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Konstantin Gropper sitzt nemebn einem Clown im Wiener Prater

Clemens Fantur

Zwischen Traumwelt und Alltagshorror

Nach einer Platte über die Liebe hat Konstantin Gropper von Get Well Soon ein Album über die Angst gemacht. „The Horror“ ist ein orchestrales Meisterwerk mit Streichern, Glöckchen, Flöten und der samtenen Stimme vom deutschen Crooner Nummer 1.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Ein bedrohendes Rauschen und Sounds wie von fernen Bomberflugzeugen eröffnen das neue Get Well Soon Album „The Horror“. Auch wenn die Streicher, Bläsersätze und Flöten einsetzen, ist die Stimmung der Anfangsnummer „Future Ruins Pt. 2“ sehr düster und entrückt. Schließlich hatte Sänger und Songschreiber Konstantin Gropper auch Bilder von zerbombten, kaputten Städten in Syrien im Kopf:

„Das waren ja vor ein paar Jahren noch ganz normale, intakte Städte. Wenn man sich Fotos von Dresden oder Berlin von 1945 ansieht, sieht das sehr ähnlich aus. Und heute merkt man quasi nichts mehr davon. Das hat mich an ein Zitat von den Einstürzenden Neubauten erinnert: Alles künftiger Ruin, Material für die nächste Schicht. Überhaupt geht es auch dem ganzen Album um die Angst, dass sich die Geschichte immer wieder wiederholt.“

Dieses sechsminütige Stück, in dem die tunesische Sängerin Ghalia Benali dem opulenten Orchestersound einen exotischen Flair verpasst und das sich durch einen schweren Schlagzeug-Beat und treibenden, tiefen Saxophonlinien noch zu einem Indie-Song aufschwingt, macht klar: „The Horror“ von Get Well Soon fordert von uns komplette Aufmerksamkeit.

Konstantin Gropper von get Well Soon sitzt unter dem Schriftzug "Horror" aus goldenen Luftballonbuchstaben

Clemens Fantur

Von der Liebe zur Angst

Noch vor zwei Jahren hatte Konstantin Gropper mit dem Album „Love“ die utopische Vorstellung, dass Liebe die treibende Kraft unserer Welt ist, in Popsongs gegossen. Doch in letzter Zeit ist dem deutschen Komponisten immer klarer geworden, dass es die Angst ist, die mittlerweile unser aller Alltag maßgeblich bestimmt.

Albumcover get Well Soon "The Horror" schwarzer Hund in weißem Zimmer

Get Well Soon

Das neue Album „The Horror“ von Get Well Soon ist auf Caroline International / Universal Music erschienen.

Interessanter Weise lullt uns die Musik gerade zum titelgebenden Stück „The Horror“ regelrecht ein, mit den zarten Flöten, den sanften Streichern und den Glöckchen. Es entsteht eine Idylle, die stark an Filmmusik der 50er und 60er Jahre erinnert, wobei vor allem die Arbeiten von Hitchcock-Komponist Bernard Hermann als Inspirationsquelle gedient haben. Oder auch die Kompositionen von Nelson Riddle, der in den 50ern für Frank Sinatra gearbeitet hat. Die Angst und der Horror stecken hier zwischen den Zeilen und Tönen, sie sind unterschwellig immer spürbar und können jederzeit aufbrechen.

Konstantin: „Ich finde das repräsentiert gut unsere priviligierte Perspektive auf diesen Welthorror im Moment. Und dass diese Angst, die scheinbar überall grassiert, geschürt wird und Wahlen gewinnt, nicht wirklich real ist. Es ist eine gemachte, erfundene Angst, deshalb ist sie bei mir auch so eingebettet in eine Traumwelt.“

Passend dazu hat Konstantin den Song „The Only Thing We Have To Fear“ geschrieben, der auf einem Zitat von Franklin Roosevelt basiert: Das einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst. Dieser traurigen, sanft swingenden Ballade ist, passend, ein Auszug des Grimm-Märchens „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ vorangestellt. Und textlich nimmt sich hier Konstantin Gropper kein Blatt vor den Mund, wenn er von dem extremen Rechtsruck in seinem Land spricht.

Dass sich das Album meist mit dem gesellschaftpolitischen Horror befasst, zeigt die extra dazu produzierte Kurzfilmreihe „The Horror“ des Kölner Produktionsteams bildundtonfabrik btf, in der es um künstliche Intellegenz, künstliche Gefühle und unsere Entfremdung von der Natur und unseren Kampf gegen sie geht. Das ganze wird unterlegt mit Musik der ersten Single „Martyrs“.

