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Hearts Hearts

David Meran

artist of the week

Vom Haben und Sein

Hearts Hearts haben mit „Goods/Gods“ ihr zweites, sehr gutes Album veröffentlicht. Sie sind unsere FM4 Artists Of The Week.

Von Lisa Schneider

Unruhige Klaviertöne, ganz wie kalte Wasserspritzer; so fühlen sich die ersten Töne auf „Goods/Gods“ an, dem zweiten Album von Hearts Hearts. Damit schlagen sie elegant die Brücke zum Erstling „Young“: Als die neueste, etwas sperrige Art-Fraktion der Österreichischen Indietronica-Szene, so haben wir Hearts Hearts vor etwas mehr als zwei Jahren kennengelernt.

Das Debütalbum „Young“

Es ist immer schön, Bands von der ersten Stunde an begleiten zu dürfen. Ganz die erste Stunde war es allerdings nicht, als sich Hearts Hearts 2015 zum FM4 Interview im Funkhaus eingefunden haben. Gegründet hat sich die Band offiziell schon 2012. 2015 gab es mit „Hunter Limits“, „AAA“ oder „I Am In“ die ersten Songs zu hören, und die haben neugierig gemacht: „Young“ war das darauffolgende Debütalbum.

Hearts Hearts

Lisa Schneider

Hearts Hearts sind v.l.r.n. Johannes Mandorfer, David Österle, Peter Paul Aufreiter und Daniel Hämmerle.

Die Songs auf „Young" waren durchgehend streng konzipiert, mit viel elektronischem, gut ausgedachten Firlefanz, gesäuselter Kopfstimme, ausladender Exzentrik, und verzichteten auf die „schöne“ Melodie. Damals, im FM4-Studio, verhält sich die Band so, wie es zum Artwork, den Songs, den bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Gitarren passt: zurückhaltend, sich nie ins Wort fallend, überlegt in dem, was sie sagen.

Es geht auf dem Album und im damaligen Interview viel um den philosophischen Ansatz, Mensch zu sein, Musiker zu sein, lyrische Inhalte umzusetzen. Eine Art von Musik zu kreieren, die nicht nur zur angenehmen Beschallung auf den Plattenteller gelegt werden soll. Das alles war „Young“.

Nicht umsonst ist die Band wenig später beim deutschen Label Tomlab untergekommen und hat den ersten kleinen Siegeszug durch Europa gemacht, die ersten Stationen jeder neuen Band: Showcasefestivals. Eine solche Erfahrung war ihr Auftritt beim Eurosonic in Groningen, einem der wichtigsten solchen Festival. Abgeklopft wird man da: wo passt das rein, wie kann man es vermarkten?

Fließender Arbeitsprozess

Schon im Zuge dieser ersten auch internationalen Auftritte kommt die Sprache auf das „schwierige zweite Album“. Sich damit zu quälen, haben sich Hearts Hearts gar nicht erst angetan. Im Gegenteil, es war ein fließender Prozess:
Schon wie das Debütalbum erschienen ist, haben sie gleich die Umrisse des ersten Songs des zweiten Albums geschrieben, es ist das vorher genannte „Phantom/Island“.

Der Song ist aus den Händen von Peter Paul Aufreiter und Johannes Mandorfer geflossen. Sie haben Spuren an Sänger David Österle geschickt, ein verqueres Drumset, ein elegantes Piano. Das Elegante wurde auch noch verfremdet, nun erinnert der Song an einen älteren „Bent Pyramid“. So schlagen Hearts Hearts auch den Haken, den Übergang vom ersten zum zweiten Album.

Mit „Goods/Gods“, der Titelsingle, folgt gleich an zweiter Stelle des neuen Albums das Stück, das Hearts Hearts sehr groß machen könnte. Zugänglich ist so ein Wort, mit dem die Band immer wieder konfrontiert wird. Sie selbst sehen es lieber als eine Hearts Hearts’ Art der Zugänglichkeit. Von diesem Vierergespann darf man keinen Mainstreampop erwarten, das ist klar. Lockerheit, Leichtigkeit, sogar die vorher verschmähte „schöne Melodie“ haben sie trotzdem aufs neue Album gepackt.

Gute Götter, Gottes Gut

„Goods/Gods“, die Single, ist nicht nur der stärkste Song des neuen Albums, sondern auch allessagendes Statement: ein fiebrig-leichtes Stück, das nie richtig zum Ausbruch kommt, das aber auch nicht braucht. Tanzen will man da, nein, schweben. Wie der Sommer fließt diese Energie, diese schlichte Schönheit durchs ganze Album, hier ist alles sanftes Gläserklirren, frischer Weißwein, die Erdbeere, die am süßesten schmeckt.

„Goods/Gods“ ist kein Konzeptalbum, auch wenn die Titel, allesamt durch Slashes getrennt, da in die Irre führen könnten. Das zweite Album beweist den Fortschritt, die Erfahrungen der Band und gleichzeitig, dass sie nicht in der Aura eines gar zu strengen Artpop festgefroren sind.

Lockeres Regelwerk, dichte Instrumentierung

Auch wenn es kein Konzept gibt, strukturieren lockere Regeln die elf Songs. Sieht man „Phantom/Island“ als Abschluss einer Ära, betritt man mit „Goods/Gods“ die neue Zeit, diese endet dramaturgisch hervorragend platziert mit „Present/Tense“, dem Abschlussong.

