Ein ambivalentes Porträt
Von Conny Lee
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Für die Arte-Doku Reise durch den Kaukasus war Depardieu mit Filmteam unterwegs in Aserbaidschan, in Anlehnung an Alexandre Dumas, der vor 150 Jahren das Buch Gefährliche Reise durch den wilden Kaukasus verfasst hat. Dumas , den Depardieu auch schon im Film gespielt hat, reiste damals mit dem Maler Jean-Pierre Moynet und daher wurde Gérard Depardieu als Übersetzung ins Heute der französische Comiczeichner Mathieu Sapin zur Seite gestellt, der ihn auf Schritt und Tritt begleitet und in allen Situationen zeichnet. Im Anschluss an diese Reise beschließt Sapin weiterzumachen und ein ganzes Comic über Depardieu zu machen. Dafür reist er mit ihm für eine weitere TV-Serie nach Bayern, Portugal und Katalonien, um Depardieu schließlich nach Russland zu begleiten. Das Comic umspannt damit die Jahre von 2012 bis 2016.
Mathieu Sapin schildert und bebildert in Gerard - Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu seine Erlebnisse mit Depardieu und liefert dabei einen sehr privaten Blick, sowohl auf sich selbst als auch auf den französischen Superstar: wie er versucht bei Depardieus Essensgewohnheiten mitzuhalten, wie Depardieu ständig mit irgendwelchen wichtigen Leuten telefoniert, wie der Schauspieler mit seinen unvorhersehbaren Wutausbrüchen die Menschen in seinem Umfeld einschüchtert. Er zeigt Depardieu in seinem privaten Lieblingsoutfit - nur in Boxershorts - und wie er mit anscheinend endloser Geduld für Selfies posiert, wenn Fans ihn darum bitten.
Man konnte die Schilderungen oft für übertrieben halten, wenn man aber Ausschnitte aus der Arte Doku mit den Szenen im Comic vergleicht, ist man überrascht, wie genau Sapin die Situationen eingefangen hat.
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Gérard Depardieu wird im Comic als Choleriker, als jemand der gerne schockiert und aneckt und vor allem mit seinen politischen Ansichten seine Gesprächspartner in Verlegenheit bringt. Wir lernen aber auch andere Seiten von ihm kennen: dass er von sich selbst übersättigt ist und sich nicht mehr sehen kann. Oder auch dass er ein wahnsinnig aufmerksamer Beobachter ist, der die Menschen in seinem Umfeld genau analysiert.
Sich selbst zeichnet Mathieu Sapin als manchmal überforderten, eingeschüchterten und hier und da etwas schleimerischen Bewunderer Depardieus. Zum Skandal 2012, als Depardieu den russischen Pass angenommen hatte um nicht mehr in Frankreich Steuern zahlen zu müssen, bezieht Sapin keine Stellung, sondern dokumentiert nur die Entrüstung der Öffentlichkeit und der Presse. Er zeichnet das Bild eines Missverstandenen und Getrieben, der weder ruhig halten noch alleine sein will: Depardieu ist in seiner Erzählung so gut wie immer aktiv und unter Menschen. Seine bewundernde Haltung macht Sapin aber sehr transparent. Er thematisiert im Comic, dass er von Depardieus Ausstrahlung und seinem Star-Statur eingenommen ist, dass in seinen Augen Depardieu der berühmteste lebende Franzose der Welt ist. Damit verdeutlicht er die Subjektivität seiner Perspektive und verlangt von uns als LeserInnen nicht, Depardieu auch zu mögen. Er erklärt uns nur, wie man diesen großen, rastlosen Mann verstehen kann, wenn man will.
Reprodukt / Montage: FM4
Was nach dem Lesen von Gérard - Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu bleibt, ist nicht unbedingt mehr Sympathie für den Schauspieler. Allerdings kann Sapin verschiedene Facetten dieses schwierigen Charakters zeigen und seine Faszination an der Person Depardieu vermitteln.
Publiziert am 07.04.2018