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Wonder Women

Rooney Mara spielt Maria Magdalena, Alicia Vikander ist die neue Lara Croft, Natalie Portman kämpft gegen die „Auslöschung“: Eine filmische Woche der außergewöhnlichen Frauen.

Von Christian Fuchs

Pünktlich zur Osterzeit bittet Hollywood zur Bibelstunde. Dabei gehört der Minitrend zu katholischem Kitsch im Blockbustergewand zu den absurdesten filmischen Sackgassen der letzten Jahre, egal ob sich Darren Aronofsky ("Noah) oder Ridley Scott („Exodus“) als Religionslehrer versuchten. Der australische Regisseur Garth Davis verspricht in seinem Portrait der Maria Magdalena einen anderen Zugang. Statt computergenerierter Massenszenen, aufwändiger Kostüme und plakativer Spezialeffekte geht es ihm in „Mary Magdalene“ um die inneren Konflikte seiner Protagonistin.

Davis will vor allem auch das Bild zurechtrücken, das von Maria Magdalena kursierte, seit Papst Gregor I. im späten sechsten Jahrhundert die Frau als „Sünderin“ brandmarkte. Unzählige künstlerische Darstellungen verfestigten dieses Image. Dabei wurde die vermeintliche Prostituierte mittlerweile auch in christlichen Kreisen den Aposteln gleichgestellt, als Frau, die Jesus auf keusche Weise am nächsten stand. Garth Davis hakt hier ein. Seine Maria Magdalena, gespielt von der grundsätzlich großartigen Rooney Mara, ist eine junge Einzelgängerin, die zur engsten Vertrauten des Gottessohns wird.

Universal Pictures International Switzerland

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Ätherischer Esoterik-Werbespot

Wenn Mara beim letzten Abendmal neben Joaquin Phoenix als Jesus hockt und all die berühmten Gemälde plötzlich obsolet wirken, dann ist das einer der wenigen ansatzweise provokativen Momente in diesem Film. Den Männerbund rund um den Erlöser mischt Maria auch in anderen Szenen auf. Vor allem Petrus (Chiwetel Ejiofor) ist ihr, milde ausgedrückt, nicht gerade wohlgesonnen.

Aber der Tonfall bleibt generell verhalten. Von den kontroversen Bibelverfilmungen der Moderne, ob sie jetzt von einem Künstler wie Martin Scorsese oder einem Wüterich wie Mel Gibson stammen, ist „Mary Magdalene“ weit entfernt. Garth Davis hat einen ruhigen, gediegenen, oft verträumten Streifen gedreht. Im besten Fall erinnert das visuell an Terrence Malick, oft aber auch nur an einen ätherischen Esoterik-Werbespot.

Filmstill Maria Magdalena

Universal Pictures International Switzerland.

Apropos Gottessohn und Erlöser: Die entscheidende Frage lautet natürlich, ob dieser Film Agnostikern und Atheisten auch etwas zu bieten hat? Nur bedingt. Die neutestamentarische Heilsbotschaft wird zwar mit feministischen Ansätzen vermischt und das Setting setzt auf Realismus. Aber das Übernatürliche bleibt in dem Film präsent, wenn auch auf dezente Weise.

Die noch wichtigere Frage: Lohnt es sich ins Kino zu gehen, um einfach nur Schauspielgöttern wie Rooney Mara und Joaquin Phoenix zuzusehen? Auch in diesem Punkt enttäuscht „Mary Magdalene“. Die einstige Lisbeth Salander, die selbst in zurückhaltenden Rollen mit einer gewissen Strenge punktet, lässt als Maria Magdalena diese stille Militanz nur selten aufflackern. Kaum trifft die selbstbewusste Frau ihren Jesus Christ Superstar, mutiert sie zum glucksenden Fangirl. Joaquin Phoenix wiederum, wohl einer der besten Darsteller der Gegenwart, spielt sein Charisma nur stellenweise aus, rutscht sogar kurzfristig ins unfreiwillig Komische ab. Dass die beiden im echten Leben ein Paar sind, merkt man ihrer Chemie im Film kaum an. Fazit: Ein Film nur für eingefleischte Fans der beiden Akteure sowie für TheologiestudentInnen und Verehrer des neuen Testaments.

