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Fake News durchgestrichen

CC0 Public Domain

Erich Möchel

„Fake News“ - Richtlinie kommt aus guten Gründen nicht

Eine Eurobarometer-Umfrage der EU-Kommission zeigt, dass Radio, TV, dann Print an Glaubwürdigkeit weit vor Sozialen Netzen voranliegen. Das „Fake News“-Problem betrifft in erster Linie rund 25 Prozent der Nutzer, auffällig viele sind unter zwanzig.

Von Erich Möchel

Am Montag hat die EU-Kommission gleich zwei von der Medienbranche erwartete Berichte veröffentlicht. Das erste sind die Empfehlungen der „hochrangigen Expertengruppe zu Fake News und Desinformation“, die sind so ausgefallen, dass die Kommission versicherte, es werde dazu keine Richtlinie geben. Der Begriff „Fake News“ wurde im Gutachten der Experten nämlich in der Luft zerrissen.

Dazu kam eine Eurobarometer-Umfrage der Kommission zum Medienvertrauen in Europa heraus, in der Radio und TV als glaubwürdige Quellen weit voranliegen, danach folgt Print, ganz am Ende stehen Soziale Netzwerke. Immerhin ein Viertel der 26.500 Befragten gab an, bevorzugt solchen Nachrichten zu vertrauen. Insgesamt sind die Ergebnisse deutlich vom Bild allgegenwärtiger „Fake News“ und überforderter Benutzer entfernt, das gern gezeichnet wird.

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EU Kommission

Die Blautöne zeigen den Vertrauensgrad, Rot ist die Skepsis, grau ist „nicht beurteilbar“ bzw. „Abstinenz.“ Der erste Platz für Radio mit 70 Prozent hat natürlich sehr viel mit der allgemeinen Mobilität der heutigen Gesellschaften zu tun. Die einzelnen Punkte der Eurobarometer-Umfrage

Erkennungsraten von Falschnachrichten

Die Aufarbeitung der russischen Desinformationskampagne während des US-Wahlkampfs und die späte Reaktion der USA

Immerhin 71 Prozent der Befragten insgesamt trauten sich zu, Falschnachrichten mit einiger Sicherheit zu erkennen, nur die Befragten unter 15 Jahren haben ein Problem. Hier sind sich nur gut die Hälfte einigermaßen sicher, dass sie nicht in „Fake News“-Fallen tappen. In der nächsten Altersgruppe bis zu 19 gleichen sich die Zahlen dem Durchschnitt im EU-weiten Sample jedoch bereits langsam an.

Dazu kommt, dass sich gerade diese jungen Mediennutzer eben häufiger im Netz informieren, als die ältere Generation. Und: die Jungen tendieren auch deutlich häufiger dazu, die Berichte von Online-Medien zu vergleichen. Die Erkennungsrate von Falschnachrichten steigt parallel zum Alter an. Neben diesem nicht eben alarmierenden Schnitt bleiben freilich etwa 25 Prozent der Medienkonsumenten übrig, die hartnäckige Schwierigkeiten damit haben, echte von falschen Nachrichten zu unterscheiden.

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EU Kommission

Die Führungsrolle von Radio aber auch TV hat sehr viel mit den Öffentlich-Rechtlichen zu tun. Österreich liegt im europäischen Ranking (Radio) im ersten Drittel, das nur aus Staaten mit einem starken Öffentlich-Rechtlichen System besteht. Ungarn mit seinem Staatsfunk ist übrigens abgeschlagenes Schlusslicht bei der Glaubwürdigkeit.

Problematische 25 Prozent

Im Jänner hatte sich bereits abgezeichnet, wieviele Verfahren im Lauf des Jahres auf Facebook & Co zukommen werden.

Ein harter Kern von bis zu zehn Prozent findet überhaupt nichts und niemand vertrauenswürdig. Diese beiden Gruppen sind das Hauptproblem, das nun seit Jahren als „Fake News“ durch alle Medienberichte geistert. Umgerechnet sind das quer durch die EU nämlich zig Millionen Medienkonsumenten, die sowohl die bevorzugten Ziele von Desinformationskampagnen, wie auch deren - nicht ganz freiwillige - Verbreiter sind. Auch wenn die Politik und die Betreiber Sozialer Netzwerke noch immer von technischen Lösung für dieses Problem fabulieren, Algorithmen, die Falschinformationen auch nur einigermaßen von echten Nachrichten unterscheiden können, gibt es nicht.

