US-Regierung jetzt mit Verschwörungstheorien gegen Huawei
Von Erich Moechel
Die Töne in der US-Kampagne gegen die chinesische Technologiefirma Huawei werden immer schriller. Am Mittwoch warnte der oberste Cyberbeamte des US-Außenministeriums gar davor, dass China künftige 5G-Mobilnetze fern-abschalten könne, wenn darin Komponenten von Huawei verbaut seien. Solche „Killswitches“ sind seit Jahren Bestandteil einschlägiger Verschwörungstheorien.
Grund für diese Tonart ist, dass die von den USA und der „Five Eyes“-Spionageallianz geführte Kampagne gegen Huawei überhaupt nicht so läuft wie geplant. Zuletzt hatten mehrere EU-Staaten den US-Forderungen nach einer generellen Blockade von Huawei für 5G Absagen erteilt. Die USA haben bis jetzt nicht das mindeste Indiz für diese Behauptungen vorgelegt, die in Europa als bloßer Zug im US-Wirtschaftskrieg gegen China angesehen werden.
HANDOUT / HUAWEI / AFP
„Billionen Dollar an geistigem Eigentum stehlen“
Auch lancierte „Sensationsmeldungen“ über manipulierte, chinesische Hardware für die Clouds von Amazon und Apple sind Teil dieser US-Kampagne gegen Hardware aller Art aus China
Der im Außenministerium der USA für den Cybersektor zuständige Staatsekretär Rob Strayer schlug bei einem Vortrag vor dem Thinktank „Centre for Strategic and International Studies“ am Mittwoch die bisher schärfsten Töne an. Beijing wolle mit Huawei auch den chinesischen Überwachungsstaat samt seinem „Social Rating“-System auf die gesamte Welt ausdehen, behauptete Strayer. Ebenso könnte Huawei durch seine Position in den 5G-Netzen „Billionen Dollar an geistigem Eigentum stehlen“, Schadsoftware in den Netzen ausbringen oder diese Netze bei geopolitischen Konflikten teilweise lahmlegen.
Damit ist der „Killswitch“ der diversen Verschwörungstheoretiker gemeint. Technisch gesehen ist das nicht nur unsinnig, es geht auch völlig an den realen Verhältnissen in so gut wie allen Mobilfunknetzen vorbeі. Jeder Betreiber bestückt seine Mobilfunknetze im Regelfall mit Hardware mehrerer Hersteller, so dass er von keinem abhängig ist. Daher besteht jedes Mobilfunknetz weltweit seit Einführung von GSM aus Komponenten von mehreren Anbietern.
Der Grund für den US-Feldzug gegen Huawei
Huawei.com / AFP
Der Weltmarkt in absteigender Reihenfolge: Huawei (China), Ericsson (Schweden), Nokia-Siemens (Finland-Deutschland), ZTE (China) und Samsung (Südkorea). Jede Mobilfunkfirma hat hier ihren eigenen Mix und unterschiedliche Produkte in verschiedenen Funktionen in ihren Netzen eingebaut. Einen „Killswitch“ für diese Netze hat deshalb höchstens der regionale Stromversorger, Telekom-Ausrüster haben das nicht. Und wie man sieht, ist kein US-Unternehmen unter den Top fünf des Mobilfunkgeschäfts dabei, und das will die Regierung Trump nun ändern.
Mit der Einführung von 5G findet nämlich ein Paradigmenwechsel in den Mobilfunknetzen statt, denn vom „Radio Access Network“ - dem mobilen Funk - abgesehen ist ein 5G-Netz nichts anderes als eine für die Bedürfnisse von Mobilfunkfirmen optimierte Cloud. Die Cloud-Technologie aber beherrschen Firmen aus den USA. Deshalb wird der Weltmarktführer bei Mobilfunktechnologien angegriffen, und das ist nun einmal mit großem Abstand Huawei vor Ericsson und Nokia-Siemens.
