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Film-Klappe, Copyright-Zeichen, EU-Flagge

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Erich Moechel

Filmindustrie stoppt Copyright-Richtlinie der EU

In den fünf Trilog-Verhandlungen der österreichischen Ratspräsidentschaft ist offenbar niemandem aufgefallen, dass vor dem EU-Gerichtshof gerade ein Verfahren läuft, das einen Grundsatzentscheid zur Haftbarkeit von Internetfirmen bei Copyright-Verletzungen zur Folge haben wird.

Von Erich Moechel

Die für Montag angesetzte sechste und letzte Trilog-Verhandlung für die Richtlinie zu „Copyright auf dem digitalen Binnenmarkt“ wurde überraschend abgesagt. Im EU-Ministerrat gab es am Freitag keine Mehrheit für den Kompromiss der rumänischen Ratspräsidentschaft. Die Filmindustrie hatte sich plötzlich gegen Artikel 13 ausgesprochen, der die umstrittenen Uploadfilter zum Thema hat.

Die Filmwirtschaft ist neben Print der wichtigste „Stakeholder“ der Richtlinie. „So wie Artikel 13 jetzt aussieht, wollen wir ihn nicht mehr. Er ist mittlerweile kontraproduktiv“, sagte Werner Müller vom österreichischen Fachverband der Film- und Musikwirtschaft zu fm4.ORF.at. Vor allem aber müsse ein gerade angelaufenes Verfahren vor dem EU-Gerichtshof (EuGH) abgewartet werden, das klären soll, ob YouTube, Facebook und Co nun Service-Provider sind oder doch Medienstatus haben.

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Aus dem Schreiben der Filmindustrie-Lobbys an die Spitzenvertreter der EU. Hervorhebung durch die Redaktion.

Ein übersehenes EuGH-Verfahren

Ende Oktober konnte die Opposition aus fünf EU-Staaten im Ministerrat noch überstimmt werden. Aktuell sind es 11 und das Schwergewicht Deutschland ist mit dabei.

Unter den 14 Interessensvertretungen der Filmwirtschaft, die das durchaus robust formulierte Schreiben an die EU-Spitze unterzeichnet haben, sіnd Riesen wie die Motion Picture Association und Interessensvertretungen des Privat-TV. Aber auch vergleichsweise winzige Lobbys wie der österreichische Verein für Antipiraterie und der WKO-Fachverband Fіlm- und Musikwirtschaft. Da alle derzeit diskutierten Lösungen „schlechter als der bestehende gesetzliche Rahmen“ seien, „fordern wir die EU-Gesetzesgeber auf, die Verhandlungen über diesen Artikel einzustellen“, heißt es da recht unmissverständlich in der gemeinsamen Stellungnahme.

Die Situation habe sich nämlich grundlegend verändert, seit ein diesbezügliches Verfahren vor dem EU-Gerichtshof (EuGH) gegen Google anhängig sei. In Brüssel werde man diese neue Forderung der Filmindustrie zwar überhaupt nicht mögen, so Müller weiter, denn natürlich sei man dort bestrebt, die Richtlinie noch vor Ende der Legislaturperiode zu finalisieren. Aber diese Entscheidung gelte es nun abzuwarten, denn damit werde der Status von YouTube und anderen hoffentlich eindeutig geklärt.

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Links oben ist das Logo der mächtigen Motion Picture Association, die Interessenvertretung von Hollywood. Darunter ist der österreichische Verein für Anti-Piraterie.

Was davor geschehen war

Im September 2018 hatte das EU-Parlament mit deutlicher Mehrheit dafür gestimmt, die Trilog-Verhandlungen mit Kommission und Ministerrat aufzunehmen.

Der Deutsche Bundesgerichtshof hatte eine Klage mehrerer Rechteinhaber gegen YouTube bereits im September an den EuGH zur Klärung weiterverwiesen. Zentrale Frage dabei ist, ob YouTube als Webhosting-Provider unter die Ausnahmebestimmungen der E-Commerce-Richtlinie fällt. Provider, die Webspace und Speicherplatz für ihre Kunden bereitstellen, werden bekanntlich von der Haftung für deren Inhalte freigestellt. Wird YouTube jedoch als Plattform eingestuft, die „mit der Öffentlichkeit kommuniziert“, dann ist der Eigentümer Google für alles auf der YouTube-Website erst einmal direkt verantwortlich wie ein traditionelles Medium.

In Artikel 13 (1) der Copyright-Richtlinie geht man allerdings davon aus, dass „content-sharing services“, also Soziale Netzwerke aller Art grundsätzlich „mit der Öffentlichkeit kommunizieren“, wenn „sie öffentlichen Zugang zu urheberrechtsgeschützten Werken bieten, die von den Benutzern hochgeladen wurden.“ So heißt es in der aktuellen Version der Richtlinie. Hier wird also von einem Sachverhalt ausgegangen, der vor dem EuGH gerade erst zur Klärung steht.