In beiden Songs sind die Geigen dramatisch gesetzt und mischen im Refrain immer nach der Stimme ihr schönstes Ziepen hinein. Gerade „Present/Tense“ erinnert da und dort an Fleet Foxes: weniger im Harmonieaufbau als in der Dichte, der Wärme; Holzprasselromantik im modernen Ambiente.

LIVE

4.5. Jazzit Club Salzburg
17.5. WUK Wien
18.5. Szene Lustenau Carinisaal

Alle weiteren Tourdaten, etwa in D und UK, findet ihr hier.

Neben Geige, Cello und Querflöte hat sich diesmal auch eine Harfe eingeschlichen - eingespielt von Patricia Ziegler von Bitten By. Ganz prominent gibt es auch Bläser, etwa auf „Take / Care“. Hearts Hearts vertiefen damit nicht nur die Spurendichte, sie geben dem ganzen Album einen orchestralen Charakter, der sich absetzt von den Stakkato-Tönen, die man vom Debütalbum kennt. Alles schwimmt, alles verschwimmt; dass die Instrumente als Einzelteile nicht mehr klar auszumachen sind, dient ganz der Sache. Ein großer, voller Ballon, das ist „Goods/Gods“. Dessen Helium saugt man ein, auf dass die eigene Stimme womöglich dieselben Höhen erreicht wie die von David Österle.

Alles ist ein Instrument

Die Texte, vor allem die Songtitel schreibt die Band als letztes. Sie werden an den Song angepasst, ans Thema, um das es geht. Die Lyrics kann man zwar lesen, sie hören sich aber ganz anders an. David Österle hat sich eine ganz eigene Art der Intonation angeeignet, er betont die Wörter neu, singt sie zu schnell, verschluckt sie. Und macht damit nicht nur seine Stimme, sondern auch seine Texte zum Sound.

Die Band Hearts Hearts

David Meran

Die Idee, die schöne Idee, alle Titel zu teilen, hat sich erst spät herauskristallisiert. Sie sind getrennt in Protagonisten und Antagonisten, in Dualismen, die sich gegenseitig ergänzen, oder sich bedingen. Auch hier ist „Goods/Gods“ die wichtigste Single, verhandelt sie mit „Gütern“ und „Göttern“ die zwei am stärksten von einander entfremdeten Begriffe.

„Es ist für uns eine angenehme Denkform, die Begriffspaare in Relation zu einander zu setzen, manchmal abgrenzend, manchmal sich bedingend, manchmal eine Auslassung bedingend; das ist für uns angenehm gewesen, bestimmte Dinge zu verhandeln, die in dieser antagonistischen Form zu denken sind“, sagt David Österle.

Klingt kompliziert, dabei ist es einfach: die getrennten Titel sehen nämlich auch schlicht sehr schön aus. Mit „to have / to be“ zitieren Hearts Hearts mehr oder weniger gewollt den deutsch-amerikanischen Philosophen Erich Fromm und eine seiner bekanntesten Abhandlungen. Gleichzeitig muss einem die nicht geläufig sein, um sich seine eigenen Gedanken über diesen Gegensatz zu machen.

Dualismus in Text und Musik

Jahre vergehen, Musikgeschmäcker ändern sich - Hearts Hearts erzählen von ihrer persönlichen Entwicklung, dass sie alle mittlerweile auch privat eingängigere Musik hören, die vielleicht einfach gestrickt, aber nicht weniger wertvoll ist. Sie nennen als Einfluss Jazz, Orchestermusik, Pop.

*Man kann sich gern den Spaß machen, zu raten, welcher. Für die Nichträtselfüchse: Es ist „I Was There / Noone Came“)

Ein Song auf dem neuen Album* wurde tatsächlich nach dem Vorbild „Toxic“ geschrieben, einem von Britney Spears späten Songs. In ihrem Bestreben, das Sperrige mit der Popmelodie zu verbinden, denkt man bei Hearts Hearts an Vorbilder wie Everything Everything oder an die großen Soundkünstler von Son Lux ,die mit „Dream State“ ein Paradebeispiel dafür geschaffen haben, wie ein Song nach Pop klingen kann, und trotzdem Schicht um Schicht skurriler wird. Faszination Soundtüftelei: Rhythmus wiederholt, angetrieben, gebrochen.

Cover "Goods / Gods" Hearts Hearts

Tomlab

Das zweite Album von Hearts Hearts, „Goods / Gods“ erscheint via Tomlab.

Gar nicht so schwierig

Das zweite Album, es war nicht schwierig. So klingt es auch. Und so spricht die Band im Interview darüber, lachend, scherzend, gelöst vom Druck, der so vielen Bands schwer anlastet. Es macht Spaß, sich mit den vier Musikern über Musik zu unterhalten. Vielmehr als als Band mit klar verteilen Rollen arbeiten Hearts Hearts als Kollektiv, und diesen Input von allen vier Seiten haben sie in euphorischer Wucht, Experimentierfreude und ausgesuchtem Überschwang auf „Goods/Gods“ umgesetzt.

Es ist schade, wie „Present/Tense“ in der letzten Sekunde mit einem Zack! einfach endet. So schade, dass man froh sein kann, dass die Band bereits an Album Nummer drei arbeitet.

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