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Lizzo

Jabari Jacobs

artist of the week

Lizzo is too big!

Lizzo steht für Body-Positivity, Self-Love und Intersektionalität und sie kann auch Pop und Flöte! Nicht nur deshalb ist sie unser Artist of the Week.

Von Christian Lehner

Lizzo is too big! Das musste sich Melissa „Lizzo“ Jefferson jahrelang anhören. Von Verwandten, Freund*innen und den ersten Boyfriends. „Ganz hübsch, aber dein Körper braucht Arbeit“. So steckte es ihr ein Lover, der sich auf das Urteil seiner Kumpels berief, an die er Fotos von Melissa verschickt hatte. Melissa begann es dann irgendwann selbst zu glauben. Lizzo is too big! Sie hasste sich dafür.

Dann hasste sie den Hass und beschloss etwas dagegen zu tun. Sie hatte Glück, denn im Gegensatz zu vielen Teenager*innen in ähnlicher Situation wusste sie, dass in ihr große Talente schlummern. Das half. Schon früh begann Lizzo zu singen, zu rappen und – ja – Querflöte zu spielen. Die Familie zog von Detroit nach Houston nach Minneapolis.

Body-Positivity und Selbstliebe

Lizzo versuchte sich in Rock-Gruppen, Rap-Crews und Marching-Bands und sie hatte Erfolg. Ihr Solo-Debüt „Lizzobangers“ erschien 2013. Ein Gastspiel bei Prince kurz vor dessen Tod steigerte das Selbstbewusstsein. Im Interview zum Frauentag in Berlin erklärte sie, dass es trotzdem fast 10 Jahre dauerte, bis sie ihr Spiegelbild nicht nur akzeptieren, sondern auch lieben konnte.

Lizzo

WMG

Mit dem Song „My Skin“ auf ihrem Album „Big Grrrl Small World” fand Lizzo das Thema, für das sie heute hoch gehandelt wird: Body-Positivity und Selbstliebe. „Ich beschloss, nur noch positive Songs zu schreiben und wenn dir das nicht passt, hast du ein Problem, nicht ich!“ Lizzo bettelt nicht um Anerkennung, sie geht in die Offensive, denn sie weiß, wie fragil dieser mit sich selbst geschlossene Friede sein kann. Und sie weiß, dass Haters diesen Frieden stören wollen, weil 2019, weil polarisierte Gesellschaft, weil Social Media.

„Ich beschloss, nur noch positive Songs zu schreiben und wenn dir das nicht passt, hast du ein Problem, nicht ich!“

Deshalb die Vehemenz, mit der Lizzo ihren gerade erst erkämpften Status (mit Rückenwind der besten Live-Performance am diesjährigen Coachella-Festival) verteidigt. Sie verspürt auch keine Lust, als zeitgeistiger Novelty-Act einsortiert zu werden.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Shitstorm zu verstehen, den Lizzo als Reaktion auf eine launige Review ihres neuen Albums „Cuz I Love You“ auslöste. Auf Twitter verkündete Lizzo sinngemäß, dass Menschen, die keine Musik machen, auch nicht darüber schreiben sollten. Das enttäuschte nicht wenige ihrer Fans, die in Lizzo mittlerweile eine Positivity-Heilige sehen.

Doch handzahm ist ihre Sache nicht. Dass Lizzo einerseits von Self-Love, Wahrnehmungsstörungen und universeller Liebe spricht, andererseits skandiert: „Slow songs, they for skinny hoes / Can’t move all of this here to one of those / I’m a thick bitch, I need tempo” (Song „Tempo“ feat. Missy Elliott, Anm.) stellt nur für jene einen Widerspruch dar, die Rap wortwörtlich verstehen wollen und nicht als Text an sich.

Lizzo

Luke Gillford

Das Anliegen hinter der Inszenierung

Lizzo is too big! Ihr Talent is too big. Lizzo kann Querflöte, Soul-Diva, Disco-Queen, Twerking-Empress, Street Rhymes und Riot Grrrl. Früher galt sie aufgrund ihrer stilistischen Vielfalt als schwer vermarktbar. Heute kann sich Lizzo die Krone aufsetzen. Versuchte die Industrie noch vor wenigen Jahren in einen Popsong möglichst viele Stile zu integrieren, so setzt sie heute zunehmend auf Popstars, die über ein starkes Image Social-Media-kompatibel sind, sich stilistisch aber entfalten dürfen.

Sendungsbild Interview Podcast

Radio FM4

Das Interview mit Lizzo gibt’s im FM4 Interviewpodcast zum Nachhören.

Lizzo is too big! Ihr neues Album „Cuz I Love You“ ist wie eine prall gefüllte Schachtel Pop-Pralinen. Jeder Song gibt das Maximum. Zucker und Schweiß. Oder „Juice“, um es mit dem Titel DER Body-Positivity-Hymne unserer Zeit zu formulieren. Funk-Pop, R’n’B, Disco, Trap, Neo-Soul, Sexy-Balladen. Alles ist erlaubt außer Auto-Tune. Jeder Song ist eine Matrjoschka, unter der sich noch mehr Pop verbirgt. Man sollte sich dabei keinen falschen Vorstellungen hingeben. Dieses Erzeugnis ist mit Hilfe vieler Hit-Makers und anderen Helferleins entstanden und für die Charts gemacht. Pop as pop can.

Doch der Hype ist hoffentlich nicht too big, denn hinter dieser großen Inszenierung steckt ein großes Anliegen. Lizzo hat die ihr von der Gesellschaft zugedachten Nachteile: dick, schwarz und weiblich in Vorteile verwandelt und sie zu einem ganzheitlichen Popkonzept verdichtet. Wir alle sollten uns das nicht nehmen lassen.

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