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Der Kompromiss zu Art. 13, 1 der Richtlinie zeigt ein leeres Feld, da er ab Montag ausverhandelt werden sollte. In der mittleren Spalte ist die Definition des EU-Ministerrats von Sozialen Netzwerken als Medien, die bereits vor dem EuGH zur Klärung ist.

Die zentrale Frage vor dem EuGH

Im Juli 2018 hatte das Parlament für weitere Änderungen der Richtlinie gestimmt, und das Trilog-Mandat vorerst abgelehnt.

Sollte der EuGH nun andersherum entscheiden, dass nämlich Google ein Service-Provider ist, weil etwa bei YouTube für Medien charakteristische Eigenschaften fehlen, dann wäre der umstrittene Artikel 13 in seiner derzeitigen Definition als Ganzes obsolet. Vor allem aber sind im Richtlinientext Service-Provider von den geplanten Regelungen explizit ausgenommen. Sollte der EuGH nun aber entscheiden, dass eine im Netz zur Verfügung gestellte Datenbank keinen medialen Charakter hat, sondern ein technischer Service ist, dann wären YouTube, Facebook und alle ähnlich strukturierten Dienste vom Geltungbereich der Richtlinie ausgenommen.

Ein solcher Ausgang ist gar nicht unwahrscheinlich, denn die wichtigsten Eigenschaften eines Mediums sind Auswahl, Gewichtung und eigene Produktion von Inhalten. Keine dieser Eigenschaften trifft auf YouTube wirklich zu. Aus einem riesigen Sammelsurium von Videos unterschiedlichster Art, Herkunft und Professionalität wählt alleine der Benutzer die für ihn interessanten Inhalte aus. Die Anzeige damit verknüpfter inhaltsähnlicher Videodateien kommt schon am ehesten einer aktiven Kommunikation mit der Öffentlichkeit gleich, aber auch das hat maschinellen Charakter und Maschinen kommunizieren nun einmal nicht.

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Auszug aus Artikel 2 der Richtlinie, der den Geltungsbereich der Regelung definiert und eben die Ausnahmen für Wikipedia und Co, aber auch Service-Provider.

Was noch umstritten ist

Im Rechtsausschuss des Parlaments wurden unter der Berichterstatterin Therese Comodini Cachia (EVP) Anfang 2017 Leistungsschutz und Upload-Filter großteils aus dem Text gestrichen. Dann übernahm Axel Voss (EVP) als Berichterstatter, alle gestrichenen Punkte kamen wieder hinein.

Und das ist nicht der einzige Punkt, der noch zu klären ist, denn jene 11 Staaten, die im Ministerrat am Freitag gegen den rumänischen Ratsvorschlag gestimmt haben, hatten auch andere Gründe, das zu tun. So gibt es keine Einigkeit zum sogenannten Leistungsschutzrecht für Printverlage, umstritten ist gleichfalls noch, ob kleine und kleinste Unternehmungen ausgenommen sind.

Die ganze Absurdität der Lage illustriert ein weiterer „Kompromissvorschlag“ der rumänischen Ratspräsidentschaft zum Umgang mit Memes, da Teile der Industrie darauf bestanden hatten, hier auch den Gebrauch von Memes zu regeln. Demnach sollte die Herstellung und Verbreitung eigener Memes unter teilweiser Verwendung von „Kunstwerken“, die unter Copyright stehen, zwar gestattet sein. Das Weiterleiten durch Dritte wäre laut diesem „Kompromiss“ jedoch nicht erlaubt. Dieses Teilungsverbot für Memes erntete jede Menge Hohn und Ѕpott im Netz und war dann schnell wieder von der Bildfläche verschwunden.

„Vereinbarung für bessere Rechtssetzung“

Angesichts des oben geschilderten Sachverhalts ist es unmöglich abzuschätzen, in welche Richtung eine diesbezügliche Entscheidung des EuGH gehen wird. Damit aber steht und fällt der gesamte Artikel 13 und womöglich die gesamte Richtlinie, da sie nach dem Prinzip „nichts ist vereinbart, bevor alles vereinbart ist“, verhandelt wird. Zudem bleibt nur noch sehr wenig Zeit, in der sich der Ministerrat einigen muss, denn dann muss der im Trilog ausverhandelte Text noch zur Plenarabstimmung ins Parlament.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. können hier verschlüsselt und anonym beim Autor eingeworfen werden. Wer eine Antwort will, sollte eine Kontaktmöglichkeit angeben.

Der letzte mögliche Termin im EU-Parlament dafür ist Mitte März und da ist man schon mitten im Wahlkampf, denn am 26. Mai wird gewählt. Dass hier ein EuGH-Grundsatzentscheid seit September im Werden ist, der genau das definieren wird, was als Grundlage dieser Richtlinie dient, war in den fünf Trilogsitzungen im Herbst unter der Ratspräsidentschaft Österreichs offenbar niemandem aufgefallen. Der letzte Satz der Stellungnahme der Filmindustrie trägt dem Rechnung: „In diesem Zusammenhang möchten wir an die Prinzipien der Proportionalität und Subsidiarität erinnern und an die Verpflichtungen, die mit der Vereinbarung über bessere Rechtsetzung eingegangen worden sind.“

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