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APA/AFP/Juan Mabromata

Blumenaus WM-Journal

Und wieder demontieren sich ein paar potentielle Weltmeister...

... und eine vergleichsweise lächerliche Mannschaft (ein neues Griechenland) erreicht das Viertelfinale. Und wieder sind fatale Matchpläne schuld dran.

Von Martin Blumenau

Eigentlich war der frühe Selbstfaller von Ignashevich das ideale Symbol für die Qualität der russischen Mannschaft. Dass sie trotzdem weiterkommt, liegt am Selbstfaller des Gegners. Von dem das gestern noch als Finalist gehandelte Kroatien dann nur ein paar Zentimeter trennten.

Tag 2 der Achtelfinals zählt nicht nur zwei Elferschießen, sondern vor allem vier Verlierer.

Verlierer 1: Spanien

Also, ich habe einen Gegner, der offensiv nichts tut (und auch wenig kann) und der mir nach zehn Minuten das dümmste Eigentor seit Jahren schenkt.
Anstatt schnell nachzusetzen und ihn mit einem zweiten Tor in die totale Unsicherheit zu stoßen, ziehe ich mich geistig zurück und gestalte meine Verwaltung des Resultats so, dass ich mich mit ewigen Kreisläufen selber verunsichere. Nachdem ich mir dann aus reiner Dummheit den Ausgleich einfange, reagiere ich mit der Strategie, die tags zuvor beim iberischen Nachbarn schon brachial nicht funktioniert hat: ich lasse Flanken in ein dicht besetztes Zentrum schlagen, anstatt meine wuseligen Spieler anzuweisen, sich eifrig ins Zentrum zu kombinieren.

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In der Verlängerung beginne ich dann ganz zaghaft genau damit und überlasse die Ausführung vorrangig den Unerfahrensten meiner Spieler. Ich spiele so noch drei Halbchancen heraus, und breche dann unter der psychischen Belastung zusammen. Und gehe - wie schon in den beiden letzten großen Turnieren - vorzeitig raus. Wer bin ich?

Es ist die zuletzt angesprochene Tatsache der Wiederholungstäterei, die einen wahnsinnig machen könnte. Dass Spanien nämlich sehenden Auges in seinen Untergang läuft, im blinden Vertrauen darauf, dass ein einzelner Plan immer weiterhelfen wird.

So und jetzt kommt Julen Lopetegui ins Spiel. Der spanische Coach hatte nämlich mehr als einen. Pläne. Leider wurde er zwei Tage vor WM-Start gekickt und an seine Stelle trat ein langjähriger Sportdirektor ohne diese Erfahrungen und Pläne.

Man mag einwenden, dass doch die alten, weisen Spieler der Spanier, die Superstars, all die Pläne intus haben und umsetzen können müssen, ganz ohne Matchplan. Ja. Nur, wie viele dieser Weisen lenken die spanische Offensive? Zu wenige; Iniesta offenbar nicht mehr.

Spanien braucht nicht nur einen Generationen-, sondern vor allem einen Philosophie-Wechsel, vielleicht einmal mit Physis und Tempo und einer Abkehr vom brotlosen Ballbesitz

Verlierer 2: Kroatien

Weitergekommen, aber wie. Zerzaust, zerfetzt, gedemütigt, vom Sockel gestoßen, als letzte Mannschaft des Turniers ihres Nimbus beraubt. Jetzt bleibt nur noch das angeritzte Brasilien.

Die Kroaten imitierten in vielerlei Hinsicht die Nachmittags-Spanier. Nicht was deren inhaltliche Einförmigkeit betraf, da sind unsere liebsten Nachbarn, die gar keine Nachbarn sind, besser aufgestellt - sie wissen um die Breite und Tiefe des Spielfeldes und sind willens es auf allen Wegen zu probieren. Nein, in Hinsicht auf zurückziehendes Abwarten und die dadurch passierte Eigenverunsicherung.

Die wird dann im vergebenen Matchball durch den Kapitän sichtbar und bricht auch im Penalty-Shootout durch. Kroatien kommt nur weiter dank...

Verlierer 3: Dänemark

Komisch. Bestes Spiel der WM abgeliefert, nach dem Wenig gegen Peru, dem Sehr wenig gegen Australien und dem Nix gegen Frankreich. Und trotzdem draußen.

Ich denke es ist deswegen: außerhalb von Dänemark sagt keine Seele „echt schade“. Alle haben noch das grausige Ge- und Verschiebe gegen Frankreich, dieses schiache 0:0 im Kopf, wenn sie an Dänemark denken. Und nimmer die historischen Assoziationen mit danish dynamite und Maci-Urlaub-Europameister von 1992 mit Papa Schmeichel.

