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Strand in den Malediven

Valerie Kattenfeld

Weltreiseblog

Traumziel Malediven

Weißer Sandstrand, Unterwasserrestaurants und Walhai-Schnorcheln. Die Malediven sprengen mein Backpacker-Budget. Und das Wetter will auch nicht mitspielen.

Von Valerie Kattenfeld

Mit den Malediven hatte ich mich damals getröstet, als ich in Wien meine Mittelohrentzündung bekommen hatte und den Start meiner Weltreise um einen ganzen Monat verschieben musste. Ich saß mit meinem verstopften Ohr im Wohnzimmer. Mein Druckausgleichs-Instrument war in einen Wattebausch gepackt, der unter einer gemusterten Zipfelmütze steckte. Um meinen Grant zu besänftigen, blätterte ich in meinem Lonely Planet. Ich schlug die Malediven auf. Dort las ich von Walhaien, mit denen man schnorcheln konnte, von Puderzuckerstränden und Mini-Flugzeugen, die direkt auf der Wasseroberfläche landen. Ich geriet ins Schwelgen. Und das blöde Ohr war spätestens nach einer exzessiven Google-Bildersuche vergessen.

Malediven: Badewanne mit Blick auf den Strand

Valerie Kattenfeld

279 Tage später sitze ich im Flieger von Tokyo nach Malé, der Hauptstadt der Malediven. Dass der Flug genauso viel kostet wie ein Wasserflugzeug von einer der 1.196 kleinen Inseln zur anderen, hatte ich damals bei meiner Recherche nicht bedacht. In meinem Delirium hatte ich auch die finanzielle Belastung dieser Destination ausgeblendet. Macht ja nichts. Ich muss ja nicht in einer Stelzenhütte im Wasser übernachten. Couchsurfen geht auch. Nur blöd, dass die meisten Hosts in der Hauptstadt sind - und wegen der ist man ja nicht gekommen.

Gefühlsmäßig bin ich jetzt im Paradies. Aber wie genau komm ich da nochmal hin?

Die Antwort ist einfach: gold, sechzehnstellig, beginnt mit „V“ und endet mit „ISA“. Nikki und ich leisten uns einen Tagesaufenthalt im maledivischen Club Méditerranée. In Anbetracht der schlechten Wettervorhersage für die Woche bleibt uns kaum etwas anderes übrig.

Die Malediven sind die einzige Destination, wo ich gemeinsam mit einer Freundin Urlaub mache. Ich hatte Nikki damals auf Ko Samui beim Meditation Retreat kennengelernt. Besser gesagt danach. Denn eigentlich hatten wir bloß eine Woche lang nebeneinander geschwiegen und davor vielleicht drei Sätze miteinander gewechselt.

Nikki, Valeries Freundin

Valerie Kattenfeld

Nikki arbeitet als Kellnerin in Las Vegas und baut nebenbei ihr Unternehmen auf, wo sie Tanz als Heilungsmethode für traumatisierte Frauen anbietet. Sie war wie ich auf Weltreise, nur blöderweise in die entgegengesetzte Richtung unterwegs. Bevor es für sie heimging, schrieb sie mir: „Wo bist du nächsten Monat? Ich will dich nochmal sehen.“ Am nächsten Tag hatte sie die Malediven gebucht.

Wie aus dem Urlaubsprospekt

Vom Motorboot aus sehen wir endlich die Malediven, die wir aus den Prospekten kennen: ein palmengesäumter Strand, eine Schaukel im Wasser, eine Reihe an Wasserbungalows. Ich beginne meinen All-Inclusive-Club-Tag mit einem Cappucchino und Croissant, Nikki genehmigt sich schon mal den ersten weißen Spritzer. Dann geht es ans Fotografieren. Wir tun alles, um mit der Schönheit unserer Umgebung mithalten zu können. Von einem entspannten G.O. („gentil organisateur“, also soviel wie ein freundlicher Gastgeber) lassen wir uns durch die surreale Luxusanlage führen. In den Wasser-Bungalows gibt es Badewannen mit Meerblick. 800 Euro pro Nacht zahlen Menschen für so etwas. Da kann mein Geldbörserl nicht mithalten.

Valerie Kattenfeld am Strand auf den Malediven

Valerie Kattenfeld

Nachdem wir unsere Beweisfotos geschossen haben, nehmen wir die Wasserschaukel in Beschlag. Dabei werden wir von einem eifersüchtigen Paar mittleren Alters umkreist, das uns fünfzehn Minuten lang missbilligend betrachtet und dann mit „Dürfen wir dann endlich auch mal drankommen?!“ herausplatzt. Da genau zu dem Zeitpunkt die ersten Regentropfen einsetzen, haben wir nichts dagegen.

