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Lionel Messi mit hängendem Kopf

APA/AFP/Jewel SAMAD

Blumenaus WM-Journal

Fehlendes Potential und eine falsche Strategie schmeißen die Weltfußballer raus

Okay, man könnte auch Frankreich, Mbappe, Uruguay, Cavani/Suarez und die Spielideen ihrer Coaches loben - irgendwie stehen aber die Verlierer des ersten Achtelfinal-Tages im Fokus.

Von Martin Blumenau

Mit dem Verlauf am Nachmittag hab’ ich so gerechnet, vom Abend bin ich überrascht. Nicht vorhandenes Potential lässt sich nämlich nicht einfach so überspielen; aber eine falsche Strategie ist schnell gewählt.

Frankreich besiegt Argentinien...

... und zwar deutlich klarer, als es das 4:3 aussagt.

Jorge Sampaoli (oder wer auch immer die Strategie macht; ich gehe - wie schon zuletzt erklärt - nicht davon aus, dass es Messi ist; der auch fix kein Trainer werden wird) hat im 4. Spiel zu vierten Mal umgestellt, nicht nur personell, sondern auch taktisch.
Diesmal war es ein 4-3-3 mit Messi im Sturm-Zentrum. Nach einem 4-2-3-1, einem 3-4-3 und einem 4-4-2. Mehr Zeugnis ablegen geht nicht, was mangelnde Sicherheit betrifft.
Nicht geändert wurde die Philosophie: kein Kombinieren, sondern lange Bälle.

Und es war auch herzlich egal: Argentiniens Team hatte in keiner Phase des Spiels Zugriff darauf. Die beiden Tore entstanden aus den beiden ersten und bis zur 80. Minute auch einzigen Torschüssen; also mehr Glück als Verstand.

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Der fehlende Zugriff hat mit einer ínexistenten Idee zu tun, und die wiederum ist einem psychologischen Phänomen geschuldet, das sich auch sehr häufig im Alltagsleben findet: den Glauben an ein Potential, das man schon abrufen werde können, wenn es nötig ist. Der existiert durch Fremdzuschreibung oder den Irrtum, der durch die Hochrechnung ähnlicher Erfahrungen in anderen Kontexten entsteht. Wie auch immer: da dieses Potential nicht existiert, wird es auch nicht auftauchen können.

Das ist Argentinien 2018. Und auch schon 2017 und 2016.

Das hat nichts mit der in oberflächlichen Analysen gern angeführten „mangelnden Qualität“ der Mitspieler Messis zu tun. Das würde alles unter dem Niveau von Barcelona ausschließen; also weltweit alle, außer vielleicht 20 oder 30 Individuen. Lächerliche These. Die zudem ein paar Stunden später durch Uruguay (zwei Superstars vorne drin und dahinter Mitspieler mit deutlich abfallender Qualität; die aber ihr Potential richtig einschätzen und dementsprechend einsetzen) zertrümmert.

Argentinien unter Messi ist das nie gelungen und wird das nie gelingen. Aussagekräftig: nach dem Ausgleich feierte sich die Mannschaft für die Tatsache des Ballbesitzes, und schob die Tatsache, dass sie keinerlei Aufbau betreiben konnte, dezent beiseite. Mittendrin, mit Fehlpässen in falsch interpretierte Laufwege: Lionel Messi. Dem deswegen, weil er halt ein Genie ist, dann noch zwei Bälle auskamen, die zu etwas führten. In einem Mannschaftssport ist das aber zu wenig.

Frankreich („Vive la republique!“ schrie Griezman ins Flash-Interview hinein, und unabsichtlich ordnet er den Sieg da als Erfolg der Demokratie per se ein) hat sich nach dem Aussetzer im letzten Gruppenspiel gefunden. Vom System her (4-2-3-1, defensiv in einem 4-4-2), von der Spielidee (Tempo über Aufbau stellen, Breite und Tiefe nutzen etc.) und auch personell: Die Außenverteidiger, die als Unsicherheitsfaktor galten, haben sich festgespielt, Pogba, Kante und Matuidi (der in der nächsten Runde leider ausfällt) agieren empathisch, Mbappe läuft.
Wäre Deschamps Mannschaft im unteren Tableau der WM, wäre das Finale fix, so aber...

Uruguay besiegt Portugal...

... wegen des eigenen Könnens und des Unvermögens der anderen.