Algorithmen sind aus der Wirklichkeit abgeleitete Rechenregeln, die von Menschen geschrieben werden. Wenn aber dieselben Menschen schon Probleme damit haben, Schwindel, Falschnachrichten, oder gut gemachte Propaganda als solche zu identifizieren, wie sollten dann verlässliche Regeln abgeleitet werden können? Ganz ähnliches gilt für gesetzesgeberische Maßnahmen, darauf weisen auch die 39 Experten der „High Level Group on Disinformation“ hin.

„Hauptproblem nicht erfasst“

Mit gesetzgeberischen Maßnahmen gegen „Fake News“ wären gerade die derzeitigen Hauptprobleme nicht erfasst, nämlich „Diffamierung, Verhetzung, Aufrufe zur Gewalt“. Diese Straftatbestände gibt es zwar in jedem EU-Land, die Crux dabei ist nur, dass Facebook oder Youtube mit der Überprüfung der einschlägigen Beschwerden überhaupt nicht nachkommen. Zum einen liegt das an der schieren Größe beider Kommunikationsmaschinen mit ihrer milliardenstarken Nutzerschar. Zum andern liegt es an ihrer Fähigkeit zur Skalierung, denn dafür wurden sie gebaut.

EU Kommissarin  Mariya Gabriel

APA/AFP/EMMANUEL DUNAND

Die Kommissarin für den digitalen Binnenmarkt Mariya Gabriel hat sowohl das Expertengutachten wie auch die Eurobarometer-Umfrage in Auftrag gegeben

Wie die Facebook-Algorithmen ticken

Facebook und Co sollen wie Telekoms zum Einbau von Schnittstellen für polizeiliche Überwachung verpflichtet werden. Der ankündigte EU-Richtlinienentwurf lässt noch auf sich warten.

Die vielbeschworenen Algorithmen der Internetgiganten sind auf ein alleiniges Ziel hin optimiert, nämlich skalierendes Wachstum, alle angebotenen Funktionen stehen in diesem Dienst. An den Empfehlungsmechanismen ist das recht klar abzusehen. Die vergleichsweise lächerlich billigen Inseratenkampagnen bringen viel mehr Reichweite, als in jedem anderen Medium. Den Algorithmen ist es dabei egal, ob eine Werbenachricht einer nordafrikanischen Greißlerei zu mehr Umsätzen verhelfen soll, oder ob eine raffiniert gestrickte Propagandabotschaft einer ausländischen Macht auf hohe Reichweite und zielgruppengenau verrstärkt wird.

Springen dann diese anvisierten Gruppen auf die Botschaft an, dann kann die Reichweite einer solchen Kampagne durch die Decke gehen. Alle Marketingkampagnen in Sozialen Netzwerken arbeiten mit solchen Mitteln, das Schlagwort dafür heißt „Influencer“ also „Beeinflusser“. Genau das aber wird Russland wörtlich vorgeworfen, nämlich Einflussnahme auf die Präsidentschaftwahlen in den USA

Die Vorschläge der Expertenrunde

Auch sonst lehnen die Experten den Begriff „Fake News“ rundweg ab, nicht zuletzt weil er von der Politik mittlerweile beliebig verwendet werde. Ihre Empfehlungen laufen auf das Offensichtliche hinaus. Oberster Punkt dabei ist die Transparenz von Nachrichtenwebsites in Bezug auf Eigentümer, Funktionen und Datenverarbeitung. Dann kommen nur noch medienpädagogische Empfehlungen, um die Fähigkeiten der Benutzer, Manipulation und Falschnachrichten zu erkennen, zu verstärken.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al über dieses Formular verschlüsselt und anonym beim Autor einzuwerfen. Wer eine direkte Antwort will, möge tunlichst eine Kontaktmöglichkeit angeben.

Gerade bei den jungen Zielgruppen, die noch in Ausbildung stehen, kann das über Schulen verhältnismäßig einfach angegangen werden. Problematisch dabei sind die Älteren, die durch medienpädagogische Maßnahmen kaum erreicht werden können und schon gar nicht der harte Kern der Verweigerer. Darunter dürften nämlich viele mit extremistischen politischen Position und überzeugte Vertreter von Verschwörungstheorien sein.

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