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Protestmarsch "March for Our Lives" in San Francisco

Robert Glashüttner

March for Our Lives

In hunderten Städten haben am 24. März über die ganze USA verteilt friedliche Kundgebungen und Protestmärsche stattgefunden. Unter dem Motto „March for Our Lives“ sind Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen die laxen Waffenbestimmungen ihres Landes zu demonstrieren - so auch in San Francisco.

Von Robert Glashüttner

Es ist wohl die größte, westliche Graswurzelbewegung seit Jahrzehnten: Nachdem sich Mitte Februar nach einem weiteren, grauenhaften Schulmassaker in Parkland, Florida, eine Gruppe Schülerinnen und Schüler gegen die konservative Regierung in Washington auflehnt, gibt es in den USA kein Stoppen mehr. Die lauten, wütenden Rufe nach strengeren Waffenbestimmungen - allen voran von Teenagern - sind nicht mehr zu überhören.

Vor eineinhalb Wochen fand in unzähligen Schulen bereits ein sogenannter „Walkout“ statt. Mit dem „March for Our Lives“ gingen nun nicht nur SchülerInnen, sondern unterschiedliche Menschen aller Altersklassen auf die Straße, die der Meinung sind, dass von Schießereien traumatisierte Kinder und Jugendliche sowie regelmäßige Notfalldrills in Schulen (um auf eine Schießerei „vorbereitet“ zu sein) nicht mehr länger hinzunehmen sind.

Geschlossenes Auftreten der Generationen

Der „March for Our Lives“ ist allem voran ein Treffen der Generationen, ein beispielloser Zusammenhalt zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen allen Alters, die gemeinsam ein so dringliches Anliegen haben, das alle zwischenmenschlichen Animositäten und Unklarheiten zwischen ihnen für eine Weile komplett nichtig sind. Die „Alten“ sind fasziniert und dankbar über die Initiative, die Kraft und die Unnachgiebigkeit, mit der die SchülerInnen ihrem Zorn Luft machen. Auch sie werden bald wählen, skandieren Mädchen und Burschen auf der Kundgebung in San Francisco und überall in den USA, und dann werden korrupte und unbelehrbare PolitikerInnen von ihnen aus dem Amt gewählt werden.

Zum Hören: „March for Our Lives“ aus San Francisco im FM4 Player.

Eine der Mitorganisatorinnen beim March in San Francisco ist die 15-jährige Maya Segal. Zum FM4-Interview kommt sie mit ihren Eltern, die sich bewusst im Hintergrund halten. Maya hält einen Zauberwürfel in der Hand, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Sie tritt souverän und zielstrebig auf, lässt keinen Zweifel daran, dass es schon bald eine Veränderung geben wird.

Maya Segal

Robert Glashüttner

Maja Segal von „March of Our Lives SF“ vor dem Civic Center in San Francisco.

Zweiter Zusatzartikel

Die Ursache für die aus europäischer Sicht groteske Waffenvernarrtheit der USA liegt im zweiten Zusatzartikel (Second Amendment) der amerikanischen Verfassung begründet, der das Recht jedes Bürgers und jeder Bürgerin vorsieht, sich mit Waffen gegen andere ZivilistInnen und notfalls auch gegen die Regierung zur Wehr zu setzen.

Der Zusatzartikel stammt aus dem Jahr 1791 und gilt für viele, vor allem für konservative BürgerInnen, seither als unantastbar. Sie sehen das Waffentragen als Teil ihrer (demokratischen) Freiheit an, die eingeschränkt würde, wenn man - wie von den DemonstrantInnen gefordert - diese Form der Verteidigung auf die Exekutive und das Militär beschränken würde. Allerdings hat sich über 200 Jahre nach der Erstellung der amerikanischen Verfassung nicht nur die Beziehung zwischen BürgerInnen und Staat maßgeblich verändert, sondern auch die Effektivität der Waffen. Jene Waffen, mit denen von psychisch kranken Personen in Straßen und Schulen bereits hunderte Menschen getötet wurden, sind zigfach tödlicher als jene aus dem Jahr 1791.

Dennoch gibt es nicht nur Schwarz und Weiß. Beim „March for Our Lives“ sind auch TeilnehmerInnen dabei, die selbst Waffen besitzen und den zweiten Zusatzartikel verteidigen - und dennoch auf striktere Kontrollen beim Verkauf von Waffen pochen. „Enough ist enough“ ist einer der Slogans an diesem Tag, und der Konsens darüber ist bei zigtausenden Menschen über ein riesiges Land verteilt immens.

„Seht euch eure Fonds genau durch!“

Bevor der Marsch über die Market Street bis zum am Pier gelegenen Embarcadero losgeht, kommen bei der Versammlung vor dem Civic Center in San Francisco über eineinhalb Stunden lautstarke Menschen zu Wort: Kinder, Jugendliche, Opfer von Schussattentaten und deren Angehörige, PolitikerInnen, Geistliche und OrganisatorInnen. Der Bürgermeister ruft zum Kampf gegen die Ignoranz der Regierung in Washington D.C. auf, und die heute 85-jährige Dianne Feinstein, Senatorin der Demokraten, drückt ihre Begeisterung über diese Bewegung aus - sie selbst kämpft bereits seit Jahrzehnten für strengere Waffengesetze.

Mehr über „March of Our Lives“ gibt es auf news.ORF.at.

Besonders bemerkenswert ist der Auftritt einer ehemaligen Schülerin der Columbine Highschool, die das dortige Massaker im Jahr 1999 miterlebt hat. Die Frau erzählt ihre traumatische Geschichte und kommt dann auf einen Punkt zu sprechen, der an diesem Nachmittag danach leider nicht mehr Thema werden wird: Die Verwicklung der Waffenindustrie in die nationale Wirtschaft der USA. Der Aufruf lautet: Seht euch eure Aktienfonds genau durch. Denn es kann sein, dass man - ohne es zu wissen - durch die eigenen Finanzanlagen die Waffenlobby nicht nur unterstützt, sondern auch von ihr profitiert. Der Kampf solle deshalb nicht nur auf sozialer und politischer, sondern auch auf wirtschaftlicher Ebene geführt werden.

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