Alpträume und Verankerung der Realität

Es gibt auch persönliche Bezüge von Konstantin Gropper zu der Angst-Thematik, die sich durchs ganze Album zieht. In einem der Alpträume, die Konstantin zu dem Song „Collaps“ verarbeitet hat, erwacht er von einem grollenden Gräusch. Als er vor sein Haus tritt, ist es von einem gähnenden Abgrund umgeben. Niemand ist da und er kann auch seine Familie nicht mehr finden. Zu dieser inhaltlichen Endzeitstimmung singt Konstantin Sinatra-like zum träumerischen Orchester, einem verirrten Saxophonsolo und flockig-lockerem Beserl-Schlagzeug.

Auch viele Dokumentationen über den Zweiten Weltkrieg und den Aufschwung der Nationalsozialisten, die, wie Gropper vermutet aufgrund der Trump-Wahl jetzt wieder vermehrt gezeigt werden, haben ihn bis in den Schlaf verfolgt. So sitzt er im Alptraum-Song „Dinner at Carinhall“ mit Reichsmarschall Hermann Göring in dessen Jagdschloß am großen Esstisch.

Konstantin Gropper von Get Well Son im Wiener Prater unter einem Drachen

Clemens Fantur

Konstantin: „Göring führt mich dann im Traum durch sein Anwesen. Er hat ja geraubte Kunst gesammelt, und es sieht aus wie in einem riesigen Museum. Er hat dort auch Löwen gezüchtet und sich komplett ausgelebt. Für mich geht’s in dem Song auch um das Thema, was Macht aus einem Menschen machen kann. Die Geschichte lehrt uns ja, dass zu viel Macht nie gut für den Charakter ist. Mit Macht gut umzugehen ist für mich einer der größten Heausforderungen, der sich ein Mensch stellen kann.“

Damit sich auf „The Horror“ nicht alles in einer Traumwelt abspielt, hat Konstantin Gropper einiges seiner Field-Recordings in die Songs eingebaut, um das gesamte Werk in der Realität zu verankern. In dem poppigsten Up-Tempo-Stück „Nightjogging“ sind zum Sprechgesang von Gastvocalistin Kat Frankies nächtliche Laufschritte zu hören. In „Martyrs“ kommen versteckt die Glocken seiner heimatlichen Dorfkirche vor, schließlich geht es um die unheimlichen Heiligenbilder an der Krichenwand und die gezeigten Folterwerkzeuge, die ihm als Kind Angst eingejagt haben. In „An-Air Vent“ bastelt Konstantin Gropper aus dem Gräusch einer Hotellüftung in Amsterdam, die ihm den Schlaf raubt, ein eineinhalbminütiges Elektro-Akustik-Stück mit Shoegaze-Feeling. Und bei „A Misty Bay At Dawn“ sind die tiefen Nebelhörner von Schiffen zu hören, die sowohl an den Hafen von Hitchkocks „Vertigo“ erinnern, als auch auf Konstantins Bildschrimschoner referieren, der die Golden Gate Bridge im Nebel zeigt.

H wie Horror und Humor

Das fünfte Get Well Soon-Studioalbum „The Horror" ist ein groß angelegtes, opulentes, fimmusikalisches Konzeptalbum. Komplex arrangiert, detailverliebt und ausgetüftelt. Und trotzdem haben alle Songs den „Lagerfeuertest“ bestanden, da die Grundstrukturen für Konstantin auch nur mit Gitarre und Gesang funktionieren mussten. Das macht das ganze Album trotz seiner Schwere und dem orchestralen Sond zu einem sehr hörbaren Gesamtkunstwerk.

Wer Konstantin Gropper kennt, der weiß, dass selbst bei aller Dünsternis und Dunkelheit auch der Spaß nicht fehlen darf. Das beweisen auch die im Vorfeld stückweise veröffentlichten Schwarz-Weiß-Kurzvideos „The Horror Sessions“, für die sich Konstantin auf die Analyse-Couch legt und über seine Träume und Zwerge redet. Und so steckt in all dem Horror auch immer eine Prise Humor.

Konstantin: „Für mich funktioniert das alles nicht ohne Humor. Das ist mir extrem wichtig. Ob das jemand auch lustig findet, ist eine andere Frage. Aber ich glaube Humor ist auch immer eine Art, mit dem Horror der Welt umzugehen. Es ist ja auch nicht durch Zufall so, dass mittlerweile in Amerika die Comedians die eigentlichen News-Caster sind. Und so findet sich - hoffe ich zumindest - die eine oder andere lustige Textzeile in dem Album, auch wenn das eine düstere Art des Humors ist.“

Mehr zu Konstantin Gropper und Get Well Soon gibt’s am 10. Juni in den FM4 Filmgeschichten.

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