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Artwork zu "The Swords of Ditto": eine Figur läuft in ein Schloss

Onebitbeyond / Devolver Digital

Das dauert mir alles zu lange

Digitale Spiele möchten, dass wir viel Zeit mit ihnen verbringen. Das ist grundsätzlich okay. Allerdings nicht dann, wenn ein Großteil der Beschäftigung aus uninteressanten und nervigen Tätigkeiten besteht.

Von Robert Glashüttner

Games dauern zu lange. Nicht alle natürlich, aber immer noch viele. Weiterhin ist der Satz „100 Stunden Spielspaß“ ein fragwürdiges Qualitätskritierum, wo es doch eher ein abschreckender Kommentar sein sollte. Computerspielkultur ist weiterhin von dem seltsamen Prinzip geprägt, der Spielerin möglichst viel Zeit abzuringen. Womit genau, das ist eigentlich Nebensache.

Nun habe ich in den letzten 35 Jahren viel Zeit mit Games verbracht. Der Großteil davon ist allerdings in bestimmte, einzelne Titel geflossen, die ich an einer Hand (okay, vielleicht an zwei Händen) abzählen kann. Es sind Spiele, die mich nicht zum Arbeiten zwingen. Mit Arbeiten meine ich: unfreiwilliges Wiederholen von gleichförmigen, langweiligen Tätigkeiten, um später, nach vielen Stunden, den in PR-Meldungen oft beschworenen Spielspaß endlich entdecken zu dürfen. Müsste es da nicht eigentlich heißen: „30 Stunden Arbeit, danach möglicherweise 70 Stunden Spielspaß“?

Screenshot aus "The Swords of Ditto": Abhängen vor dem Rathaus

Onebitbeyond / Devolver Digital

Das Absurde an diesem Umstand ist, dass viele SpielerInnen diesen Zeitdiebstahl verteidigen. Am Anfang sei es ja total anstrengend, argumentieren sie, aber irgendwann wird es total toll! - Gut zu wissen, aber warum sollte ich mich nur aufgrund des vagen Verspreches, später eventuell unterhalten zu werden, durch eine Tätigkeit quälen? Geht es hier um Entertainment oder um Distinktionsgewinn? Sollte ein wirklich gutes Spiel nicht von der ersten Minute an ein tolles Erlebnis bieten?

Vom System unterdrückt

Die meisten Games fordern von uns Leistung ein, und das bedeutet: Probieren, scheitern, lernen. Das braucht Zeit, doch dieser Lernprozess hat erst mal nichts mit Frust, Langweile oder Gleichförmigkeit zu tun. Lernen ist im Idealfall spannend und motivierend. Enttäuschung und Ärger dürfen da natürlich auch mitspielen, doch auch das ist weit von jenem stundenlangen Durchboxen entfernt, das viele Games von den SpielerInnen einfordern.

Screenshot aus "The Swords of Ditto": in einem pinkfarbenen Verlies

Onebitbeyond / Devolver Digital

Das Problem beginnt meist bei repressiven Spielsystemen, die einen anfangs in ein Korsett an geringen Möglichkeiten zwängen. Ich mag es nicht, in ein Game geworfen zu werden und schon nach kurzer Zeit zu spüren, dass ich mich hier nicht frei einarbeiten und die jeweilige virtuelle Umgebung nach Lust und Laune entdecken kann, sondern erst mal mit belanglosen Tätigkeiten davor zurückgehalten werde, etwas Relevantes, Interessantes zu erleben. Ich möchte von Anfang an im Spiel frei sein, viele Möglichkeiten haben.

Die meisten Games, die ich liebe, bieten diese Freiheit: Die „Gothic“-Rollenspielreihe etwa, die mir und meinem Charakter keine Grenze auferlegt. Das Motto lautet: Du willst sofort überall hingehen können? Gerne. Wundere dich aber nicht, wenn du bald schon von einem Riesengolems niedergetrampelt wirst, wenn du ihm unvorbereitet gegenüber trittst. Ähnlich verhält sich die Lage im Indiana-Jones-artigen Hüpfspiel „Spelunky“: Das Game durchzuspielen dauert nur rund eine Stunde. Immer ist das Ziel mehr oder weniger in Reichweite, ganz ohne, dass das Design mich durch ein Level-System, Waffen-Upgrades oder irgendwelche Prüfungen, die ich bestehen muss, an der kurzen Leine hält. Stattdessen genieße ich die Möglichkeiten, scheitere individuell und lerne nach meiner eigenen Façon.

