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Eine Handvoll Cents

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Für eine Handvoll Cents

Unter dem Stichwort „Crowd-Working“ ist in den letzten Jahren ein neues digitales Prekariat entstanden.

Von Ali Cem Deniz

Es ist vielleicht das älteste Versprechen des Internet: von Zuhause aus schnell, einfach und viel Geld verdienen. Aktuell geht das - zumindest in der Theorie - auf sogenannten Crowd-Working-Plattformen: Online-Plattformen vermitteln ihren Kunden die Arbeitskraft von Millionen Menschen, die günstig, flexibel und zuverlässig kleine und eher lästige Aufgaben erfüllen sollen.

Schwerpunkt: Zukunft der Arbeit

FM4 setzt am 30. April einen Schwerpunkt zur Zukunft der Arbeit.

In FM4 Connected wird uns Crowdwork-Expertin Sylvia Kuba eine Stunde lang, von 16 bis 17 Uhr, die drängendsten Fragen zu Digitalisierung und Crowdworking beantworten.

In der FM4 Homebase befassen wir uns dann intensiv mit Big Data, Robotern und künstlicher Intelligenz, aber auch mit dem Grundeinkommen.

Egal, ob es um das Verfassen kurzer Texte geht, die für Suchmaschinen optimiert sind, um die Kategorisierung von Daten oder um Bug-Jagd in neuen Apps geht. Im Idealfall wäre es eine Win-Win-Situation für Auftraggeber und Crowd-Worker. Die Plattformen verdienen natürlich auch damit. Wie sieht diese Praxis aber tatsächlich aus?

Alles für die Suchmaschine

Was sofort auffällt, sind die großen Marken, die die Crowd-Working-Plattformen als Referenzen angeben. Da stößt man immer wieder auf AirBnB, eBay oder T-Mobile und andere Riesen. Das soll nicht nur den Crowd-Workern die Arbeit schmackhaft machen, sondern auch die vielen kleinen und mittleren Betriebe locken, die sich keine eigenen Online-Redaktionen, Marketing- und Recherche-Abteilungen leisten können.

Besonders beliebt im deutschen Sprachraum sind Micro-Jobs im Bereich der Textarbeit. Mit Textbroker gibt es Vermittler, die sich genau darauf spezialisiert haben. In ihren “Fabriken” entstehen meist kurze Artikel und Beschreibungen am Fließband. Es gibt strenge Vorgaben. Alles dreht sich um den “unique content”, mit dem die Auftraggeber auf eine bessere Reihung in Suchmaschinenergebnissen hoffen.

Dass diese Inhalte nur in den seltensten Fällen tatsächlich einzigartig sind, ist kein Geheimnis. Das Netz ist heute randvoll mit Webseiten, die mit vagen Artikeln, aber den richtigen Begriffen Klicks generieren.

Vier Sterne Deluxe

Für die Micro-Worker bedeutet das viele Aufträge, aber auch viel Konkurrenz. Wie überall im Netz läuft auch hier alles über Bewertungssysteme ab. Wer sein Geld mit Mikro-Jobs verdienen möchte, muss zunächst ein Paar Einstufungs-Tests bestehen. Damit werden sprachliche Fähigkeiten und thematische Interessen ermittelt und man erhält entsprechende Jobs. Schnelligkeit und Genauigkeit werden belohnt und die Micro-Worker erhalten daraufhin besser bezahlte Jobs.

Die Gamification der Arbeit dient auch zur Motivierung der Crowd-Worker, die so zügig wie möglich in den Rang der Fünf-Sterne-AutorInnen aufsteigen wollen. Für sie bietet Textbroker vier Cent pro Wort. Nehmen wir diesen Text als Beispiel. Als Drei-Sterne-Autor würde ich dafür auf Textbroker gerade mal fünf Euro und 70 Cent bekommen. Mit fünf Sternen wäre ich bei 24 Euro.

Nur hat Textbroker selbst kein großes Interesse an Crowd-Workern mit der besten Bewertung. Die Auftraggeber schauen auf das Preis-Leistungs-Verhältnis und begnügen sich mit Vier-Stern-Texten, die wesentlich günstiger zu haben sind. Im Netz stößt man immer wieder auf AutorInnen, die von willkürlichen Abstufungen berichten. Sie werfen den Plattformen vor, auf diese Weise die ohnehin niedrigen Löhne weiter zu drücken.

Vielseitig monoton

Textarbeit ist nur eine von vielen Formen der Crowd-Arbeit. Plattformen wie Testbirds lassen mit Hunderttausenden Usern Apps und Produkte testen. Laut eigenen Angaben vergütet Testbirds die Arbeit mit zehn Euro pro Stunde.

Vergleichsweise viel, aber auch hier kann nur ein Bruchteil der TesterInnen von dem Job leben. Denn die Plattform ist so ausgelegt, dass möglichst viele Menschen für kurze Zeit arbeiten und so unvoreingenommen Produkte auf Fehler überprüfen.

Auf Clickworker gibt es Recherche-Aufträge, bei denen Crowd-Worker beispielsweise für Recruiting-Agenturen innerhalb weniger Tage Adressen von Tausenden ProfessorInnen ausforschen.

Siehe auch: Crowd-Working als „eine Art Parallelwelt“
Neue Arbeitsverhältnisse lassen ArbeitnehmerInnen oft rechtlos zurück. Simon Welebil hat mit Sylvia Kuba von der Arbeiterkammer Wien darüber gesprochen.

Viele Menschen arbeiten auch für die Crowd, ohne es zu wissen. Wenn sie etwa bei Logins, um zu beweisen, dass sie keine Roboter sind, Fotos von Autos, Straßenschildern und Katzen anklicken. Das trainiert die künstliche Intelligenz von Google, die immer mehr monotone und standardisierte Aufgaben lösen muss.

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