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Beach House

Shawn Brackbill

Song zum Sonntag

Aneinander vorbeitauchen

Der Song zum Sonntag: Beach House - „Dive“

Von Christoph Sepin

In den langen Nächten, in denen wir zusammensitzen, nebeneinander liegen, uns in den Armen halten, da wissen wir, dass Worte nicht mehr notwendig sind. Da reicht die Emotion, die Berührung, das Starren in die Augen aus, um die wichtigen Geschichten zu erzählen. Und dann, wenn wir glauben, alles wäre gesagt, alles wäre perfekt, finden wir uns in Missverständnissen wieder.

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Man lernt sich kennen. Verliebt sich vielleicht sofort, vielleicht erst später, zieht zusammen, teilt, hilft einander, nimmt das alles für selbstverständlich. Und kommt erst zu spät drauf, dass man vielleicht doch so manches aussprechen hätte sollen.

„Tell her something“, mit dieser Zeile beginnt Beach House-Vokalistin Victoria Legrand ihren Dialog mit Unbekannt. Und dann „Tell her nothing“. Miteinander reden, einander ignorieren, Dinge in sich behalten, obwohl man weiß, dass die raus wollen. Des Problems ist man sich bewusst, wiederholen soll man die Fehler trotzdem aufs Neue.

„Dive“ ist ein Song über das letzte Aufbäumen vor dem Break-Up, die Resignation in greifbarer Nähe, die Intimität, die keine mehr sein will. Die Anklage: Du willst mir doch was sagen, das wissen wir beide. Also wieso machst du’s nicht. Gleichzeitig auch die Kritik an der eigenen Unfähigkeit: „I was looking out the window“. Aus dem Fenster starren, die Welt draußen beobachten, die Distanz, in der Dinge so angenehm weit entfernt sind. Wo sich niemand mit irgendwas konfrontieren muss.

Der Begriff „Dream-Pop“ wird nicht umsonst mit der Band aus Baltimore, Maryland in Verbindung gebracht. „Dive“ ist eine Nummer der Tagträumereien, der zurückgelehnten Passivität, der vorsichtigen Weltflucht. Wenn das alles nicht mehr so richtig funktioniert, mit den Gefühlen und der Kommunikation, dann lässt man sich lieber von den Nebeln davontragen. Abtauchen, wegtauchen, aneinander vorbeitauchen.

Beach House

Shawn Brackbill

Ein Lied in zwei Kapiteln, das langsame Herantasten an das wichtige Thema. Ein hallender Drumbeat, die verstimmte Orgel, die offenen Akkorde. Als ob man alle Zeit der Welt hätte, sich dem Gegenüber zu offenbaren. „And I know you like it, so you try to hide it“. Du magst das ja, dass die Dinge so sind wie sie sind. Nur weitergehen kann das so nicht.

Und dann kommt plötzlich Geschwindigkeit auf, aufstehen, los gehen, alles wird schneller und dringlicher, nur die Stimme von Victoria Legrand bleibt weiterhin entspannt und in der eigenen Ruhe zurückgelehnt. „Empires lost in confusion, golden hearts left of illusion“. Ganze Imperien und darin unsere Herzen, gemeinsam verloren, auf der Suche nach dem festen Boden, der Sicherheit, der Klarheit und einer neuen Insel, auf die man sich zurückziehen kann. Morgen wird alles gut, morgen wird wieder gesprochen und einander gesagt, was in uns vorgeht. Die Wellen beruhigen sich, es wird Zeit aufzutauchen.

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