FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

EU-Sternenbanner über einer Bildschirmwand, die lauter Augenpaare zeigt

Radio FM4

Erich Moechel

Zwei neue EU-Überwachungsgesetze in Vorbereitung

Die E-Commerce-Richtlinie wird zu den Upload-Filtern der neuen Copyright-Richtlinie kompatibel gemacht. Ein neues internes Dokument des EU-Ministerrats zur Vorratsdatenspeicherung gibt Einblicke in das Wirken Österreichs.

Von Erich Moechel

Die EU-Wahlen sind noch nicht geschlagen, da bereiten EU-Ministerrat und Kommission bereits zwei neue Regelungen der nächsten Legislaturperiode vor. Die Vorarbeiten für eine Novelle zur E-Commerce-Richtlinie sind bereits angelaufen, allgemein erwartet werden neue Filter- und Überwachungspflichten für Internetkonzerne.

Wie berichtet hatte die österreichische Ratspräsidentschaft eine Initiative für eine neue Vorratsdatenspeicherung gestartet und ihre Urheberschaft auch im Auftragsdokument des Rats an die Kommission verewigen lassen. In der kaum veränderten Neuversion des Dokuments, die ORF.at vorliegt, wurde genau diese Passage nun wieder gestrichen. Die Motive dafür liegen auf der Hand.

Schreiben des Council of the European Union

CC0

Wie man rechts an der Dokumentennummer sieht, ist es die erste Revision des Dokuments 7833, die sich vor allem durch geringfügige Ergänzungen und Streichung einzelner Wörter von der Erstversion unterscheidet. Da das Dokument nicht öffentlich vorliegt, wird es hier zur Verfügung gestellt:

PDF (340.0 kB)

Diese Initiative der österreichischen Ratspräsidentschaft für eine neue Vorratsdatenspeicherung wurde erst Monate danach, nämlich Mitte April auch öffentlich bekannt.

Der Zeitablauf des Verschwindens

Der Zeitablauf zeigt, dass die Streichung offenbar als direkte Reaktion auf die Veröffentlichung dieses vertraulichen Ratsdokuments passierte. Das erste, im nebenstehend verlinkten Artikel vom 14. April beschriebene Ratsdokument wurde auf Initiative Österreichs am 27. März vom Rat erstellt. Am 10. April hatte es die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch samt Analyse im Netz veröffentlicht. Dass es von der österreichischen Ratspräsidentschaft stammt, wurde in der Analyse allerdings nicht erwähnt.

Zwei Tage später wurde im Rat die Nachfolgeversion (7833/1/19 REV1) produziert, in dem die Rolle Österreichs gestrichen wurde. Für diese Streichung im Rat kommt nur ein direkter oder indirekter Auftrag Österreichs in Frage, dem die übrigen 27 Staaten dann erst zustimmen müssen, bevor tatsächlich gestrichen wird. Das wurde in Revision Nummer eins durchgeführt, erst im Folgedokument Rev 2 werden alle Streichungen und Ergänzungen durchgeführt, die Urheber dann getilgt. Wenn das Thema - meist sehr viel später - auf nationaler Ebene in der Öffentlichkeit schlagend wird, kann sich die jeweilige Regierung darauf berufen, dass ja „die EU“ das angeordnet habe.

Council Austria

CC0

Wie man hier sieht ist auch ein Richtlinienentwurf im Auftrag des Ministerrats an die EU-Kommission enthalten.

Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen

Nur wenige Monate nachdem der EuGH die Maßnahme verworfen hatte, brachten Rat und EU-Kommission zu Jahresbeginn 2015 eine neue Vorratsdatenspeicherung aufs Tapet.

In diesem Fall war es die österreichische Regierung, die ihre im Regierungsprogramm festgehaltene nationale Speicherpflicht temporärer IP-Adressen zurückziehen musste. Man hatte etwas spät bemerkt, dass dies eine pauschale Vorratsspeicherung darstellt, die der EU-Gerichtshof (EuGH) in zwei Urteilen für grundsätzlich illegal erkannt hatte. In Folge brachte die Bundesregierung dasselbe Überwachungsvorhaben dann im EU-Ministerrat ein, um es über Unionsrecht in Österreich durchzusetzen.

