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God of War

Sony

Der Gott des Krieges und sein Bua

Hymnische Kritiken und perfekte Wertungen: „God of War“ ist nichts weniger als der erste Popcorn-Blockbuster des Spieljahres. Mehr allerdings auch nicht.

Von Rainer Sigl

„God of War“ beginnt mit einer Einäscherung: Kratos’ Frau ist verstorben. Ja, schon wieder - nur ist es diesmal eine andere Frau. Kenner der Serie erinnern sich: Nachdem der rabiate göttliche Glatzkopf in den ersten drei Teilen der inzwischen schon klassischen Actionspektakelserie als Rache für einen vorherigen Familienmord so ziemlich das vollständige antike Pantheon dezimiert hat, hat er sich ganz woanders hin verzogen - in einen mythischen Norden.

Diesmal ist auf den ersten Blick scheinbar niemand schuld am Tod der Gattin, und so verbringen wir den Rest der etwa 30 Spielstunden damit, ihre Asche auf den Gipfel des höchsten Berges zu bringen. Wie immer in der blutigen Action-Serie stellen sich uns dabei zahllose Monster und sogar andere Götter in den Weg, die wir diesmal mit unserer magischen Axt kurz und klein schlagen.

Sind wir schon da?

Ganz und gar nicht wie immer ist es allerdings, dass wir dabei nicht allein sind: Bei diesem Abenteuer ist auch der etwa zehnjährige Sohn des Kriegsgottes mit dabei. Der trauert um seine Mutter und kämpft zugleich um die Anerkennung seines grummeligen Vaters, von dessen Götternatur er anfangs keine Ahnung hat. Kratos wiederum bemüht sich sichtlich, die ungewohnte Elternrolle verantwortungsbewusst zu erfüllen.

Das macht aus dem bisher stumpf-brachialen Haudrauf auf einmal einen oft hilflosen, aber doch fürsorglichen Vater. Auf der trotz beworbener „offener“ Spielwelt letztlich recht linearen Reise hat der kampfstarke Kratos mit den emotionalen Bedürfnissen seines Sohnes ebenso zu kämpfen wie mit der skandinavischen Mythenwelt. Die Geschichte dieser Beziehung wird in Cutscenes ebenso erzählt wie im allgegenwärtigen Hin und Her zwischen Vater und Sohn, die sich auch in den vielen Kämpfen und bei gelegentlichen Rätseln als Team zur Seite stehen.

God of War

Sony

Papifizierter Wüterich

„God of War“ ist das erste richtig bombastische millionenschwere Hochglanzspiel des Jahres, und es hat, wenn man die zahlreichen perfekten Bewertungen ansieht, die Erwartungen übererfüllt. Dass es gut aussieht und toll inszeniert ist, ist irgendwie selbstverständlich, dass allerdings aus einem stumpfen Action-Muskelprotz ein trauernder Papa wurde, war dann doch eine Überraschung. Wie bei „The Last of Us“ steht das Verhältnis zwischen einem Eltern-Kind-Duo im Mittelpunkt und sorgt dafür, dass das düstere Actionspektakel sogar ein bisschen erwachsen wirken darf.

Frech formuliert: Zum ersten Mal in der Serie ist nicht nur blinde Zerstörungswut das Thema, sondern auch - oha - emotionale Fürsorge. Man könnte vielleicht von „Papifizierung“ sprechen. Aber: Eine dysfunktionale Vater-Sohn-Beziehung, die letztlich durch einen Roadtrip auf wundersame Weise „repariert“ wird, geht eigentlich nur im Vergleich zu den klischeehaft inhaltsleeren Vorgängern und - zugegeben - großen Teilen des restlichen Mediums als Gipfel der neuen Erwachsenheit durch. Ein harter Papa, der eigentlich ein ganz Lieber ist und nur seine Gefühle nicht zeigen kann, als Erzählfolie für ein Spiel, in dem wir Gegner per Axthieb entzweihacken - baby steps.

„God of War“ ist für PS4 erschienen.

Abseits der Story, die naturgemäß ins absolut erwartbar Sentimentale abdriftet, bietet „God of War“ all das, was man sich von einem millionenschweren Blockbuster eben so erwarten darf. Gameplay-Innovation gehört nicht dazu, aber das verzeiht man angesichts beeindruckender Inszenierung und Größe dann auch. Weniger verzeihlich ist der umständlich zu verwaltende extra aufgepropfte Rollenspielanteil. Ohne den kommt scheinbar heutzutage auch kein großes Actionspiel mehr aus, auch wenn einen das Jonglieren mit Menüs und Charakterwerten verlässlich aus der ansonsten dichten Atmosphäre des Spiels reißt.

„God of War“ ist ein kompetentes, toll inszeniertes Popcornspiel, dem man sein Megabudget jederzeit anmerkt. Nicht weniger - aber auch nicht mehr.

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