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Umzugskartons

CC BY 2.0 Benzoyl via Wikicommons

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Die Schöpfung der Schränke

Wenn man Möbel in Kartons kauft, muss man einige Hindernisse überwinden.

Von Todor Ovtcharov

So muss die Welt vor der Schöpfung ausgesehen haben: eintönig und braun. Beim genauen Hinsehen erkennt man ab und zu einen Buchstaben (weil am Anfang das Wort war). Ich befinde mich in den ersten Minuten der Schöpfung und das Licht gibt es noch nicht. Das denke ich mir, als ich aufwache und ein Zimmer in meiner neuen Wohnung beobachte.

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CC BY 2.0 von Benzoyl via Wikicommons

Ein Zimmer voll mit Kartons. Eigentlich sind das keine Kartons, das sind Möbel. Möbel, die fein in braunen Kartons verpackt sind. Ich weiß nicht, wer auf diese bescheuerte Idee gekommen ist. Ein Karton, der Möbel beinhaltet, kann nur täuschen. Er schaut anfangs so aus, als ob man ihn alleine tragen, sogar umarmen könnte. Alles fängt vielversprechend an: man schafft es, den Karton auf seine kurze Seite zu legen. Es ist ein bisschen überraschend, dass er weit über dich hinausragt. Wenn man versucht, den Karton hochzuheben, merkt man, dass man für diese Aufgabe ein Gewichtheber sein müsste. Der Karton rutscht dauernd aus der Hand, wackelt links und rechts und droht runterzufallen. Im besten Falle auf den Kopf der Mutter der lieben Freundin, die herumsteht und fröhlich erklärt, dass sie Leute kennt, die genau so einen Schrank haben und wie zufrieden sie damit sind. Man tut so, als hätte man die Lage im Griff und verlangt nach einem Schiebewagen, wo man den Karton draufhaut. Daraufhin folgt das Meckern der Freundin und der Mutter, die meinen, „wenn man die Möbel so behandelt, braucht man sie gar nicht kaufen“.

Die nächste Herausforderung ist, die Kartons ins Auto zu hieven. Mit viel Mühe schafft man das. Das Auto ist voll, nicht nur der Kofferraum. Es gibt keinen Platz mehr - weder für den Fahrer, noch für den Beifahrer. Für die Mutter schon gar nicht. Ein neues Abenteuer beginnt, damit alle reinpassen. Nach langen Bemühungen schaffen es Fahrer und Beifahrer reinzukommen, zerquetscht von den brauen Kartons. Die Mutter ist sauer, da sie mit dem Bus fahren muss. Auf dem Weg nach Hause verursacht man mehrmals beinahe einen Unfall, da der Fahrer wegen der Kartons nur sehr wenig von der Straße sehen kann. Man ist schon bei der Wohnung und glaubt, alle Leiden wären zu Ende. Doch sie fangen gerade erst an. Die Kartons sind viel zu lang und passen nicht in den Lift. Und man wohnt im fünften Stock. In dem Moment kommt die Mutter an und betrachtet sadistisch, wie man die Kartons raufträgt. Als man sie fragt, ob sie mithelfen möchte, erinnert sie sich, dass sie einen Termin bei ihrem Psychotherapeuten hat.

Am Ende des Tages hat man die Kartons hochgetragen und am Boden aufgestapelt. Man ist komplett fertig und schläft ein. Man träumt von Gott, der in einem goldenen Arbeitsoverall vor einem steht, mit einem Akkuschrauber in der Hand und sagt: „Wach auf, Mensch, große Taten warten auf dich!“ Im Traum ragt der Schrank wie eine Kathedrale empor und man steht klein und nichtig vor ihm. Und wenn man die Augen öffnet, steht man vor der Schöpfung der Schränke.

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