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"Neon", Ausgabe Juli 2018

Gruner + Jahr

Die letzte Neon

15 Jahre lang war das Neon-Magazin das Sprachrohr für eine Generation, die zumindest im Herzen nie erwachsen werden wollte. Nun ist die allerletzte Ausgabe erschienen.

Von Robert Glashüttner

Ich war Anfang 20, Student, lebte seit einiger Zeit in meiner eigenen Wohnung und arbeitete als frisch gfangter Redakteur bei meinem Lieblingsradiosender. All das war neu und ziemlich aufregend, und dementsprechend überfordert war ich, eine ausgewogene Balance zwischen Uni, Job, Beziehung, Familie, Fortgehen und Hobbys herzustellen. Wie die meisten jungen Erwachsenen bin auch ich zwischen dem Auskosten der neuen Freiheit und dem Wahrnehmen von Verantwortung oszilliert - mit schönen und schwierigen Erlebnissen, die den großen Topf Lebenserfahrung gefüttert haben.

Eigentlich sollten wir erwachsen werden

Genau zu dieser Zeit, Mitte 2003, kam die erste Ausgabe des Neon-Magazins auf den Markt. „Eigentlich sollten wir erwachsen werden“, stand da im Editorial, und es sollte fortan das Motto so vieler junger Frauen und Männer werden, die auch gerade ins eigene Leben gestartet sind. „So entscheidest du dich richtig“, „Gefällt dir dein Leben?“, „Hilfe! Unsere Eltern werden alt“, „Verbotene Liebe“ oder „Freunde fürs Leben!“ waren einige Titel der ersten Ausgaben. Es ging vor allem um Befindlichkeiten zwischen Spätpubertät und Selbstverantwortung: Liebe, Leben, Arbeit, Familie, Freundschaft - immer geschrieben aus einer persönlichen Perspektive.

"Neon", Ausgabe Juli 2018

Gruner + Jahr

Das Online-Magazin neon.de wird (mit ihrer eigenständigen Redaktion) normal weitergeführt.

Beim Heyne-Verlag sind weiterhin Print-Publikationen mit der Marke Neon geplant. Als nächstes erscheint „Neon Unnützes Wissen: 90er“ am 10. September.

Artikel in der Neon haben bei vielen LeserInnen von Anfang an regelmäßig für das markante „Stimmt, so geht’s mir auch!“-Gefühl gesorgt. Obwohl die Themenfelder meist ziemlich generisch waren, haben es die AutorInnen verstanden, ihre Geschichten und Reportagen aus einem individuellen, bewusst subjektiven Blickwinkel zu erzählen. Die Vermischung von Nachricht und Meinung - im Journalismus üblicherweise verschrien - wurde hier zur Blattlinie erklärt. Egal, ob Herzschmerz oder Politik: Erlebnisse und Argumente wurden eingebracht und in einer Art innerem Monolog meist ziemlich gefühlsbetont analysiert. Die AutorInnen haben sich dabei als durchwegs sensibel entpuppt: Selbstreflexion und Einfühlungsvermögen waren selbstverständlich, sodass man nach dem Lesen eines Artikels selbst dann zufrieden war, wenn man mit der Conclusio persönlich nicht überein gestimmt hat.

Ich erzähle dir von meinem Erlebnis

Diese unkonventionelle Blattlinie, gepaart mit der Leidenschaft der AutorInnen, die sich beim Lesen der Texte übertragen hat, sorgte für eine starke LeserInnenbindung. Die Neon hat durch ihren Mut, in ihren Storys persönlich und zugänglich zu sein, einen bestimmten Lebensstil und eine Zugehörigkeit vermittelt. In gewisser Weise hat sie die Youtuber-Kultur vorgeweggenommen, bei der es heute üblich und erwünscht ist, regelmäßig von sich und seinen Erlebnissen und Empfindungen zu berichten und damit Nähe zu den ZuseherInnen herzustellen.

Fiona Weber-Steinhaus

Martin Jäschke

Robert Glashüttner im Gespräch mit „Neon“-Printredakteurin Fiona Weber-Steinhaus

Viele Jahre lang war die Neon auch das unangefochtene Lieblingsmagazin der FM4-Hörerinnen und –hörer und aus kaum einer WG (bzw. dem WG-Klo) wegzudenken. In unseren Jahresabstimmungen (FM4 Exit Poll) stand das Heft über einen langen Zeitraum hinweg bis ins Jahr 2013 an der Spitze. Doch 2013 hatte das Magazin seinen Zenit bereits überschritten gehabt, denn schon zwei Jahre zuvor hatten die Verkaufszahlen zu sinken begonnen. Mitte April 2018 wurde schließlich bekannt gegeben, dass die Juli-Ausgabe, die seit heute (Montag, 18. Juni) am Markt ist, das letzte Printheft sein wird.

Redaktionsfoto des Neon-Magazins

Heinrich Holtgreve / Ostkreuz

Abschlussfoto der Redaktion

„Wir würden wahnsinnig gerne weiter ein Heft für euch machen, mit all der Leidenschaft, mit der wir es noch immer jeden Monat tun. Aber ihr seid zu wenige geworden. Denjenigen, die sich verabschiedet haben, sind nicht genügend Jüngere gefolgt.“ Das schreibt Print-Chefredakteurin Ruth Fend in ihrem Abschiedsbrief vom 18. April.

Erwachsen geworden

Ich war sehr erstaunt, als ich über das Ende der Neon im Editorial der Juni-Ausgabe gelesen habe. Für mich war das Magazin - „Printsterben“ hin oder her - immer eine eigenständige Bastion, wo ich mir sicher war, dass sie so schnell nicht zusammenbrechen würde. Zugegeben: Mit Ende 30 habe ich das Heft in den letzten Jahren selbst nur noch sporadisch gekauft. Die Generation „Eigentlich sollten wir erwachsen werden“ ist nun also wohl doch endgültig erwachsen geworden. Aber das ist okay.

Mach Schluss! Es war wirklich schön mit uns. Warum es trotzdem Zeit ist zu gehen.

So steht es eindeutig zweideutig am Cover der allerletzten Neon-Ausgabe.

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