Gerade bei Überwachungsgesetzen, die meist auf heftigen Widerstand auf nationaler Ebene stoßen ist es noch immer üblich, „der EU“ die Verantwortung zuzuschieben. Ein berüchtigtes Beispiel dafür war die Vorratsdatenspeicherung der Regierung Tony Blair (Labour, SPE), die zur Jahrtausendwende im britischen Parlament gescheitert war. Die Briten brachten die Pläne dann im EU-Parlament ein und fanden in Deutschland und Frankreich Unterstützer, im Windschatten dreier großer Terroranschläge wurde das Vorhaben 2005/6 schließlich im EU-Parlament durchgesetzt.

E-Commerce Artikel 14

CC0

In der seit 17 Jahren gültigen E-Commerce-Richtlinie werden die Provider grundsätzlich von der Haftung für die Inhalte von Benutzern freigestellt. Haftbar werden sie jedoch ab dem Zeitpunkt, an dem sie über einen solchen Rechtsverstoß informiert wurden und nicht darauf reagiert haben.

Copyright wird an E-Commerce angedockt

Der erste Artikel der ORF-Futurezone zum Start der Vehandlungen über die E-Commerce-Richtlinie vom September 1999.

Dass die E-Commerce-Richtlinie schon bald auf die Tagesordnung kommen würde, war zu erwarten. Artikel 14 und Artikel 15 der E-Commerce-Richtlinie stehen nämlich in offenem Widerspruch zur Copyright-Richtlinie, die im April verabschiedet wurde. Die schreibt den Betreibern aller größeren Netz-Plattformen nämlich die Vorab-Filterung aller hochgeladenen Dateien vor, wenn sie nicht Lizenzen für sämtliche Inhalte aller Verlage & sonstiger Rechteinhaber jedes EU-Staats vorab lizenziert haben.

Die bis jetzt geltende E-Commerce Richtlinie (von 2000) stellt die Plattform-Betreiber hingegen ausdrücklich frei von Haftung für die Inhalte, die von ihren Benutzern hochgeladen werden (Artikel 14). Ebenso deutlich ist Artikel 15: Es gebe „keine allgemeine Überwachungspflicht“ für Service-Provider, sie seien nicht verpflichtet, ihre Plattformen systematisch auf mögliche Rechtsverstöße der Benutzer zu überwachen. Wenn der Plattformbetreiber entweder selbst in Kenntnis solcher Rechtsverstöße gelange, oder darauf hingewiesen werde, seien diese abzustellen, heißt es da sinngemäß.

E-Commerce Artikel 15

CC0

Artikel 15 der E-Commerce-Richtlinie folgte mit dieser umissverständlichen Formulierung nur der Datenschutzrichtlinie von 1995. Schon darin war nämlich festgehalten, dass eine vollständige Überwachung aller Benutzer ohne konkreten Anlass gegen die in der EU-Charta festgeschriebenen Grundrechte verstößt.

Bürgerrechts-NGOs wie European Digital Rights (EDRi) befürchten nun, dass diese beiden Artikel nicht nur kompatibel mit der Copyright-Richtlinie gemacht werden, sondern dass auch noch weitere Überwachungs- und Kontrollbegehrlichkeiten in den Text reklamiert werden. Diese Befürchtung kommt nicht von ungefähr. Während der vergangenen beiden Jahrzehnte hatten Strafverfolger, Rechteverwerter und andere keine einzige EU-Regelung ausgelassen, wenn irgendwelche Artikel darin enthalten waren, deren Inhalt eine Chance bot, ihre Forderungen zu verankern.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. an den Autor können hier verschlüsselt und anonym eingeworfen werden. Wer eine Antwort will, sollte eine Kontaktmöglichkeit angeben.

So hatte die Copyright-Lobby das sogenannte Telekom-Paket der Union, das eigentlich nur die Regelungen für die Telekoms an die modernen Gegebenheiten anpassen sollte, um 2010 ein gutes Jahr lang mit Überwachungsforderungen blockiert. Die Novelle zur E-Privacy-Richtlinie, das mithin wichtigste Konsumentenschutzgesetz für das Internet, war von der österreichischen Ratspräsidentschaft sofort bei Amtsantritt auf die lange Bank geschoben worden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Novelle zu E-Privacy aufgebohrt werden soll, um die von der österreichischen Ratspräsidentschaft gestartete Initiative für eine neue Vorratsdatenspeicherung andocken zu können.

Aktuell: