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Sonnenschirme

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Selfie am Balkon

Todor hätte nie erwartet, dass ein Selfie sein Leben derart verändern würde

Von Todor Ovtcharov

Ich bin letzte Woche umgezogen. In eine Wohnung mit Terrasse. In Wien eine Terrasse zu haben ist purer Luxus. In dem Moment, als der letzte Umzugshelfer weg von der Wohnung war, sagte meine liebe M., dass wir ein Selfie am Balkon machen müssen. Wir lächelten ins Handy und… einen Augenblick später war es auf Facebook mit dem hashtag #balconing.

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Bild am Seitenanfang: Surf Beach Gear Ltd

Ich hätte nie erwartet, dass ein Selfie mein Leben derart verändern würde. Unsere Sachen lagen in Kartons herum und ich suchte nach meinen Hausschuhen. Zehn Minuten später saß ich barfuß am Küchentisch und schaute auf meinen Computer. M. blickte über meine Schulter und sagte mir, ich solle nachsehen, wie unser Selfie „läuft“. Es hatte schon mehr als hundert Likes. Das machte sie über die Maßen glücklich.

Kurz danach fing Facebook an, mich mit Werbung für Balkonausrüstung zu bombardieren: Kokette Bambusstühle und ein aufklappbarer Tisch. Ein Sonnenschirm mit Marienkäfer-Pünktchen. Dieser Sonnenschirm kam mir so kitschig vor, dass ich draufklickte, um nachzusehen, welcher wahnsinnige Schirmdesigner auf so eine Idee gekommen sei. Das war ein Riesenfehler.

Kaum hatte ich den Sonnenschirm aus meinem Bildschirm entfernt, war mein Rechner schon in Werbung versunken. Statt der Bambusstühle wurde mir jetzt eine Balkongarnitur aus Rattan vorgeschlagen. Danach versuchte Facebook, mir unterschiedliche Hängematten zu verkaufen. Im Hintergrund der Hängemattenfotos stand stolz der Marienkäfer-Sonnenschirm, der mich anscheinend verfolgte.

Todor Balkon Selfie

Todor Ovtcharov

Ich versuchte mich zu retten, indem ich eine Seite über den Zweiten Weltkrieg aufmachte. Unter den Fotos der Jalta Konferenz lächelten mich unterschiedliche Blumentöpfe an. Im Hintergrund: der Marienkäfer-Sonnenschirm. Facebook überschwemmte mich immer weiter mit allerlei Balkonausrüstung. Eine Reihe von künstlichen kleinen Balkonseen sprangen auf. Mit Wasserfall und ohne. Und hinter dem Wasserfall ein Marienkäfer-Sonnenschirm.

Egal, was ich auf meinem PC aufmachte, die Balkonausrüstung kam wieder und wieder: Kleine sympathische Balkonpolster, ein Windrad, weitere Hängematten. Ich schaltete den Computer aus und ging schlafen. Ihr wisst, dass es nicht einfach ist, an einem neuen Ort einzuschlafen. Ich wälzte mich im Bett herum, als ich plötzlich ein verdächtiges Geräusch vom Balkon hörte.

Ich öffnete meine Augen. Auf der Terrasse stand ein Sonnenschirm im Marienkäferlook. Er blieb kurz da und schaute mich irgendwie an. Danach flog er weg. Ich weckte M.: „Versprich mir, dass wir nie wieder ein Selfie auf der Terasse machen!“ Sie lächelte nur im Halbschlaf.

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