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Magazincover mit John Lennon

Rolling Stone

Nachrichten von der Jugendfront

Das Buch „Sticky Fingers“ porträtiert den legendären Musikjournalisten, Manager und „Rolling Stone“-Gründer Jann Wenner und erklärt im Vorbeigehen auch gleich, wie sich Gegenkultur in satten Materialismus verwandelte.

Von David Pfister

In gewisser Hinsicht war der Rolling Stone eine natürliche Reaktion auf das Album Sgt. Peppers von den Beatles, welches das Aufkommen von Langspielplatten von 33 1/3 rpm markierte. Außerdem war es ein öffentliches Statement, mit dieser Zeitschrift hatte man zu rechnen, und sie ließ sich zum Fetisch erheben – es handelte sich in der Tat um Nachrichten von der Jugendfront.

Das amerikanische Musikmagazin „Rolling Stone“ hat wie keine andere Zeitschrift Popmusikjournalismus geprägt und diesen als Teil erstzunehmender Kulturberichterstattung etabliert. Ein wichtiger Aspekt dabei liegt in seinen ästhetischen Eigenschaften. Popmusikjournalismus gab es schon vor dem „Rolling Stone“. Aber der „Rolling Stone“ übernahm Layout und Duktus etablierter und erwachsener Magazine und publizierte so seine Geschichten bestehend aus Rock’n’Roll, Drogen, Stars und Sex in würdevoll erscheinendem Rahmen. Und diese Geschichten wurden von Giganten der amerikanischen Popkultur wie Hunter S. Thompson, Lester Bang und Cameron Crowe geschrieben. Hunter S. Thompson nannte diese neue Art zu schreiben später Gonzo-Journalismus oder New Journalism. Objektivität war meist sekundär. Ihr eigenes Empfinden und Erleben rückten die Autoren in den Vordergrund.

Da das Plattencover das wichtigste Mittel für die Kundenansprache war, galt das auch für Wenners Magazin. Er verwandelte es in ein kulturelles Ereignis, auf der Titelseite wurden leuchtende Farben hinzugefügt.

Buchcover mit Gitarre

Rowohlt Verlag

„Sticky Fingers: Wie Jann Wenner und der Rolling Stone Musikgeschichte geschrieben haben“ von Joe Hagan, übersetzt von Friederike Moldenhauer, ist im Rowohlt Verlag erschienen.

Gegründet wurde der „Rolling Stone“ 1967 vom damals erst 21-jährigen Jann Wenner. Das Buch „Sticky Fingers“ porträtiert den berühmt-berüchtigten Musikjournalisten und Manager und spart nicht mit bisher unbekannten Geschichten über die größten Stars der Rockgeschichte von John Lennon bis Bruce Springsteen und zurück. Die Biografie beschreibt diese Musiker oft als Opfer eines macht- und lebenshungrigen Jann Wenner, der stets zerrissen zu sein scheint. Egal ob in seinem Privat- oder Berufsleben. Der Geschäftsmann Jann Wenner scheint in einem permanenten moralischen Konflikt zu leben.

Der Rolling Stone war ein Männermagazin, obgleich es auch Frauen lasen, es war ein Magazin der Weißen, obwohl es Schwarze zum Fetisch erhob; es war links, obwohl es von Wenners Hang zum Establishment beeinflusst war. Und durch seinen Erfolg wurde Wenner schließlich ein voll anerkanntes Mitglied dieses Establishments.

Der „Rolling Stone“ verkörpert den Moment, als Gegenkultur endgültig ein Teil des Mainstreams wurde. Das ist ein nicht bewertbarer Akt, weder gut noch schlecht, aber von immenser Bedeutung. Sein Gründer Jann Wenner hat kulturelle Berge versetzt und verkörpert gleichzeitig kompromisslose Managementmaschinen, welche oft den Anschein an den Tag legen, sie nährten sich wie Vampire von den Überzeugungen und Idealen ihrer Künstler und Entertainer.

Für „Sticky Fingers“ stand dem amerikanischen Schriftsteller und Journalisten Joe Hagan das Jann-Wenner-Archiv zur Verfügung. Außerdem sprach er mit einer Vielzahl von Wegbegleitern wie Mick Jagger, Paul McCartney, Keith Richards, Bruce Springsteen, Bono, Tom Wolfe, Michael Douglas usw. Joe Hagan ist „Rolling Stone“-Autor, schreibt aber auch für das Wall Street Journal oder den New York Observer. Am liebsten Porträts über mächtige FädenzieherInnen wie die Bush Familie, Henry Kissinger oder Hillary Clinton.

Und so sind die 640 Seiten „Sticky Fingers“ eine akkurat ausgearbeitete Biografie, die mit vielen teilweise völlig neuen Details der Pop-Entertainment-Welt zu überraschen mag. Da der Fokus besonders auf den Sechzigern liegt, ist das Buch für ErforscherInnen dieses Jahrzehnts eine neue, nicht zu ignorierende Quelle. Leider ist der fast schon bürokratische Schreibstil aber auch ermüdend. Ein Quäntchen vom räudigen Gonzo-Journalismus des frühen „Rolling Stone“ hätte der Biografie gut getan. So empfehle ich, das Buch in kleinen Einheiten zu konsumieren.

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