisch aufgenommenen Songs zu erhalten, gilt es den oft besprochenen Gegensatz auszumerzen: digital gegen analog, robotisch gegen menschlich, kalt gegen warm . Es ist genau die Diskrepanz, die Tanja Frinta auch im EP-Titel beschreibt: „warped“ ist ein technischer Begriff aus dem Bereich des Musikproduzierens; verdreht, vertrackt, steif, so wie die Umarmung der Frau am Cover. „Caress“ hingegen ist die liebevolle Geste, die Zärtlichkeit, sanft, ruhig.

Am schönsten verwischt ist der Gegensatz beim Song „Love Ain’t Got The Groove“, in dem es um die eigene Liebe geht, oft zerbrechlich und noch öfter zu schnell verschenkt. Die in verschiedene Höhen- und Tiefenausreißer verzogene Stimme geht mit der Funkgitarre zusammen, eingebettet in ein ganz eigenes, gutgelauntes Setting, das einmal mehr hinwegtröstet über die Beziehung, die nicht geklappt hat. Glocken- und Flötenspiel, honigweich.

Ähnlich klingt „Worth To You“, die Stimme ist ins Maskuline verfremdet, und mehr gehaucht als gesungen geht um alles: I wanna feel worth to you / don’t leave me hanging with my doubts.

Live wird Lomboy bald in einigen europäischen Städten, darunter womöglich auch einigen österreichischen, zu sehen sein. Mit welcher Band? Aus welchem Land? Es bleibt spannend.

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