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Marco Michael Wanda in Jesus-Pose

Franz Reiterer

Wir gehen niemals auseinander, Schatzi

Wanda und ihr erneut ausverkauftes Gastspiel in der Wiener Stadthalle

Von Lisa Schneider

Vor fast genau zwei Jahren haben Wanda die Wiener Stadthalle zum ersten Mal ausverkauft. Damals sind sie gerade am bis dahin höchsten Gipfel ihres schnellen Erfolgs angelangt, so hoch, wie nur wenige andere österreichische Bands vor ihnen.

Sie haben Amadeus-Awards gewonnen und hatten laut eigener Aussage nach ihrem Erstling „Amore“ schon das Material für zwei weitere Alben in der Tasche gehabt. Im Oktober letzten Jahres ist schließlich das letzte dieser genannten Alben erschienen, es heißt Niente, und war nicht, wie viele vielleicht erwartet haben, ein Abklatsch von Wanda 1&2; Schnaps ist gegen neue Lebensphasen getauscht worden, besprochen wird das Neue mit tiefer Innensicht, und das, was sie verändert hat.

Wanda sind eine Band, die vor allem live das vermittelt, worum es ihnen und den Fans geht: die Zusammengehörigkeit, den Schweiß, den Spaß, die Liebe natürlich. Es gibt gemeinsame Chöre, Mitmach-Animationen, „Aaaahs“ fürs Schlechte, „Yeeeeahs“ fürs Gute.

Wanda in der Wiener Stadthalle

Franz Reiterer

Gerade auf ihrer Niente-Tour bespielen Wanda die ganz großen österreichischen Hallen; in Wien sonst von Helene Fischer in der Stadthalle oder, im ausschweifendsten Stil, von Sir Paul McCartney in Größe Ernst Happel gefüllt wird. Dass Wanda vom angesprochenen Publikumssog eher in die Fischer’sche Kategorie fällt, soll hier niemanden stören; es ist bis zu einem gewissen Grad immer schon der Bierfest-Charme, der sie und alles eint.

Amore meine Stadt

Zu Beatles-Klassikern wird die Bühne nach ihrem Support-Act Der Nino aus Wien umgebaut, das ist mittlerweile Wanda-Tradition; noch vor zwei Jahren haben sie „It’s Been A Hard Day’s Night“ in ihr Set integriert. Natürlich steht auf dem großen, dunklen Vorhang, der die Band noch die ersten Sekunden vor ihren Fans verborgen hält, ein übergroßes Amore.

Der Wiener Schmäh von Wanda, den sie sich zu einem ganz eigenen Konglomerat aus „Bussi“, „Baby“, „Amore“ und „Schatzi“ zusammengezimmert haben, mag heute ähnlich wie die anzuzweifelnde „I bims“-Fraktion manchen schon auf die Nerven gehen, ist er doch in halb Österreich mit dem aufkommenden Hype um die Band in den Sprachgebrauch übergegangen. Es ist aber etwas ganz Wunderbares daran, man erinnere sich zurück an den Release von „Amore“, als noch niemand je so oft wie Marco Wanda dieses Äquivalent für das Miteinander, nicht nur das zu zweit, sondern das alle Gemeinsam verwendet hat. Mit „Amore“ statt mit „Prost“ stößt man auch in der Stadthalle gemeinsam an; „Amore“, der Schlachtruf von Wanda, „Bologna“ und „Auseinandergehn ist schwer“, das sind Songs, die wohl auch in vielen, vielen Jahren noch gespielt werden.

Wanda in der Wiener Stadthalle

Franz Reiterer

Die Ausschweifung im Kleinen

Wie das gemeinsame Liveerlebnis ist auch genau das Beweis für das Bündnis zwischen Wanda und ihren ZuhörerInnen, das geknüpfte Band, Schatten, Licht, Schnaps und Bier, und alles, alles teilen wir uns. Dass die Band sich mittlerweile weniger oft auf der Bühne umarmt als noch vor zwei Jahren, soll der angespielten Professionalität, mehr noch der Gewöhnung an die Größenordnung ihrer Konzerte gelten; es ist ein straightes Set, das durch alle drei Alben führt, aber es gibt Ausreißer: wenn so ein Knackpunkt im Schaffen Wandas wie „Ich will Schnaps“ etwa in ein zehnminütiges Aufspiel zwischen Nebelmaschine, Gitarrengeschrammel, neu erfundenen Zeilen und natürlich der Publikumsbeteiligung neu interpretiert wird. Es ist nicht einer der Gassenhauer, und macht ihnen wohl gerade deshalb den meisten Spaß; gerade hier legt die Band das straffe Setlist-Kostüm ab, läuft über die Bühne, spielt die Gitarre im Sitzen, lässt die ZuseherInnen wieder und wieder gemeinsam hochtreiben, hinabtreiben, weiter, weiter, weiter.

