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George Ezra

George Ezra

Von Budapest nach Barcelona

Mit „Budapest“ ist dem jungen Engländer George Ezra vor vier Jahren ein richtig großer Song gelungen. Seither ist er ein Star, aber einer, der rote Teppiche meidet, sich stattdessen beinahe unerkannt in AirBnBs einmietet.

Von Eva Umbauer

Ein junger Musiker, eben noch Musikstudent und dann im Handumdrehen einer der bekanntesten Musikernamen Großbritanniens, ist überwältigt von all der Aufmerksamkeit, die er im In- und Ausland für seine Songs bekommt. Wie er wieder zu sich selbst finden könnte, fragt er sich, und wie er es anpacken könnte, wieder neue Songs zu schreiben nach all der wunderbaren Aufregung.

George Ezra tut das, was er immer tat, wenn er sich unrund fühlte - wegfahren. Das muss gar nicht weit sein, das kann irgendwo am Land in Großbritannien sein, aber auch das quirlige Barcelona. Die spanische Stadt kam am Debutalbum von George Ezra schon als Songtitel vor, jetzt hat sich George Barcelona noch mehr hingegeben.

AirBnB statt 5-Sterne-Hotel

George Ezra

George Ezra

„Staying At Tamara’s“ heißt George Ezras neues Album.

In einem 5-Sterne-Hotel hätte George Ezra wohl keine Inspiration für neue Songs gefunden, stattdessen mietete er sich via AirBnB in einer Privatwohnung ein. Eine gewisse Tamara lebt dort in Barcelona, zusammen mit anderen künstlerisch veranlagten jungen Leuten. Weil Tamara die Gitarre von George sah, fragte sie ihn, ob er denn Musik machen würde.

Der bescheidene George gab sich erst nicht zu erkennen, erst als Tamara auf Spotify nachschaute, traf es ihre südamerikanische Mitbewohnerin wie der Blitz: „Ich habe es geahnt, du bist George Ezra!“, rief sie begeistert über den freundlichen Gast aus England.

Wohnen bei Tamara

George Ezra nennt sein neues Album dann auch „Staying At Tamara’s“. Am Albumcover sieht man ein Stück Teppichboden und den kleinen Balkon der Wohnung in Barcelona, in der George etwa einen Monat lang lebte. Er war ein höflicher Gast und „Staying At Tamara’s“ ist ein recht höfliches Album geworden, einen Tick zu höflich vielleicht, ein reifes, erwachsenes Album, mit großem Sound, samt Bläsern und mit Themen wie dem Verliebtsein.

Die rollende Baritonstimme des George Ezra ist eine expressive Stimme, perfekt für das Erzählen von Geschichten. Auch da wäre etwas mehr darin gewesen, erzählt George Ezra manchmal nur vom besagten Verliebtsein. Aber was heißt hier „nur“ - wenn man so verliebt ist wie George es gegen Ende der Entstehung des Albums war und noch immer ist, dann ist das ja etwas, was einem den Atem nimmt. Und es fühlt sich paradiesisch an.

„Paradise“ heißt deshalb auch einer der neuen Songs. Es ist ein poppiger Song, so wie das Album insgesamt recht poppig ist, anders als das bluesige Debutalbum von George Ezra.

Weniger Delta Blues bei George diesmal, vielmehr eine gewisse Britpop-Atmosphäre beim Album-Opener „Pretty Shining People“, in dem George Ezra erst sinniert, dass es eine schlechte Zeit ist, in der wir leben, für Menschen jedenfalls, die viel nachdenken oder zuviel nachdenken.

„What a terrible time to be alive if you’re prone to overthinking.“

Damit wir aber nicht gleich deprimiert werden, jagt uns George Ezra einen herrlichen Poprefrain in diesem Song um die Ohren, schließlich will er uns ja helfen, manchmal den Alltag hinter uns zu lassen. Resilienz heißt das Wort der Stunde dazu - die Fähigkeit, in eine gute Ausgangsform zurückzukehren, egal wie widrig die Umstände auch sind.

„Hey pretty smiling people, we’re alright together.“

Get Away

Zum Sich-Ausklinken ermutigt etwa auch der Song „Get Away“, in dem George Ezra singt, „any boy can dream, dream of anything, just like you“, während ein zarter Afrobeat darunter lockt und George träumt: „I’m the leader of a big brass band.“

Bei „Saviour“ singen die beiden schwedischen Schwestern Johanna und Clara Söderberg, die als Duo First Aid Kit Musik machen, sehr sensibel mit. Indierock-Gospel vom Feinsten. „It’s a dark night“, aber da ist ein Licht am Ende des Tunnels, vermittelt uns George Ezra.

In „Don’t Matter Now“ geht es um das Sich-Herausnehmen aus schwierigen Situationen und das bewusste Suchen der Isolation. George Ezra suchte diese etwa in einer kleinen Hütte ohne Strom in der ostenglischen Grafschaft Norfolk, wo er am Feuer kochte, Gitarre spielte, im Bett lag und mit der Taschenlampe las.

Lesen mit Taschenlampe

George Ezra liest gerne Bücher, am liebsten abends im Bett. Er ist meist ein Früh-zu-Bett-Geher und braucht viel Schlaf, wie er in Interviews immer wieder erzählt. Zum Gewecktwerden bevorzugt er heute einen altmodischen Wecker statt dem neben dem Bett liegenden Handy.

Der Song „Shotgun“ erinnert an einen Klassiker der Popgeschichte, nämlich das Album „Graceland“ des US-Musikers Paul Simon, und das letzte Stück am Album heißt „The Beautiful Dream“, samt biblischer Referenzen, in denen vom Garten Eden, einem Ort der Vollkommenheit, die Rede ist: „Is the grass of Eden overrated?“, fragt sich George Ezra in diesem wunderschönen Song.

George Ezra spielt am 23. Oktober 2018 im Gasometer in Wien.

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