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Hinds halten sich nicht an Regeln

Die vier Frauen von der spanischen Garagerock-Band Hinds sorgten vor ein paar Jahren international für Begeisterung. Jetzt haben sie mit „I Don´t Run“ das schwierige zweite Album gemeistert.

Von Eva Umbauer

Die Hinds nennen ihr neues Album „I Don’t Run“. Nein, davongelaufen sind sie nie, jedenfalls nicht wenn sie geschmäht wurden als Combo, die nicht singen und nicht spielen kann. Vier junge Frauen aus Madrid mit wackeligem Englisch und noch wackeligerem DIY-Sound, wer sollte das hören wollen? Das Gegenteil war der Fall.

Wo immer Carlotta Cosials, Ana Garcia Perrote, Ade Martin und Amber Grimbergen mit ihren Songs hinkamen, sprang der Funke über, meist jedenfalls. Dazu waren die vier Spanierinnen - Drummerin Amber ist gebürtige Holländerin -, wenn man sie zu einem Interview traf, so sympathisch und erfrischend offen ihre Musik betreffend, dass ihnen letztlich auch die zynischsten Menschen der Musikpresse nicht wirklich feindlich gesonnen blieben. Das Englische hat für einen holprigen Sound, der aber durchaus etwas hat, das Wort „ramshackle“ bereit. Auch für das zweite Album der Hinds darf es gerne wieder gebraucht werden.

Die Hinds haben sich aber auch weiterentwickelt und sind nicht mehr genau die selben Menschen, die sie vor vier, fünf oder sechs Jahren waren. Begonnen haben Hinds eigentlich als The Deers, und zwar damals vor sieben Jahren noch als Duo. Carlotta Cosials und Ana Perote mussten ihre Band dann aber umbenennen, weil sich die kanadische Band The Dears über den zu ähnlich klingenden Namen beschwerte.

Den Rehen treu

Das Wort „deer“ bedeutet Hirsch oder Reh, und weil Carlotta und Ana beim so anmutigen Rotwild bleiben wollten, nannten sie sich fortan Hinds, also „Hirschkühe“ oder „Schmaltiere“. Letzteres Wort ist ein Begriff aus der Jägersprache und bezeichnet die weiblichen Tiere der Hirsche und Rehe.

Hinds waren aber stets - trotz pastoraler Assoziationen durch ihren Namen - ein urbanes Unternehmen. Die Straße, der Probekeller, der leicht versiffte kleine Club, das alles darf man mit den Hinds verbinden. Eine gewisse romantische Do-It-Yourself-Punk-Rock’n’Roll-Einstellung, auf die sofort das Mutterland des Rock’n’Roll, Großbritannien, ansprang.

So erklärte sich etwa Pete Doherty zum Fan der Hinds, und als sich The Libertines wieder zusammentaten, um auf Tour zu gehen, machten die Hinds die Vorband. Das taten sie etwa auch für die Vaccines aus London oder die US-Band The Black Lips, und Patrick Carney von den Black Keys zeigte sich ebenfalls als Hinds-Fan.

Mit Rock’n’Roll gegen Rock’n’Roll-Regeln

„‚I Don’t Run‘ made perfect sense. We always thought about these ‚rock’n’roll rules‘ – live fast die young, now or never, no care for tomorrow – there was always this pressure to be this wild and crazy rock star, so we started to think that going against those rules would be even more rock’n’roll. It also represents how we did this record compared to ‚Leave Me Alone‘, which was in a rush and very messy. This record was well thought out – so it’s like, we aren’t running any more, this is Hinds.“

Albumcover: Hinds - "I don't run"

Lucky Number

„I Don’t Run“ von den Hinds wurde in den Paco Loco Studios in Cadiz, im Südwesten von Spanien, aufgenommen und ist am 6.April beim Londoner Plattenlabel Lucky Number erschienen.

Der neue Longplayer der Hinds strahlt eine wunderbare Kameraderie aus - die vier Frauen sind als Band noch enger zusammengewachsen, und die Songs haben dieses großartig Atonale vom ersten Album nicht komplett abgelegt, etwa das letzte Stück am Album, das „Ma Nuit“ heißt, also einen französischen Titel trägt. „Ma Nuit“ bedeutet „Meine Nacht“, und die Hinds singen dann auf Spanisch. Alle, die dieser Sprache nicht mächtig sind, mich inkludiert, wissen also nicht, wovon die Hinds da singen.

Zu wenig Neues?

Macht nichts, denn wir konzentrieren uns ohnehin viel mehr auf den an Pete Doherty und Carl Barat von den Libertines angelehnten Doppelgesang, dem Carlotta Cosials und Ana Garcia Perrote am neuen Album der Hinds frönen, etwa bei Songs wie dem warmherzigen „Echoing My Name“ oder dem ebenso melodiösen Old-School-Indie-Punk-Song „New For You“.

„I wanna be someone new for you“, singen die Hinds in „New For You“. Ein klein wenig Sehnsucht nach dem Neuen, dem Anderen, dem Unerwarteten beim zweiten Album der Hinds? Manchen mag der Sprung zu wenig groß zu sein, den die Hinds vom ersten Album „Leave Me Alone“ zum neuen gemacht haben: Was beim nächsten Album, Hinds? Wieder das Gleiche? OK, fair enough, aber diese Frage stellen wir uns dann wenn es soweit ist.

Im Moment machen die Hinds alles richtig. Sie sind noch immer die jungen spanischen Garage-Rock-Frauen von vor ein paar Jahren, aber sie haben seither auch als Hinds die Welt gesehen, oder zumindest recht große Teile davon, und das hat Carlotta, Ana, Ade und Amber auch verändert. Was also genau tun, das zweite Album betreffend? Bei dieser Frage hat den Hinds dann ein gewisser Gordon Raphael geholfen.

Besser und trotzdem authentisch

Der aus Seattle stammende New Yorker Musiker Gordon Raphael lebt heute in Berlin, aber er hat die ersten beiden Alben der Strokes produziert, oder etwa auch das „Soviet Kitsch“-Album von Regina Spektor. Gordon Raphael war eine gute Wahl für das neue Hinds-Album. Er hat die Unerschrockenheit und das trotzige Selbstvertrauen der Hinds genau gelesen und in die Musik, die dieses zweite Album haben könnte, übersetzt. Die Hinds sind jetzt insgesamt größer, besser, schneller, witziger und geschickter als zuvor. Die Hinds haben aber noch immer Tonnen von Authentizität.

Der Pressetext zum neuen Hinds-Album sagt es ganz richtig so:

„I Don’t Run" ist eine Rückkehr mit einer ehrlichen Reflexion über eine Zeit, die ihr Leben jenseits ihrer wildesten Vorstellungen verändert hat. Seit 2014 befindet sich die Band auf einem nahezu ununterbrochenem Globetrotter-Trip. Sie haben nie behauptet, fehlerfrei zu sein und sie sehen noch weniger Gründe, sich für irgendetwas zu schämen, nachdem sie schadlos überstanden haben, was alles auf sie niederprasselte: Welttourneen, ausverkaufte Clubs und Hallen, scharfe Kritik, Sexismus und alles, was es noch dazwischen gibt. Hinds sind zu besseren Musikerinnen, engeren Freundinnen und gefestigteren Charakteren geworden.“

Rock on, girls!

Der Winter ist zwar endgültig vorbei, holen wir aber mit den Hinds noch einmal das Schneemobil aus der Garage und begeben uns auf glattes Eis.

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