Regen auf den Malediven

Für den Rest des Tages bleiben uns Essen und Cocktails. Und für den Rest der Woche Essen, Cocktails, Kartenspiele, Bücher und Internet. Es regnet an fünf von sieben Tagen. Einen davon verbringen wir komplett im Kaffeehaus, weil aufgrund des schlechten Wetters die Vormittagsfähre gecancelt wurde. Zum Glück bin ich seit Neuseeland ein Schlechtwetterprofi.

Valerie mit Regenschirm

Valerie Kattenfeld

Die Rettung in allen verzwickten Lebenslagen lautet: Humor. Egal wie deprimierend, desillusionierend oder unglückselig eine Situation ist: wenn man drüber lachen kann, ist es nur noch halb so schlimm. So zum Beispiel die Geschichte von dem Unterwasserrestaurant. Es gibt auf den Malediven vier Unterwasserrestaurants, die zu Club-Anlagen gehören. Bei Nicht-Hotelgästen scheint das unausgesprochene Gesetz zu gelten, dass man auf Reservierungsfragen einfach nicht antwortet. Somit platzt der Traum, den ich damals mit meiner Mittelohrentzündung in Wien geschmiedet hatte. Die Idee vom Unterwasserrestaurant lässt mich aber nicht los. Just zu der Zeit sucht das österreichische Landjäger Kürzestfilmlfestival 12-sekündige Videos. Nikki wird zu meiner Kamerafrau. Wir drehen „Underwater Restaurant“, ein tiefgründiger Kürzestfilm, der trotz seiner Genialität von der Filmgeschichte und der Jury des Landjäger Festivals bis zum heutigen Tag zu Unrecht nicht gewürdigt wurde:

Der Strand, auf dem wir das Video drehen, befindet sich auf der Insel Hangnaameedhoo, wo wir vier Tage in dem Gästehaus Kalaafaanu verbringen. Da die Malediven ein muslimisches Land sind, gibt es auf den Nicht-Ferienclubinseln immer nur kleine, abgeschirmte Strandabschnitte, in denen man sich im Bikini aufhalten darf. Die schönste Zeit verbringen wir demnach eigentlich unter Wasser, wo Nikki mir einen Crashkurs im Freediving gibt. Ich schaffe es, die Luft eine Minute lang anzuhalten, sie schafft drei. Einmal haben wir riesiges Glück und sehen zwei Tintenfische.

Schlechtes Gewissen beim Walhai-Schnorcheln

Als Abschluss unserer Woche leisten wir uns einen Ausflug zum Walhai-Schnorcheln. Was ich mir als naturverbundenes, sanftes Beobachten vorgestellt habe, entpuppt sich leider als hysterische Motorboot-Jagd, an der gleich sechs unterschiedliche Touristengruppen beteiligt sind. Alle Guides sind über Funk miteinander verbunden und sobald einer einen Walhai sieht, hechten alle hin. Den Touris wird gezeigt, wo sie ins Wasser springen sollen, und dort paddeln sie in ihren dicken knallorangenen Schwimmwesten und Flossen herum und stecken die Köpfe ins Wasser. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Walhai meistens schon in Sicherheit gebracht.

Ich kann mir vorstellen, wie viel Stress das beim Tier auslöst, und ich fühle mich immer schlechter, dass ich diese fragwürdige Dienstleistung in Anspruch nehme. Viel lieber wäre ich eine einzelne, zufällige Beobachterin aus der Ferne, wie damals in Neuseeland, als völlig unerwartet Delphine vor mir aus dem Wasser gesprungen sind. Aber jetzt reiße ich wie alle anderen gestresst den Körper herum, um einen Blick auf die mächtigen, weiß gepunkteten Planktonfresser zu erhaschen.

Als ich den Kopf unter Wasser stecke, entdecke ich einen etwa vier Meter langen Walhai direkt unter mir. Er ist wunderschön. Und vertschüsst sich sofort in die Tiefe. Darf man überhaupt behaupten, man hätte „mit Walhaien geschnorchelt“, wenn es nur ein Bruchteil einer Sekunde war? Ich bezweifle es. Immerhin hatte ich damals im Kaiyūkan Aquarium im japanischen Osaka ein längeres Vergnügen mit einem Wahlhai. Aber auch dort hatte ich ein schlechtes Gewissen. Wie glücklich die sanften Meeresriesen in einem 34 mal 9 Meter großen Becken sein können, sei in Frage gestellt...

Walhai in Osaka im Aquarium

Valerie Kattenfeld

Die moralisch-ethischen Fragen häufen sich auf einer Weltreise. Einerseits will ich gewisse Dinge einfach total gerne sehen oder machen, andererseits finanziere ich damit Systeme mit, die eigentlich nicht mit meinen Werten übereinstimmen. Dieser Widerspruch zeigt sich auch direkt am Besuch der Malediven: ich wollte sie unbedingt sehen, also flog ich hin. Und trage damit genau zu jenem ökologischen Effekt bei, dass die Inseln in hundert Jahren verschwunden sein werden.

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