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Lykke Li

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Ich bin traurig

Auf ihrem vierten Album „so sad so sexy“ erfindet sich Lykke Li musikalisch neu, bleibt thematisch aber bei Altem.

Von Daniela Derntl

Es geht bergab: Popmusik, der Spiegel der globalen Gefühlswelt, ist in den letzten 30 Jahren immer trauriger geworden. Nicht, dass Sad-Pop besser ankommen würde, es wird einfach immer mehr traurige Musik veröffentlicht. Das hat eine Studie der University of California herausgefunden. Während die Grundstimmung der Songs über die Jahre gesunken ist, stieg ihre Tanzbarkeit. Man feiert also, obwohl oder gerade weil man traurig ist? Die Co-Autorin der Studie, Natalia L. Komarova kann das bestätigen: „So it looks like, while the overall mood is becoming less happy, people seem to want to forget it all and dance.“

Eine Musikerin, die neben vielen anderen diese Analyse untermauert, ist die schwedische Emo-Pop-Sängerin Lykke Li. Die drei Grundfesten ihrer vier Alben sind Liebe, Leid und Leidenschaft. Als Beziehungstrümmerfrau sortiert sie die Scherben, trocknet Tränen und reflektiert über Suchen und Scheitern, die Unmöglichkeit des Zu-Zweit-Seins, Eins-Sein.

Albumcover: Lykke Li - "So Sad So Sexy"

RCA Records

Rückblickend kann man ihre ersten drei Alben, „Youth Novels “, „Wounded Rhymes“ und „I Never Learn“, die alle während ihrer Zwanziger-Jahre erschienen sind, als Trilogie verstehen, die thematisch und musikalisch ins gleiche Fahrwasser schlägt: Melancholischer Indie zwischen tanzbarem Electro-Pop und Singer/Songwriter-Introvertiertheit, der von Björn Yttling von Peter, Björn and John produziert wurde. Die Fröhlichkeit und Zuversicht, die ihren Überhit „I Follow Rivers“, vor allem im weltweit bekannten Magician-Remix, auszeichnet, hört man bei Lykke Li eher selten. Sie umarmt viel lieber ihre Traurigkeit.

Verlust & Veränderung

Nach ihrem dreißigsten Geburtstag, einem Umzug nach Los Angeles und der Geburt ihres Sohnes wollte Lykke Li sich auch musikalisch verändern. Deshalb tauschte sie als Hip-Hop-Fan auf ihrem vierten Album „so sad so sexy“ den gewohnten Indie-Sound gegen zeitgemäßen RnB und Trap, während thematisch alles beim Alten blieb. Der Titel ihres dritten Albums „I Never Learn“ hat sich also bestätigt.

Neben dem gewohnten Herz-Schmerz verarbeitet Lykke Li auf „so sad so sexy“ familiäre Verluste und Veränderungen. Ihre Mutter ist gestorben, sie selbst ist Mutter geworden und nach der Geburt ihres Sohnes hatte sie mit gravierenden Schreibblockaden zu kämpfen. Dazu kamen die Schwierigkeiten, die sie mit ihrem Lebensgefährten und dem Vater ihres Sohnes, dem Produzenten Jeff Bhasker, hatte. Die beiden haben schon in der Supergroup Liv, gemeinsam mit Andrew Wyatt und Pontus Winnberg von Miike Snow und Björn Yttling von Peter Björn and John, zusammengearbeitet. Doch als Paar haben sie im Studio nicht funktioniert. Ständig seien sie zusammengekracht, erzählt Lykke Li in Interviews, jeder von ihnen habe eine zu starke Meinung und einen zu starken Willen gehabt.

Nur drei gemeinsame Songs haben es aufs Album geschafft und wegen der großen Differenzen hat sich Lykke Li daraufhin andere Produzenten gesucht. Hauptverantwortlicher wurde der Grammy-Gewinner und Frank-Ocean-Produzent Malay, der sieben von zehn Songs mitproduziert hat. Sonst noch mit dabei waren der EDM-Dompteur Skrillex, DJ Dahi (Kendrick-Lamar, Drake, Dr. Dre, ...), Rostam Batmanglji (Vampire Weekend) Emile Haynie (Lana Del Rey, Bruno Mars, ...) sowie die Songwriterin Ilse Juber (Beyoncé, Britney Spears, Christina Aguilera, ...) uvm.

Zu viele Köche

Angesichts der vielen Kollaborationen wundert es doch, dass „so sad so sexy“ nicht abwechslungsreicher geworden ist. Das Album beginnt gefühlvoll und gut, verliert sich aber zusehends in einer More-of-the-Same-Melancholie. Den Auftakt macht das entspannt-entschleunigte „Hard Rain“. In dem Song ist das reinigende Gewitter schon vorüber gezogen, es wehen laue Streicher und Stimmen polyphoner Auto-Tune-Wehmut:

If you like the feeling of a hard rain falling
I have a seafull, I can give you an ocean

Mood Indigo

In „Deep End“ schmachtet Lykke Li lyrisch im indigo-farbenen Swimming-Pool, und singt davon, dass sie ja gar nicht so tief in die Beziehungskiste eintauchen wollte, während sie im darauffolgenden „Two Nights“ bereits die gehörnte Geliebte ist, deren Lover seit zwei Nächten nicht nach Hause kommt. Der Rapper Aminé schlüpft in dessen Rolle und gibt für sein Ausbleiben Lykke Li die Schuld:

Don’t be sad, look alive Lykke
Damn right, she gon’ dance on my damn Dickies
I mean, when’s the last time you danced on me?
Shit, when’s the last time you even loved?

Nachdem Lykke Li in Interviews gerne betont, wie wichtig ihr die weibliche Perspektive in ihren Songs ist, wird nicht ganz klar, warum sie hier dem Macho Platz macht. In der zarten Break-Up-Ballade „Last Piece“ hat er bereits seine Koffer gepackt und Lykke Li versucht, ihre Würde zu behalten, bevor alles den Bach runter geht.

Dasselbe gilt auch für das Album, denn ab der Mitte wird „so sad so sexy“ belangloser und gleichförmiger. Verletzlichkeit mit viel Gloss. Geschmeidiger, aber oberflächlicher Millenial-Synth-Pop mit Trap-Beats, der, wenn man sich die Album-Kritiken von „so sad so sexy“ anschaut, in Amerika deutlich besser ankommt als in Europa. Doch wenn Traurigkeit zur Mainstream-Formel wird, verliert sie auch an Intensität.

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