Gleich vorab: wer auch immer Fernando Santos eingeredet hat, dass er es gegen Uruguay ausschließlich mit Flanken in den Strafraum probieren soll und jede andere Art sich in Tornähe zu begeben nicht in Betracht ziehen soll, gehört fest an beiden Ohren gezogen. Mit dieser Strategie und dem hysterischen Festhalten daran hat Portugal dieses Spiel verloren.

Nun kann es geschehen, dass eine Idee nicht aufgeht. Portugal hat aber unter anderem bei seiner erfolgreichen Euro bewiesen, dass es immer einen Plan B und einen Plan C gibt, der dann zum Einsatz kommt. Davon war heute Abend nichts zu spüren, im Gegenteil. Starrer, ich möchte fast sagen, deutscher kann man nicht in seinen Untergang laufen.

Urugay on the other hand, verdankt sein Siegestor einer kurzzeitigen und saucleveren Umstellung. Oscar Tabarez, der Mann mit der Krücke, war am Anfang von Halbzeit 2 vom davor gespielten flachen 4-4-2 abgegangen, hatte Rodrigo Bentancour (die Nummer 6, ein junger Kerl von Juve), der schon im Spiel gegen Russland als vorderster Spieler einer Mittelfeld-Raute zu sehen war, als Quasi-Zehner zwischen Suarez und Cavani geschoben, und ließ diese drei direkt nach der Pause Gegner Portugal fest anpressen. Das Siegestor fiel in Minute 62 nach einer Drei-zu-Drei Umschalt-Situation; samt Bentancur-Assist.

Eine Minute später kam Bulle Rodriguez für Bentancur und Tabarez stellte wieder aufs flache 4-4-2 zurück. Mission erfüllt, danach wurde wieder tiefer verteidigt.

Der Europameister blieb bei seiner Handball-Kreis-Umrundung mit finalen Flanken der Außenspieler. Es gab nicht viel mehr als drei oder vier Versuche übers Zentrum und dementsprechend auch kaum Freistoß-Situationen für CR7. Der auch kaum zu Kopfball-Chancen kam. Zu mehr als einem Kopftor reichte es gegen das Atletico-Center von Uruguay nicht.

Das, was Portugal gegen etwa Spanien so stark gemacht hatte, nämlich das permanente Switchen zwischen zwei oder drei Spielansätzen (vor allem das situativ schnell hergestellte 4-3-3 mit drei echten Spitzen war toll) blieb außen vor. Mit seinem letzten Wechsel (den Knochenjäger für den kreativen Joao Mario zu bringen, nur um die Doppel-Sechs zu zementieren) war das Aus besiegelt.
Ronaldo, dessen stützende Wechselbegleitung des humpelnden Cavani das bislang vielleicht schönste Bild dieses Turniers ist, kann am wenigsten dafür: mit einer solchen Spielanlage ist er quasi außen vor.

Fazit: Bei der nächsten WM werden wir die beiden Genies nicht mehr sehen. Ronaldo bleibt der EM-Titel, Messi hat aber bis dato nicht einmal die Copa gewonnen, insofern sollte er sich das mit dem neuerlichen Rücktritt überlegen.

PS: Der eigentliche Sieger des Abends ist aber - Österreich. Schließlich haben WIR nicht nur nicht gegen den Europameister verloren, bei der Euro, sondern sind auch die letzte Mannschaft, die das heuer noch ungeschlagene Uruguay besiegen konnte; also eigentlich zumindest Viertelfinalist ehrenhalber.

Achtelfinale
AF1: Frankreich - Argentinien 4:3 Review
AF2: Uruguay - Portugal 2:1 Review
AF3: Spanien - Russland 1:1 - 3:4 i.E. Review
AF4: Kroatien - Dänemark 1:1 - 3:2 i.E. Review
AF5: Brasilien - Mexiko 2:0 Review
AF6: Belgien - Japan 3:2 Review
AF7: Schweden - Schweiz 1:0 Review
AF8: Kolumbien - England 1:1 - 3:4 i.E. Review
Viertelfinale
VF1: Frankreich - Uruguay 2:0 Review
VF2: Brasilien - Belgien 1:2 Review
VF3: Schweden - England 0:2 Review
VF4: Russland - Kroatien 2:2 - 3:4 i.E. Review
Semifinale
SF1: Frankreich - Belgien 1:0 Review
SF2: England - Kroatien 1:2 Review
Spiel um Platz 3
Belgien - England 2:0 Review
Finale
Frankreich - Kroatien 4:2 Review

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