Heldin aus Fleisch und Blut

Eine Heilige der ganz anderen Art ist Lara Croft, die von Gamern schon seit den Neunzigern abgöttisch verehrt wird. Auch Spieleverweigerer, wie der Schreiber dieser Zeilen, sind mit der hyperagilen Archäologin vertraut, stellte sich doch Angelina Jolie in zwei „Tomb Raider“ Verfilmungen wahnwitzigen Herausforderungen. Jetzt schlüpft eine andere Oscargewinnerin in die Rolle der Lara Croft. Die gebürtige Schwedin Alicia Vikander verkörpert die durchtrainierte Figur im wahrsten Sinne des Wortes - und überzeugt restlos, das ist schon einmal eine gute Nachricht.

Wer immer schon wissen wollte, was die legendäre Lara gemacht hat, bevor sie zur weltberühmten Abenteuerin wurde, bekommt im neuen „Tomb Raider“ Spektakel die Antwort. Als Fahrradkurier rast die 21-Jährige durch die chaotischen Straßen des Londoner Eastends, ihre Miete kann sie kaum bezahlen. Und dass obwohl sie als Hinterbliebene des globalen Croft-Konzerns über finanzielle Probleme lachen könnte. Aber die strikt unabhängige Lara lehnt die Erbschaft ab, sie will vorher das Geheimnis um den Tod ihres Vaters (Dominic West) aufklären.

Fimlstill Tomb Raider

Warner Bros. Ent.

Die Suche nach Hinweisen führt Lara Croft, unterbrochen von etlichen halsbrecherischen Verfolgungsjagden, auf eine mysteriöse Insel, irgendwo in der Nähe der japanischen Küste. Dort wartet dann alles, worauf sich „Tomb Raider“ Fans freuen: Rätselhafte Entdeckungen, gefährliche Fallen, ein diabolischer Bösewicht (Walton Goggins), vor allem aber Schluchten, Abhänge, Wasserfälle, die sich Lara tollkühn hinabstürzen muss.

Bricht das „Tomb Raider“ Reboot nun endlich den ewigen Fluch, der Videogame-Verfilmungen verfolgt und der durch Abstürze wie „Assassins Creed“, „Warcraft“ oder „Resident Evil: The Final Chapter“ noch verstärkt wurde? Stellenweise zumindest. Bewusst verzichtet der norwegische Regisseur Roar Uthaug auf absolute Überstilisierung und versucht stattdessen die formelhaften Szenarien mit einem Hauch von Realismus zu erden.

Filmstill Tom Raider

Warner Bros. Ent.

Dass dem Film diese Balance zwischen den Artifiziellen und dem ansatzweise Authentischen oftmals gelingt, verdankt sich vor allem auch der manischen Energie von Alica Vikander. Mit maximalem Einsatz wirft sie sich verschwitzt ins Geschehen und schafft es, dass wir auch bei den surrealsten Stunts mit einer Heldin aus Fleisch und Blut mitfiebern, statt an eine Computerspielfigur zu denken.

Dass es sich bei Lara Croft einst um eine sexualisierte Fantasie für die vorwiegend männliche Gamercomunity handelte, lässt einen die charismatische Schauspielerin ohnehin vergessen. Vikanders Version der Action-Ikone steht für female empowerment und springt als Tomboy aus dem Crossfit-Center in schwindelnde Tiefen. Die Magie eines Films wie „Wonder Woman“ erreicht „Tomb Raider“ dennoch aus vielen Gründen nicht, aber eine Spiele-Adaption, die nicht nervt, sondern ein paar Mal wirklich staunen macht, das ist schon ziemlich viel.