Screenshot aus "The Swords of Ditto": Im Kampf gegen ein hellblaues Furry-Wesen

Onebitbeyond / Devolver Digital

Was ich hingegen nicht mag, sind virtuelle Wiesen, durch die ich stundenlang laufen und wo ich mich durch diverse Büsche und Minigegner schnetzeln muss. Spiele, wo ich unentwegt Münzen einsammeln, meinen Charakter verbessern, Gegenstände kaufen muss, damit ich irgendwann bereit bin, eine interessante Tätigkeit ausführen zu dürfen. Wann ich dann genau fit für das wirkliche Abenteuer bin, wo die Unterhaltung versteckt ist, weiß ich nicht und das sagt mir das Spiel meistens auch nicht. Im Zweifelsfall lieber noch ein paar Stunden Büsche köpfen oder Kanonenfuttermonster plätten. Spielspaß!

The Grind of Ditto

„The Sword of Ditto“, ein visuell putzig präsentiertes, „Zelda“-artiges Retro-Action-Rollenspiel, ist einer der jüngsten Vertreter dieser Games, die SpielerInnen viel zu lange hinhalten und sie stundenlang mit Belanglosigkeiten quälen.



Ich bekomme eine Heldin oder einen Helden zugewiesen, der das namensgebende Schwert von Ditto trägt und es gleichzeitig auch verkörpert. Damit muss die Hexe Mormo besiegt werden, die die Welt unterjocht. Vier Tage habe ich im Spiel nun Zeit, meinen Charakter hochzuleveln sowie Gold und Gegenstände zu sammeln, die mir im Kampf helfen. Ist die Zeit um, werde ich – gut vorbereitet oder nicht - von einer kuriosen Mistkäfer-Fee zum Schloss von Mormo zitiert. Jetzt geht es um alles oder nichts. Aber meistens kann es bei den ersten paar Versuchen gar nicht klappen, weil man das Spielsystem noch nicht kennt und kaum hochgelevelt ist. Also wieder zurück zum Start.

„The Swords of Ditto“, entwickelt von Onebitbeyond, ist im Vertrieb von Devolver Digital für Windows und Mac sowie PS4 erschienen.

Statt spannende Kämpfe auszufechten, bin ich die meiste Zeit über mit Belanglosigkeiten beschäftigt. Später betrete ich wieder den Turm der Hexe, wo dann aber immer viel stärkere Gegner auftauchen als in den anderen Arealen des Spiels und mich bald schon der nächste Bildschirmtod begrüßt. Das wäre ja grundsätzlich kein Problem. Hier aber heißt es jede einzelne Mal: Wieder alles von vorne, wieder zum Grab des Vorgängers schreiten und das Schwert einsammeln, wieder von der Mistkäfer-Fee mit ihren Tipps genervt werden, wieder Grasbüschel und Monster köpfen und blöde Items kaufen.

Ich hol’ mich hier raus

Ich will schon nach zweieinhalb Stunden keine weitere Minute mehr in diesem Spiel verbringen. Warum sollte ich auch? Ich lerne durch diese Zeitschinderei nichts, werde nicht gefordert, nicht motiviert, nicht unterhalten. Wer mit „The Swords of Ditto“ und ähnlichen Grinding-Festen Spaß haben will, muss sehr geduldig sein. Aber in der wirklichen Welt ist das mit dem Zurückdrehen der Zeit leider nicht so einfach. Also sollte man lieber gleich bessere Computerspiele spielen und unnachgiebiger gegenüber jenen Games sein, die uns nicht nur das Geld aus der Tasche, sondern auch die Zeit aus dem Leben ziehen wollen.

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