Der militärische Hintergrund
Und Angriffspunkte gibt es bei Huawei genug. Das Unternehmen unterscheidet sich von den übrigen vier Ausrüstern, die alle an Börsen notieren. Huawei ist hingegen іmmer noch in Privatbesitz, obwohl der Umsatz des Unternehmen allgemein auf etwa 60 Milliarden Dollar geschätzt wird. Wer außer dem Firmengründer Ren Zhengfei noch maßgeblich beteiligt ist, liegt im Unklaren, die allgemeine Annahme ist, dass Anteile von verdienten Mitgliedern der chinesischen „Volksbefreiungsarmee“ PLA bzw. der Kommunistischen Partei gehalten werden.
Die Abstinenz des Unternehmens von der Börse und den damit verbundenen Transparenzauflagen ist natürlich ein klarer Hinweis darauf, dass Huawei auch für kritische Infrastrukturen in China zuständig ist. Daraus den einfachen Schluss zu ziehen, dass Huawei-Equipment bereits für Überwachungszwecke „aufgebohrt“ geliefert wird, ist allerdings lächerlich. Genauso tief ist etwa Routing-Weltmarktführer Cisco in den US-Militärkomplex verwickelt, dasselbe gilt für die israelische Checkpoint, den Branchenprimus bei Firewalls. Diese drei Firmen verdienen alle um Längen mehr im Export, von dem auch ihr weiteres Wachstum abhängt, als mit kritischen Infrastukturen in ihren Herkunftsländern.
ETSI/3GPP
Wer für 5G-Überwachung zuständig ist
Im Fall von Huawei muss das Equipment auch alle Sicherheitsstandards des European Telecom Standards Institute (ETSI) erfüllen, um mit den Komponenten anderer Hersteller kompatibel zu sein. Für Hintertüren in den kommenden 5-G-Netzen ist ausschließlich das ETSI zuständig und dort arbeitet das Technische Komitee „Lawful Interception“ bereits seit einem Jahr daran, Schnittstellen für „Gesetzesmäßige Überwachung“ zu definieren.
Da 5G-Netze technisch bereits weit eher einer Cloud ähneln als einem herkömmlichen Mobilfunknetzist die Standardisierung der 5G-Überwachungs-Interfaces hochkomplex.
In dieser und einer weiteren Überwachungsarbeitsgruppe spielt der britische Militärgeheimdienst GCHQ eine führende Rolle, assistiert vom deutschen Verfassungschutz sowie einschlägigen Kollegen aus Frankreich, den Niederlanden usw. Wenn also Huawei-Komponenten für 5G in Europa auf den Markt geliefert werden, dann kommen sie nicht mit chinesischen, sondern mit europäischen Überwachungsschnittstellen daher.
Zwischenbilanz der Kampagne
Die Kampagne wurde vor einem Jahr gestartet, Anfang 2018 hatten die US-Telekoms AT&T und Verizon erklärt, sie würden keine Huawei-Produkte in ihren 5G-Netzen verbauen. Im August wurde Huawei von der australischen Regierung verbannt, im November folgte Neuseeland, dann kündigte die US-Regierung ebenfalls ein Totalverbot an und auch Großbritannien und Kanada prüften. Diese fünf Staaten konstituieren die Spionageallianz „Five Eyes“.
Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. an den Autor können hier verschlüsselt und anonym eingeworfen werden. Wer eine Antwort will, sollte eine Kontaktmöglichkeit angeben.
Zuletzt hatten Deutschland, Polen, Italien und andere NATO-Staaten ebenfalls „geprüft“ und radikale Verbotsmaßnahmen gegen Huawei dann verworfen, auch in Großbritannien kam es nicht dazu. British Telecom, Vodafone, Deutsche Telekom und andere große Carrier erklärten, nach eingehender Prüfung gegebenenfalls gewisse Huawei-Komponenten aus bestimmten Netzsegmenten zu entfernen. Nach großer Überzeugung oder gar energischem Vorgehen klingt das alles nicht, sondern weit eher danach, dass Europa wenig Lust verspürt, in den von Donald Trump losgetreteten Wirtschaftskrieg gegen China hineingezogen zu werden.
Publiziert am 10.02.2019