Hypnotischer Psychedelik-Horror-Trip

Aufgefallen ist Alicia Vikander zum ersten Mal so richtig 2014 in einem Meisterwerk des zeitgenössischen Science-Fiction-Kinos. In dem futuristischen Kammerspiel „Ex Machina“ betörte sie als Maschinenwesen einen jungen Programmierer bis zum Gänsehaut-Finale, der einen Siegeszug der künstlichen Intelligenz verkündete. Alex Garland, der Regisseur dieses kleinen Geniestreichs, dem wir auch Drehbücher zu innovativen Genremixturen wie „28 Days Later“, „Dredd“ oder „Sunshine“ verdanken, präsentiert nun einen weiteren Pflichtfilm, der mit seiner Ambition besticht.

Annihilation“ heißt der Sci-Fi-Thriller nach dem gleichnamigen ersten Band der sogenannten Southern-Reach-Trilogie von Jeff VanderMeer. Der US-Autor begeisterte mit seinen dystopischen Romanen über ein abgeschirmtes Gebiet, in dem die Natur über die Zivilisation siegte, vor einigen Jahren Publikum wie Kritiker gleichermaßen. Die schwer mit etwas vergleichbare, gespenstische Stimmung der Vorlage trifft Alex Garland in seiner sehr freien Annäherung gleich von Anfang an.

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Irgendetwas Unheimliches passiert da draußen: Eine riesiger Landstrich an der amerikanischen Westküste verwandelte sich in kürzester Zeit in eine undurchdringliche Wildnis, verborgen hinter einer flimmernden Mauer aus knallbuntem Licht. Stecken schief gelaufene wissenschaftliche Experimente, feindliche Mächte oder gar Außerirdische hinter der mysteriösen Area X? Die Regierung schickt mehrere militärische Truppen in das Gebiet, die spurlos verschwinden.

Als neuesten Versuch sendet man eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen in den bizarr wuchernden Dschungel. Mit dabei im Team: Natalie Portman als verbitterte Biologin Lena, die ein Geheimnis vor ihren Kolleginnen (unter anderem Jennifer Jason Leigh und Tessa Thompson) verbirgt. Ihr Mann (Oscar Isaac) ist der einzige Soldat, der je von einer Expedition in die Area X zurückgekehrt ist. Völlig apathisch und von einer schweren Krankheit gezeichnet stand er eines Tages im Wohnzimmer vor der verstörten Lena.

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Kaum haben die Forscherinnen das grüne Dickicht betreten, warten Schönheit und Schrecken gleichermaßen auf sie. Von der farbenprächtigen Pflanzenwelt betört und von bedrohlichen Geräuschen aus dem Unterholz irritiert, dringen sie immer tiefer in die Sperrzone ein. In Gesprächen stellt sich heraus, dass jede der Frauen mit ganz eigenen seelischen Beschädigungen ringt und alle fünf wenig zu verlieren haben.

Es sind aber keine konventionellen Monster, die in der Dunkelheit lauern. Was wie eine Mischung aus Sci-Fi, Öko-Schocker und Survival-Thriller beginnt, entpuppt sich bald als hypnotischer Psychedelik-Horror-Trip, philosophische Reflexionen inklusive. Auch wenn der Film etwas mehr menschelt als die eisige Buchvorlage von Jeff VanderMeer und manche der zahlreichen CGI-Effekte an Ravevisuals aus den 90ern erinnern: Der Ausnahmeregisseur Alex Garland verpackt erneut Existentialismus in spannendes Genre-Entertainment.

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Getrübt wird die Freude über diesen außergewöhnlichen Science-Fiction-Streifen für Erwachsene leider durch einen speziellen Umstand. „Zu intellektuell und kompliziert“, urteilten Besucher bei amerikanischen Testvorführungen über „Auslöschung“. Weshalb die Produzenten kalte Füße bekamen und das Werk an Netflix verkauften. Wer der suberb spielenden Natalie Portman auf ihrer Reise ins Herz der Finsternis folgen will, kann das also leider nur im Heimkino tun.

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