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Netflix setzt auf HipHop

Der Streaming Dienst Netflix scheint dieses Frühjahr ganz groß auf Hip Hop zu setzen. Neben der Doku Serie „Rapture“, die neun MCs und ihr jeweiliges Umfeld porträtiert, ist aktuell auch „The Defiant Ones“ zu sehen, eine Doku Serie, die sich in mehreren Teilen dem Leben und Schaffen von Dr. Dre und seinem Umfeld widmet.

Von Natalie Brunner

„Rapture“ ist eine Doku-Serie, die uns die Welt und die Herkunft von neun verschiedenen MCs in acht Folgen zeigt und erklären will. Verschiedene Regisseurinnen begleiten Nas und Dave East, Logic, T.I., Rapsody, A Boogie wit da Hoodie, 2 Chainz und Just Blaze durch ihren Alltag.

Jeweils eine Stunde lang zeigt „Rapture“ die Struggles der MCs in ihrem Umfeld, und das gelingt mehr oder weniger gut. Es tut mir leid, es zu sagen, aber manche der Protagonisten (es sind bis auf Rapsody durchwegs Männer) interessieren mich einfach nicht genug, um den Interviews mit ihren Mamas, Frisören und Kindheitsfreunden zu lauschen.

Es gibt kein durchgängiges Narrativ und auch das Drehbuch ist nicht so gewitzt und versiert, dass mich die Verfasser dazu bringen könnten, mich über vierzig Minuten lang für das Leben von Logic zu begeistern, der unglücklicherweise der Protagonist der ersten Folge der ersten Staffel ist und den ich nicht einmal auf die Länge einer 3:20 Nummer ertrage.

Die Mission der Macherinnen war es laut Presseaussendung, uns die Welt und Kultur von Hip Hop näherzubringen. Man kriegt im Laufe der ersten Staffel schon mit, dass es verschiedene Zugangsweisen gibt und jeweils ein herausstechendes Merkmal, wie zum Beispiel 2Chainz‘ gebrochener Fuß, Rapsodys Weiblichkeit, T.I.s Läuterung, Logics schreckliche Kindheit usw., wird speziell beleuchtet.

Am Ende sind die großen Momente der jeweiligen Folge von “Rapture“ die emotionalen Zusammentreffen mit den Angehörigen: die stolzen Tanten, der Ex-Crackhead Papi, der verlorene Bruder, die unserem Star der Folge um den Hals fallen.

Zu schön glattgebügelt

Ein Schwachpunkt von „Rapture“ ist das völlige Fehlen von Kritik an der porträtierten Person. Man interessiert sich nur für die jeweilige Folge, wenn man bereits mit dem Werk des Rappers oder der Rapperin vertraut ist und von Sympathie geprägtes Interesse hatte. Wer einem davor schon egal war, ist es danach auch gleich doppelt. Stichwort Logic. Nas, der uns mit seinem Protegé Dave East im Doppelpack serviert wird, Just Blaze, Rapsody, T.I., 2Chainz, die tragen die ganze Länge des Formats.

Produziert wird „Rapture“ von der New Yorker Media-Company Mass Appeal, die aus einem Graffiti Magazin entstanden ist, heute zum Teil Nas gehört und deren Output von Run The Jewels- und J. Dilla-Alben über Städtedokus bis zu Werbespots für Soft Drinks komplett in einen HipHop-Kontext gesetzt wird.

Da sind große Highlights darunter. Zum Beispiel das DJ Shadow- und RTJ-Video zu „Nobody Speak“; „Bitch Dab“ mit Migos; Städtedokus aus HipHop-Perspektive; „Rhythm Roulette“, wo Producer verraten, wie und was sie für ihre Beats sampeln oder die Mini Serie „Ill Time“, wo Rapper eine speziellen Fähigkeit abgesehen von Rappen lernen. Im Fall von Schoolboy Q ist das Schwindeln bei Schularbeiten, die Flat Bush Zombies kochen ihr Lieblingsgericht Thug Waffels; alles sehr lustiger Blödsinn an der Grenze zur Genialität.

Lange Rede kurzer Sinn. „Rapture“ ist ok, die Knowledge-Bereicherung nicht unbedingt. Freizeit vor dem Bildschirm würde ich eher dem Youtube Kanal von Mass Appeal widmen.

„The Defiant Ones“ ist die zweite HipHop-Produktion, die zur Zeit auf Netflix zu sehen ist, eine Doku Serie, die sich in vier Teilen dem Leben und Schaffen von Dr. Dre inklusive Umfeld widmet.

Ihr könnt euch sicher sein, dass bei jedem Film, egal ob Doku oder fiktionalisiert, wo Dr. Dre irgendwie auftaucht, Dr. Dre auch irgendwie mitverdient. Er und sein Kompagnon Jimmy Iovine sind sehr mächtige Männer im Musikgeschäft und auch die Guten, weil sie es sind, die das Narrativ bestimmen. Jeder, jede, die etwas anderes behauptet, wird in Grund und Boden geklagt. Deshalb ist „The Defiant Ones“ auch Hofberichterstattung in vier Teilen. Die Geschichte des ehrenwerten Doctors aka kennen wir bereits aus dem N.W.A.-Film zum Teil.

Hofberichterstattung in vier Teilen

In „The Defiant Ones“ wird Dres Zusammenarbeit mit Jimmy Iovine beleuchtet, deren letztes kolportiertes Highlight der Verkauf der Kopfhörermarke Beats by Dr. Dre für drei Milliarden US-Dollar war.
Iovine ist italienisch-jüdischer Abstammung, hat seine ersten Triumphe mit Patti Smiths Nummer „Because The Night“ eingefahren und hat als erster erkannt, dass man mit Gangsta Rap gut Geld verdienen kann. Er hat Dr. Dre nicht nur als musikalischen Partner, sondern auch als Geschäftspartner in die Vorstandsriege geholt.

„The Defian Ones“ ist Musik-Doku, Musikbusiness-Doku und Popgeschichtsschreibung im Sinne von Dre und Iovine. Zwei Typen so kreativ und wagemutig, dass sie den amerikanischen Traum nicht nur gelebt, sondern auch in die Knie gezwungen haben. Jawohl! Sie haben Hip Hop auf das Cover des Rolling Stone gebracht, X Fantastillionen Alben verkauft und sind dennoch leiwande Typen.

Wer sich dafür interessiert, wie Iovine und Der, unterstützt von Interscope Artist, es drehen und wenden lassen, um ihre Geschäftserfolge dem Publikum als kulturelle Verdienste zu verkaufen, dem sei „The Defiant Ones“ empfohlen.

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