Die Texte von Wanda, und ganz besonders die ihres ersten Albums, grölt die ganze Wiener Stadthalle mit, sobald die erste Note fällt. „Wir gehen niemals auseinander, Schatzi“, trällert Marco Wanda, ein bisschen runder im Gesicht, ein bisschen lichter am Haarschopf und auch ohne die legendäre Lederjacke am Körper, gerade leider auch mit eingegegipster Hand. Das Leben auf Tour ist hart, und er war noch nie jemand, der sich vor zu großer Selbstliebe versteckt hat, hinter Eitelkeit schon gar nicht. Das muss wohl so sein, weil das sind auch die Texte, das ist Wanda.

Erzähl’ mir vom Leben

Dass ihre Weisheiten manchmal mit Charlie Harper’schen Qualitäten heranrücken, macht sie nicht weniger erdig, einfach und wahr: wenn etwa bei einem ihrer besten Songs „Luzia“ davon gesungen wird, dass man leiden muss, um zu leben. „Tu mir weh, Luzia, oder irgendwer andrer tut’s statt dir.“ Das weiß Marco Wanda, das wissen seine schwitzenden Bandkollegen. Das weiß aber vor allem jede und jeder einzelne im Publikum; es ist das Leiden, aber das Gemeinsame. Weil so das Leben ist.

Je größer die Venue, desto größer und diverser das Publikum, auch das war gestern in die Wiener Stadthalle zu beobachten. Man sieht alles zwischen Nirvana- und Ed Hardy-T-Shirts, von Trachten und glitzernden Highheels. Eine Gruppe 45-jähriger Ladys in Lederjacken, die sich einen gemeinsamen Geburtstagsausflug hierher geschenkt haben, zwei 16-Jährige, die für einen Tag nach Wien reisen, um die Band zu sehen, die sie jedes Wochenende beim Fortgehen hören; genauso Boku-Studenten, LehrerInnen, Radiomitarbeiter.

WANDA LIVE

Die Niente-Tour geht natürlich weiter. Alle Daten hier.

Oft fällt vor allem in Zeiten rund um den Amadeus wieder der ewige Vergleich zwischen Wanda und Bilderbuch; dabei ist diese Band in so wenigen Dingen vergleichbar, außer, man spricht über ihren jeweils kometenhaften Aufstieg in den letzten drei Jahre. Bilderbuch kennen ihr Publikum, es ist ein ganz bestimmtes, es ist jung, es will „mehr Strom“, mehr noch, „Power für mein Akku“.

Gemeinsam grölen, schwitzen, leiden

Wanda-Fans sind so verstreut wie überall; haben jedes Alter, haben eins gemeinsam: Sie sind mit dem ersten Album „Amore“ in diese Band und ihre Musik hineingewachsen, sind zusammengeschweißt mit Zeilen wie „Ich glaub’ das sieht ein jeder ein: Am Ende seines Lebens wird ein jeder einsam sein“. Die Einsamkeit, sie geht verloren im engen, dichten, verschwitzten Trubel der Stadthalle, wo bis in die letzte Reihe gegrölt, gehüpft und getanzt wird. Gemeinsam, das ist das Schlagwort bei Wanda, das ist ihre Kraft und Stärke; der Ethos der Band, wenn schon das Leben nicht herhalten kann, den inneren Schmerz zu lindern. Ein Besucher schwingt Marco Wanda bei seinem Lieblingssong „Meine beiden Schwestern“ seine Krücken entgegen, quasi aus Solidarität zum Gips. Und genauso wird die Solidarität begossen: Wie die Flaschen von gestern, hin und wieder stehn’ wir uns nah.

Wanda, jede, jeder hat von der dunklen Nacht gekostet; alle haben auch gestern wieder beschlossen, dass es trotzdem weitergeht. Am Ende gilt nur eines: Solange ich bei dir bin, ist’s egal.

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