Diese Sicht wurde schnell von der Fremdsicht zur Selbstsicht. Früher, als man als Fußball-Team nicht ernsthaft mit dem konfrontiert war, was andere, womöglich Fans so denken, schon gar nicht während einer WM, Kasernierung und so, war es kein Problem, grottig oder foul zu spielen, weiterzukommen und selbstbewusst zu bleiben. Heute, Social Media and all, bist du sofort und jederzeit mit deinen Untaten konfrontiert. Und nimmst sie so, via Echoraum, in dein nächstes Spiel mit.

Das ist den Dänen heute passiert. Sie liefern ihre beste Leistung ab, aber in den entscheidenden Momenten glauben sie nicht hart genug daran, dass sie es verdienen würden, weiterzukommen. Und dann kommen sie nicht weiter, weil es diese Zentimeter sind, um die es geht im Fußball auf diesem Level.

Taktisch, strategisch etc ist den beiden Teams, die für das bis dato schlechteste Achtelfinal gesorgt haben, nix vorzuwerfen. Nur die Köpfe haben nicht mitgespielt, da wie dort.

Verlierer 4: Gewinner Russland

Cherchesovs Team, heute auch Medvedevs Team, ist doch ein Sieger, Viertelfinalist, unerwarteterweise, volle Stadien skandieren Rossija, die Menschen sind glücklich. Und so ganz unverdient (siehe Verlierer 1) ist es doch auch nicht, oder?

Yes but no.

Das russische Team von heute ist auch ein Verlierer. Weil es Griechenland werden musste um etwas zu erreichen. Und jede Fußball-Mannschaft, die Griechenland werden muss (und wir wissen, wovon die Rede ist, siehe Euro 2004), die also wie Faust dem Mephisto ihre Seele verkauft, ist ein Verlierer. Der Verlierer im schönen Spiel.

Es war auch keine taktische Meisterleistung, die das Weiterkommen gebracht hat, sondern die aggressiv-passive Weigerung der Teilnahme. Beispiel: das links schief in die Offensive hängende 5-4-1 hatte keinen Sinn; und auch keine Wirkung. Die rechte Seite der Spanier bietet keine so große Gefahr, dass man sie dort binden musste. Die Musik spielt auf der anderen Seite (Alba, Isco, Iniesta). Sonst, diesmal ja nicht, weshalb... ach... siehe Verlierer 1 weiter oben...

Russlands Spiel war über große Teile lächerlich: kein Aufbau, grässlich ausgespielte Konter, Passfehler en masse, das blanke Nichts in fast jeder Hinsicht. Ein bißchen Körperlichkeit, ein bisschen Talent (Golovin). Und dann auch noch zuviel aktueller Doping-Verdacht (Fernandes, Ignashevich, Gabulov).

Immerhin ist eines nicht passiert: Bevorzugung durch Schiris oder andere Schummeleien. Dass die Russen das Elferschießen gewinnen würden, war schon davor recht gesichert. Sie hatten schon mit dem Erreichen der Verlängerung alle Ziele übersprungen, der Rest war Zugabe, also gab es Lockerheit, wo beim Gegner die Krampf-Quote ins Unermessliche stieg. Das wiegt den Heim-Nachteil (kennen wir von der Euro 08 noch) dann nämlich auf.

Morgen wird es besser, sicher.

Achtelfinale
AF1: Frankreich - Argentinien 4:3 Review
AF2: Uruguay - Portugal 2:1 Review
AF3: Spanien - Russland 1:1 - 3:4 i.E. Review
AF4: Kroatien - Dänemark 1:1 - 3:2 i.E. Review
AF5: Brasilien - Mexiko 2:0 Review
AF6: Belgien - Japan 3:2 Review
AF7: Schweden - Schweiz 1:0 Review
AF8: Kolumbien - England 1:1 - 3:4 i.E. Review
Viertelfinale
VF1: Frankreich - Uruguay 2:0 Review
VF2: Brasilien - Belgien 1:2 Review
VF3: Schweden - England 0:2 Review
VF4: Russland - Kroatien 2:2 - 3:4 i.E. Review
Semifinale
SF1: Frankreich - Belgien 1:0 Review
SF2: England - Kroatien 1:2 Review
Spiel um Platz 3
Belgien - England 2:0 Review
Finale
Frankreich - Kroatien 4:2 Review

Aktuell: