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Father John Misty am Primavera Barcelona

Eric Pamies

artist of the week

Die Essenz der Musik

Father John Misty veröffentlicht Musik am laufenden Band, die Qualität ist gleichbleibend hoch: Mit seinem neuen, sehr guten Album „God’s Favorite Customer“ ist er unser FM4 Artist Of The Week.

Von Lisa Schneider

„I’m feeling good, damn, I’m feeling so fine“ - damit gibt Father John Misty nicht nur dem heurigen Primavera Festival in Barcelona, bei dem er mit neuem Album aufgetreten ist, ein Motto. Er singt diese Zeilen in der Single „Mr. Tillman“ (Joshua „Josh“ Tillman ist sein bürgerlicher Name) vor allem auch für sich selbst. Mit seinem neuen, vierten Album „God’s Favorite Customer“ ist er angekommen. An einem Ort, der verlockend klingt, und an den das glückliche Publikum mitreisen darf.

Father John Misty ist selbsterkorene Kultfigur, Hedonist, Don Juanist, lauter Prophet, Zyniker, Intellektueller, Komiker, Selbstverliebter. Das alles präsentiert er der Presse und seinen Fans und schreibt seit seinem Karrierestart 2012 laufend Songs darüber, wie er die Welt sieht.

Vielmehr noch als über das, was er erlebt, zu schreiben, wirft er Fragen auf. Mit seinem ersten Album „Fear Fun“ hat er die Figur des Father John Misty vorgestellt, nachdem er zuerst unter „J. Tillman“ dezent-schöne Folkpopalben veröffentlicht hat und bei Fleet Foxes als Livedrummer mit dabei war. Der Durchbruch kam mit dem katholisch anmutenden Synonym, und vor allem mit seinem zweiten Album „I love you, Honeybear“. Ein Album, gewidmet seiner Frau, es geht natürlich um die Liebe. Sein letztes, von Philipp L’Heritier als „Album des Jahres“ bezeichnet, heißt „Pure Comedy“ und erscheint letzten Frühsommer; und jetzt, kaum zwölf Monate später, ist auch schon wieder Nachschlag da.

Dem Glauben abgeschworen

„God’s Favorite Customer“ mag titelmäßig in die Irre führen, auch wenn Father John Misty nicht nur in seiner Namenswahl, sondern auch sonst in seinen Texten nicht mit christlichen oder allgemein religiösen Referenzen geizt. Im titelgebenden Song singt er „Won’t you speak to me angel / Don’t you remember me?“ - Zeilen, nach oben gerichtet, ins Leere, wo nichts (mehr) für ihn zu finden ist. „I was God’s favorite customer“ heißt es da, die Betonung liegt auf der Vergangenheit. Das In-die-Irre führen ist ein Spiel, das er gerne spielt; auch auf augenscheinliche Oberflächlichkeiten kann Father John Misty nicht verzichten. Man muss nicht alles verstehen, um seine Musik zu mögen, aber wer ein bisschen an der Fassade kratzt, wird einfach noch mehr Spaß daran haben.

Auf seinem epischen Album „Pure Comedy“ stellt Father John Misty erstmals die großen Fragen: Wo sind wir, wer sind wir? Wo soll das hingehen, und wieso das Ganze? In lange Tiraden verpackt, die oft und gerne 13 Minuten lang andauern, ohne Refrain in langen Redeschwällen vor sich hin mäandernd, handelt er so die großen Menschheitsfragen ab. Die schon fast als literarisch zu verstehenden Texte zeigen den Songwriter auf der Höhe seiner Kunst; niemand sonst vermag es momentan, gleichzeitig so viel Selbstverherrlichung und -ironie zu vereinen.

Zurück zum Popsong

Auf „God’s Favorite Customer“ ziehen sich die langen Reden zurück, der Zeigefinger ist nicht mehr erhoben, er wedelt nur ab und zu hin und her. Vor allem live, sitzt er auf der Hüfte, die den Schwung üben darf. Das neue Album kehrt zurück zur klassischen Popsongqualität: Verse, Bridge, Chorus. Father John Misty hat mit seinen Songs noch nie etwas Neues erfunden, das Klavier von Randy Newman ist noch da, die starken Gitarrenchords, Schellen und Tamburin, um das Ganze harmonisch abzurunden. Es ist das Gesamtpaket, die Paradefigur eines Singer-Songwriters, die hinter den Songs steht.

Natürlich braucht er Studiomusiker, natürlich braucht er eine Liveband, aber Father John Misty ist Father John Misty und die Figur, die er erschaffen hat, trägt und verändert gleichzeitig die Musik nach außen. Es war ein waghalsiger Schritt, sich in einer coolen Welt, die dem Pathos abspricht, hinzustellen und sich selbst als nichts weniger als den neuen Heiland zu preisen.

Was das alles mit Knausgard zu tun hat

Man kann ihn nur lieben oder hassen, und es ist genau diese Bipolarität, die ihn durch sein neues Album treibt. Neben beschwingt geklimperten Pianotasten heißt es in „Date Night“ „nothing impresses me much“ - ich habe alles gesehen, wovor noch fürchten, Achtung haben? Und dann geht es aber wieder zurück in die Introspektive, „You’re too much to loose / you’re all that I have“. Auch Father John Misty hat seine Schwachstellen, nicht die Privatperson, auch die Figur. Wenn es ernst wird, geht es natürlich um die Liebe, ähnlich wie in „Just Dumb Enough To Try“, ein Abgesang an die immer wieder aufkeimende Hoffnung, die man ins Gegenüber steckt.

LIVE

Am 15. November spielt Father John Misty in der Arena Wien. Unbedingte Empfehlung.

Father John Misty wirft auch auf „God’s Favorite Customer“ mehr Fragen auf als Antworten. Der Sinn kommt nicht von außen, jeder einzelne muss ihn seinem Leben selbst geben. An dieser Stelle wäre es interessant zu wissen, was Josh Tillman vom norwegischen Schrifsteller Karl Ove Knausgard denkt; der ihm nicht nur optisch, sondern auch, was seine Art zu formulieren angeht, unglaublich ähnlich ist. Es sind am Schluss die kleinen Dinge, die zählen, auch wenn das pompöse Streicherarrangement die Zeilen überdröhnt.

Es sind grundexistentielle Fragen, die beide, Musiker wie Schriftsteller, durch ihre Kunst treiben. Die sich beide dafür entschlossen haben, sich nach außen zu kehren und damit in den Mittelpunkt zu rücken, in einer kaum fassbaren Mischung aus eigentlicher Misanthropie und Geltungsdrang. Damit muss man als HörerIn umgehen lernen, man muss sich tatsächlich einlassen auf diese Figur, die ihre Geschichte erzählt. Es ist aber genau das die Essenz des Singer-Songwritertums, die Reduktion auf diese eine Stimme, und sie muss gut sein, um ihr folgen zu wollen.

Father John Misty Cover "God's Favorite Customer"

Bella Union

Das vierte Album von Father John Misty, „God’s Favorite Customer“ erscheint via Bella Union.

Coming-Down Album

Father John Misty ist nicht gut, er ist außergewöhnlich gut. Allein auch darin, wie er singt, wenn er im Eröffnungssong des neuen Albums wieder eine ihm typische Gretchenfrage stellt: „What’s your politics / What’s your religion?“.

„God’s Favorite Customer“, das vierte Album von Father John Misty, ähnelt im Ansatz seinem letzten am meisten. Es geht um alles, um die Liebe, Glaube, Tod, um idiotische Szenen, bei denen sein Pass am Hotel Check-In geprüft wird. Gleichzeitig fühlt es sich an, als hätte er einen Gang zurückgeschalten, ohne sich dabei künstlerisch einzubremsen; ein kurzes Innehalten, Reflektion, Pomp und Gockelgehabe außen vor.

Am Albumcover ist ein schönes Porträtfoto von Josh Tillman zu sehen, es dürfte schon etwas älter sein, zumindest wirkt er darauf jünger, als er live aussieht. Es ist die umgekehrte Denkerpose, die Augen gehe ins Leere, die Stirn ist an der rechten Hand abgestützt. Nachdenken über die Zukunft, über das, was als nächstes kommt.

Aktuell jedenfalls befindet sich Father John Misty auf der Höhe seiner Kunst.

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