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Roseanne Couch

Disney/ABC

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Was kann das Reboot von Roseanne?

„Roseanne“ ist zurück. Die zehnte Staffel des Serienklassikers wurde mit dem Skandalversprechen „OMG! Roseanne ist jetzt Trump-Wählerin!“ angekündigt. Aber wie viel vom versprochenen Konflikt wird uns wirklich serviert?

Von Jenny Blochberger

Viel Aufhebens wurde vorab um die Tatsache gemacht, dass Roseanne, Matriarchin der Working Class Family Conner, im brandneuen Reboot Trump-Wählerin ist – ebenso wie ihre Darstellerin und Serienerfinderin Roseanne Barr. Fans der Serie fühlten ihre Ideale verraten und schworen wütend, die neue Staffel zu boykottieren.

Interessant ist dabei, dass Roseanne und Dan Conner nie explizit links waren oder klar als Democrats erkennbar gewesen wären. Die Conners sind eine typische amerikanische Arbeiterklassenfamilie, KleinstadtbewohnerInnen, die sich von einem prekären Job zum nächsten hanteln, immer knapp an der Delogierung. Die größeren Zusammenhänge – warum können sie sich ihr bescheidenes Leben fast nicht leisten, obwohl beide Erwachsenen fast durchgehend arbeiten? Was läuft da falsch? Wer profitiert von diesen Ungerechtigkeiten und was könnte man dagegen tun? - werden nie wirklich angesprochen. Die Welt ist nun mal, wie sie ist, und irgendwie schafft man es schon, darin zurechtzukommen. Zusammenhalten ist die Devise. So weit, so unpolitisch.

Roseannes Küche

Disney/ABC

Gesellschaftspolitisch allerdings machte Roseanne Riesenschritte. Klar, es ist „nur“ eine Sitcom, und trotzdem ist fast nicht zu überschätzen, wie sehr die fortschrittlichen Ideen, die in dieser Durchschnittsfamilie verhandelt werden, zum gesellschaftlichen Wandel beigetragen haben. Und zwar gerade eben nicht, weil die Conners per se fortschrittlich und modern wären, sondern weil man ihnen dabei zusieht, wie sie sich mitunter mit diesen Ideen abmühen, sich trotz deren Fremdheit damit vertraut machen und einander einen Schubs in Richtung liberal thinking geben.

Roseannes Mann Dan, der sich als Familienoberhaupt sieht (obwohl er ständig eines Besseren belehrt wird), ist derjenige, der sich mit damit am Schwersten tut. Hier funktioniert die Verständigung zwischen den Ideologien auch in die andere Richtung: man kann noch so ein commie liberal sein, man muss den stur altmodischen Dan trotzdem mögen - obwohl ihm etwa der Gedanke, sein Sohn könnte schwul sein, gar nicht behagt und er zu stolz ist, um Geld von seiner Schwägerin anzunehmen, weil er ja der Familienernährer ist - weil er einfach ein liebenswerter, charmanter und durchaus zur Selbstironie fähiger Kerl ist, der das Herz am rechten Fleck hat. Und wenn man Dan mag, dann fällt es leichter, auch Verständnis für andere Dans zu entwickeln, die man nicht kennt. Und bei denen man geneigt wäre, sie ob ihrer vorgestrigen Ansichten als hinterwäldlerische Hillbillies abzutun.

Was an der Achtziger/Neunziger Serie Roseanne aber tatsächlich am großartigsten war, war ihr rauer Humor: so macht Roseanne etwa regelmäßig Witze darüber, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Ihre Schlagabtäusche mit Schwester Jackie sind giftig und geistreich und Tochter Darlene steht ihr an Sarkasmus um nichts nach. Legendär die Szene, als Roseanne und Dan ihren Kindern bedrückt mitteilen, dass in der finanziell extrem angespannten Situation wirklich alle mithelfen müssen, damit sie nicht bald auf der Straße stehen – und Darlene zuckersüß fragt: „Just one more thing: Can I have a pony?“

Roseanne und Darlene

Disney/ABC

Womit wir schon beim Reboot wären:

Das laut getrommelte Skandalversprechen „OMG, Roseanne ist Trump-Wählerin!“ wird gleich in der ersten Folge eingelöst und dann relativ spurlos verräumt. Ohne jemals die Namen Trump und Clinton zu nennen, kriegen sich Roseanne und ihre pussyhattragende Schwester Jackie über ihr Wahlverhalten in die Wolle. Wie gewohnt, bleiben tiefergehende politische Statements aus: Roseannes einzige, enttäuschende Begründung für ihre Wahl ist „He promised us jobs, Jackie! You know we almost lost the house!“ Unklar ist, wie der von Haus aus konservativere Dan gewählt hat. Der versprochene Konflikt „Trump-Wählerin Roseanne gegen ihre liberale Familie“ beschränkt sich also derweil auf den ewigen Konflikt Roseanne vs. Jackie.

Das ist schade, denn es wäre sehr spannend gewesen, Näheres über ihre Beweggründe zu erfahren (außer, dass sie die „hosenanzugtragende Lügnerin“ verabscheut). In anderen Belangen ist die Figur Roseanne (die von ihrer Darstellerin Roseanne Barr kaum zu trennen ist) nämlich ebenso bodenständig-humanistisch wie eh und je. Sie mag vielleicht nicht verstehen, warum ihr zehnjähriger Enkel „Mädchenkleidung“ bevorzugt, aber sie unterstützt ihn dabei, sich so ausleben zu können, wie er es möchte.

Bei Jimmy Kimmel erfährt man immerhin etwas über die Motive von Roseanne Barr:

Federführend beim Reboot war Sara Gilbert, die Darstellerin der jüngeren Tochter Darlene. Und weil Darlene von Roseanne-Fans als Unsere Liebe Frau des Sarkasmus verehrt wird, hat man sich da vielleicht zuviel erwartet. Der patentierte trockene Humor, der eigentliche Selling Point der Ursprungsserie, ist immer noch vorhanden, aber etwas abgeschwächt: in den ersten Folgen des Reboots gibt es noch einiges davon, aber ab Folge vier werden die Oneliner, die immer so gut funktioniert haben, von einer ernsteren Stimmung überschattet, die die Serie in Gefahr bringt, zur Drama Soap zu verkommen.

Das ist besonders deswegen bemerkenswert, weil sich das Reboot somit von seiner Stärke, den witzigen, schnellen Dialogen, abwendet und seiner Schwäche zu: den – abgesehen vom hervorragenden John Goodman und der tollen Laurie Metcalf – nur durchschnittlichen DarstellerInnen. Der Cast war immer so gut eingespielt und hatte so gutes Material zu Verfügung, dass man ihm die teilweise etwas ungelenke Darbietung gern nachsah. Das ist auch die Hoffnung für den momentan noch am Abgrund balancierenden Reboot: lasst das Drama sein und bringt die Screwball Comedy zurück! Und da wir schon beim „Roseanne wählt Trump“-Köder angebissen haben, gebt uns den versprochenen Konflikt – mehr als „he promised us jobs“ wird da ja wohl noch drin sein.

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