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Ronaldo (Portugal) am Boden hinter Iran-Spieler

APA/AFP/Mladen ANTONOV

Blumenaus WM-Journal

Gefallene Ex-Favoriten und europäische Arroganz

Irgendwie ist es wurscht, wer es heute ins Achtelfinale geschafft hat: der Weltmeister kann nicht aus diesem ersten Viertel an Teams kommen: zu lauwarm. Außerdem: die Feedback-Bögen für die Ausgeschiedenen.

Von Martin Blumenau

Die ehrliche Ausgangsposition war: Wurscht wer in Gruppe A die beiden ersten Plätze belegt, Spanien und Portugal werden sich in der nächsten Runde ohnehin durchsetzen.

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Das ist nimmer ganz so. Und das hat nichts mit der Qualität von Uruguay oder gar Russland zu tun, sondern mehr mit den Aussetzern von Spanien und Portugal, die beide am Rande des Ausscheidens tanzten, als wären sie auf einer unbeobachteten Privatparty.

Leider ist Folgendes wahr: die selbstgezüchtete überhebliche Unverfrorenheit, gegen sogenannte Kleine einfach nicht mit dem gebotenen Ernst bzw einem anständigen Professionalismus antreten zu können, ist nicht wegzukriegen und zeugt von ekeliger hegemonialer Arroganz. Aber: mit dem Achtelfinale ist das vorbei. Sie werden anders auftreten. Ich halte das für letztklassig, wenngleich auch allzu menschlich. Vor allem, wenn man in den großen europäischen Ligen werkelt und die Überlegenheit dieser fußballerischen Supermächte jeden Tag aufs Neue atmet - da ist Wehrhaftigkeit gegen diese Trägheit eine seltene Tugend.

Tschutti Heftli Matchplakat Portugal Iran

Tschuttiheftli

Deshalb lässt sich über die Performance von Spanien, Portugal und auch Uruguay erst nach der K.O.-Runde etwas Stimmiges und Umfassendes sagen. Bislang auffällig: die Fähigkeit zur schnellen Adaptierung von leichten, aber bedeutenden strategischen Umstellungen. Uruguay, dessen Coach heute alle mit einem 3-4-3-Schmäh wegbluffte und dann das erste Rauten-4-4-2 des Turniers anbot, kann das ebenso wie die zwischen 4-3-3, 4-2-3-1 und 4-1-4-1 hin- und herschaltenden Spanier. Portugal steht nominell immer in einem 4-4-2, schaltet situativ aber innerhalb eines Gedankens auf eine offensive Dreierkette um. Das ist für jeden Gegner schwer zu bespielen und wird in weiterer Folge Teams, die nicht so flexibel spielen und denken können, noch wehtun.

Russland, der aus dem Winterschlaf aufgewachte Riese, hat die Erwartungen bislang schon übertroffen. Allerdings waren die so gering, dass das nicht allzu schwer war, quasi ein Hindernis-Rennen über aufgeklappte Laptops. Trotzdem übertreffen die Aktiva innerhalb des russischen Teams die Passiva und das ist mehr als ich ihnen im Vorfeld zugetraut hätte. Dass sie sich dabei an ein einzelnes funktionierendes System klammern ist nachvollziehbar und gleichzeitig ihre gläserne Decke.

Tschutti Heftli Matchplakat Spanien Marokko

Tschuttiheftli

Abschließen lassen sich bereits die Feedback-Bögen für die vier Ausgeschiedenen, das sind mit Marokko, Ägypten, Saudi Arabien und dem Iran vier regionale Mächte der islamischen Welt. Das wird außerhalb der AfD oder der Lega oder ihren guten Freunden niemand politisch interpretieren - das hat mehrheitlich mit den fußballerischen Machtverhältnisse (die schon erwähnten großen Ligen) zu tun.
Aber nicht nur.
Das wäre zu sehr Ausrede.
Denn Marokko etwa war knapp dran: besser als der Iran, auf Augenhöhe mit Portugal und Spanien, da sogar nach einer Führung. Das hätte sich (mit 5 Punkten) auch ausgehen können; auch weil die jungen Marokkaner ohnedies meist (gebürtige) Europäer sind. Man mag im Nachhinein das strategische Va Banque-Spiel von Herve Renard kritisieren - angesichts der offensichtlichen Übermacht der Gegner aber geht es gar nicht anders. Marokkos fluides Mittelfeld, das zwischen Fächer, totaalvoetbal und höchstem Pressing agierte, war das Aufregendste, was bei dieser taktisch sonst konventionellen WM bisher zu sehen war.

Meine These ist sogar, dass sich der von diesem Spiel 20 Minuten lang völlig durchgebeutelte iranische Gegner inspirieren ließ, die Struktur des Fünfer-Fächers kopierte und damit seinerseits Portugal in Halbzeit 2 arg in Bedrängnis brachte.

Tschutti Heftli Matchplakat Saudi Arabien Ägypten

Tschuttiheftli

Das von Carlos Queiroz etwas gequält in Szene gesetzte Team des Iran begann grässlich und endete ekstatisch. Und in beiden Fällen waren es Details, die den möglichen Aufstieg verhinderten. Und beim Iran, der zu einem Gutteil auf Spieler aus asiatischen Ligen zurückgreift, fällt auch noch das Argument weg, dass sie ohnehin Europäer sind. Das gilt in noch höherem Maß für die Saudis, die nur über Gefälligkeits-Legionäre verfügen, und außer einer Spielidee und funktionierendem Teamgefüge nichts haben. Wobei, wenn man sich die Elferentscheidungen anschaut: womöglich noch einen ohnedies schwach beleumundeten Schiedsrichter. Wobei: wer sich im Spiel um den 3. Gruppenplatz so wenig reinhängt wie einige der ägyptischen Spieler, der verdient das dann auch nicht.

Mo Salah und seine Mitspieler waren als die aussichtsreichsten der vier islamischen Staaten in den Gruppen A und B gehandelt worden - und sie wurden (wegen der finalen Wurschtigkeit) die größte Enttäuschung. Nicht weil die Leistungen in den beiden ersten Spielen schlecht waren: da hatte - siehe Marokko - nicht viel gefehlt; das war knapp.
Vielleicht ist Mo Salahs Bruch vor dem letzten Spiel aus politischen Gründen erfolgt, in jedem Fall wurde dem großen Essam El Hadary die Party verhagelt - alles unschön.

Morgen wird alles anders, versprochen.

PS:

1. Runde
Marokko : Iran 0:1 Review
Portugal : Spanien 3:3 Review
2. Runde
Portugal : Marokko 1:0
Iran : Spanien 0:1
3. Runde
Spanien : Marokko 2:2
Iran : Portugal 1:1

Gruppe B

Spanien 1 2 0 5:4 5
Portugal 1 2 0 6:5 5
Iran 1 1 1 2:2 4
Marokko 0 1 2 2:4 1
Gruppe A Gruppe B Gruppe C Gruppe D
Russland Portugal Frankreich Argentinien
Saudi-Arabien Spanien Australien Island
Ägypten Marokko Peru Kroatien
Uruguay Iran Dänemark Nigeria
Gruppe E Gruppe F Gruppe G Gruppe H
Brasilien Deutschland Belgien Polen
Schweiz Mexiko Panama Senegal
Costa Rica Schweden Tunesien Kolumbien
Serbien Südkorea England Japan

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